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Regionalkapitel Europa und Zentralasien 2024

Eine Demonstration konfrontiert einen Polizisten bei regierungskritischen Protesten in der serbischen Hauptstadt Belgrad (3. November 2024).
© AFP or licensors
Osteuropa und Zentralasien
Der anhaltende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine beherrschte weiterhin die Situation in der Region und ging mit zahlreichen völkerrechtlichen Verstößen einher. In zahlreichen Ländern befanden sich die Menschenrechte auf Talfahrt. Im Zuge des Kriegs und zunehmender autoritärer Praktiken ignorierten immer mehr Länder ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen, höhlten entsprechende nationale und internationale Institutionen aus und übten gleichzeitig Druck auf jene aus, die mutig für die Menschenrechte eintraten.
Russlands unablässige Verstöße gegen das Völkerrecht und das humanitäre Völkerrecht, zum Beispiel durch gezielte Angriffe auf zivile Infrastruktur, führten zu unzähligen Todesopfern und einer dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Ukraine, unter der Kinder und andere gefährdete Gruppen besonders stark litten.
Diese Verbrechen blieben ebenso straflos wie Verstöße, die im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan verübt wurden. Zahlreiche weitere Regierungen in Osteuropa und Zentralasien, die dreiste Angriffe auf die Menschenrechte unternahmen, mussten ebenfalls keine Konsequenzen befürchten. Zivilgesellschaftliche Gruppen waren gezielten Angriffen ausgesetzt und konnten in vielen Ländern gar nicht mehr tätig sein oder nur noch unter riskanten Bedingungen bzw. heimlich. Menschenrechtsverteidiger*innen wurden in vielen Ländern inhaftiert oder waren gezwungen, ins Exil zu gehen. In einigen Fällen trotzten friedliche Protestierende der zunehmenden Repression, obwohl sie beispiellose Gewalt befürchten mussten. Der mutige Einsatz zahlreicher Menschen konnte jedoch nicht verhindern, dass die Menschenrechte immer stärker in die Defensive gerieten.
Viele Regierungen missbrauchten Gesetze gegen Extremismus und Terrorismus, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, und führten "traditionelle Werte" ins Feld, um gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) vorzugehen und sexuelle und reproduktive Rechte zu beschneiden. Internationale Organisationen und andere Akteur*innen hatten zunehmend weniger Möglichkeiten, die Menschenrechtslage vor Ort zu beobachten. Immer häufiger wurden Aktivist*innen, die ins Exil gegangen waren, auch im Ausland verfolgt, was deutlich machte, dass die nationalen und internationalen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte bei Weitem nicht ausreichten.
In Osteuropa und Zentralasien gab es 2024 Rückschläge bezüglich des Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit. Die Justiz wurde ganz unverhohlen für die Unterdrückung abweichender Meinungen instrumentalisiert, und Folter und andere Misshandlungen waren weiterhin an der Tagesordnung. Geschlechtsspezifische Gewalt nahm zu, und die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen wurden noch stärker ausgehöhlt.
Die Förderung und der Verbrauch fossiler Brennstoffe nahmen insgesamt zu. Die daraus resultierende Luftverschmutzung führte in vielen Ländern zu Gesundheitsschäden.
Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht
Russland griff weiterhin systematisch die zivile Infrastruktur in der Ukraine an und verübte Kriegsverbrechen. Die Zahl der verletzten oder getöteten Zivilpersonen in der Ukraine war 2024 höher als im Vorjahr. Weil Russland seine Raketen- und Drohnenangriffe nach wie vor gezielt gegen dicht besiedelte Gebiete richtete, verschlechterten sich die Lebensbedingungen der ukrainischen Zivilbevölkerung massiv. Am meisten litten darunter Kinder, ältere Menschen und andere gefährdete Gruppen. Ende Mai 2024 waren 70 Prozent der ukrainischen Wärmekraftwerke zerstört oder unter russischer Kontrolle, was regelmäßig zu Stromausfällen führte. Unzählige ukrainische Kriegsgefangene wurden in Russland und in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine wegen ihrer Teilnahme an Kampfhandlungen rechtswidrig vor Gericht gestellt.

Am 8. Juli 2024 feuerte die russische Armee eine Rakete ab auf das Ohmatdyt-Kinderkrankenhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
© Joël Gugler
Russland gab an, dass bei ukrainischen Angriffen auf russisches Staatsgebiet Hunderte Zivilpersonen gestorben seien, doch konnten weder die Angaben zur Zahl der Opfer noch die näheren Umstände von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Die völkerrechtlichen Verstöße, die aserbaidschanische und armenische Streitkräfte in den vergangenen Jahren im Konflikt um die umstrittene Region Bergkarabach verübt hatten, blieben weiter straffrei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied 2024, Russland habe bei der Festlegung und Überwachung der Verwaltungsgrenzen zu den abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien in Georgien das Recht auf Leben und weitere Menschenrechte verletzt.
Alle Vorwürfe über Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollten unparteiisch und unabhängig untersucht werden, auch mithilfe des Weltrechtsprinzips.
Recht auf freie Meinungsäußerung
In vielen Staaten Osteuropas und Zentralasiens wurde das Vorgehen gegen Kritiker*innen 2024 noch gnadenloser – in Form von Anklagen wegen "Hochverrats" oder "Gefährdung der nationalen Sicherheit", unter Rückgriff auf Gesetze zur Bekämpfung von "Extremismus" und "Terrorismus", durch Stigmatisierung als "ausländische Agenten" oder "LGBT-Propaganda", und unter Verweis auf "traditionelle Werte". Von Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Rechtsbeiständen bis hin zu Künstler*innen und Bühnenautor*innen blieb niemand verschont.
In Belarus standen mehr als 4.700 Menschen auf der "Liste der an extremistischen Aktivitäten beteiligten Personen", und die Zahl der Onlinemedien, Druckerzeugnisse und Sendungen, die wegen "extremistischer Inhalte" verboten wurden, verdoppelte sich 2024. In Georgien wurden Andersdenkende vermehrt drangsaliert und Opfer von Gewalt. Viele Aktivist*innen und Protestierende wurden von anonymen Angreifern brutal überfallen und verletzt, wobei einige dieser Attacken offenbar von den Behörden unterstützt oder sogar initiiert wurden.
In Kirgisistan wurden Dutzende unabhängige Journalist*innen, Aktivist*innen, Blogger*innen und andere, die sich online äußerten, strafrechtlich verfolgt, allem Anschein nach als Vergeltungsmaßnahme für kritische Äußerungen. Moldau weitete die Gesetzgebung zu Hochverrat, die sich bisher auf den Kriegszustand beschränkte, auf Friedenszeiten aus. Tadschikistan erließ ein Gesetz, das Kleidungsstücke verbot, die "der nationalen Kultur fremd" waren. Und in Usbekistan enthielt der jüngste Entwurf für ein Informationsgesetz ein Verbot der Verbreitung von Informationen, die "Separatismus" oder "religiösen Extremismus" fördern oder eine "Missachtung des Staats" darstellen.
Recht auf Vereinigungsfreiheit
Zivilgesellschaftliche Organisationen agierten in Osteuropa und Zentralasien 2024 in einem feindseligen Umfeld und unter großen Risiken. Kirgisistan erließ ein Gesetz nach russischem Vorbild, das NGOs, die Mittel aus dem Ausland erhielten und vage definierten "politischen" Aktivitäten nachgingen, verpflichtete, sich als "ausländische Vertreter" registrieren zu lassen. In der Folge sahen sich zahlreiche Organisationen gezwungen, ihre Aktivitäten einzuschränken oder ganz einzustellen. Eine ähnliche Entwicklung war in Georgien zu beobachten. Dort zwang das neue "Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme" Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhielten, dazu, sich zu "Agenten ausländischer Einflussnahme" zu erklären und strenge und unverhältnismäßige Berichts- und Überwachungspflichten zu erfüllen.
In Aserbaidschan wurden unabhängige NGOs und die Medien weiterhin willkürlich eingeschränkt, u. a. indem man ihnen die Registrierung verweigerte und überzogene Berichtspflichten auferlegte. Die Behörden in Tadschikistan schlossen 2024 weitere NGOs – zusätzlich zu den mehr als 700, die in den beiden Vorjahren bereits ihre Arbeit einstellen mussten. In Russland wurden 55 Organisationen, darunter auch solche indigener Gemeinschaften, willkürlich als "extremistisch" eingestuft und 169 weitere Einzelpersonen und Organisationen auf die Liste "ausländischer Agenten" gesetzt.
Recht auf friedliche Versammlung
Friedliche Versammlungen, die in Osteuropa und Zentralasien zuvor schon nahezu unmöglich waren, wurden 2024 noch stärker unterdrückt – durch übermäßig restriktive Gesetze und den Einsatz rechtswidriger Gewalt gegen Protestierende. In Verbindung mit dem harten Vorgehen gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit hielt dies immer mehr Menschen und auch junge Leute davon ab, für die Menschenrechte einzutreten.
Die Polizei in Georgien schlug, verletzte und inhaftierte 2024 Hunderte Protestierende und verfolgte sie auch außerhalb von Demonstrationen, indem sie Durchsuchungen und Festnahmen in Wohnungen und Büros vornahm.

Die Polizei setzt Tränengas ein gegen Demonstrierende bei regierungskritischen Protesten in der georgischen Hauptstadt Tiflis (28. November 2024).
© GIORGI ARJEVANIDZE/AFP via Getty Images
In Russland wurden Hunderte Menschen festgenommen, die öffentlich um den bekannten Oppositionsführer Alexej Nawalny trauerten, nachdem dieser im Februar 2024 plötzlich und unter verdächtigen Umständen in der Haft gestorben war. Dutzende von ihnen wurden zu Geldbußen, kurzen Haftstrafen oder anderen administrativen Strafen verurteilt. In Armenien ging die Polizei mehrfach mit rechtswidriger Gewalt gegen Protestierende vor, die bei Großdemonstrationen im April und Mai 2024 den Rücktritt von Premierminister Nikol Paschinjan forderten. In Kasachstan enthielt die Gesetzgebung zu Versammlungen eine zwölfmonatige Verjährungsfrist, die es den Behörden erlaubte, Demonstrierende auch lange nach dem vorgeworfenen "Vergehen" zu inhaftieren.
Die Regierungen müssen Gesetze und Maßnahmen, die die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit behindern, abschaffen bzw. unterlassen. Außerdem müssen sie aufhören, Vorwände zu nutzen, um Kritik zu unterdrücken und eine Auseinandersetzung mit ihrer Menschenrechtsbilanz zu verhindern.
Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit
Bezüglich des Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit waren 2024 in zahlreichen Ländern Osteuropas und Zentralasiens Rückschläge zu verzeichnen. Die Ukraine verbot per Gesetz religiöse Organisationen, "deren Führungszentrum sich in einem Staat befindet, der einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine verübt". Gleichzeitig wurden in Russland orthodoxe Priester, die sich gegen den Krieg aussprachen, ihres Amtes enthoben oder sahen sich mit anderen Disziplinarmaßnahmen konfrontiert, und die strafrechtliche Verfolgung von Angehörigen der Zeugen Jehovas hielt an. In Belarus wurden Geistliche, die nicht mit der Regierungspolitik übereinstimmten, drangsaliert und festgenommen. In Tadschikistan gab es massive Angriffe auf die ethnische und religiöse Minderheit der Pamiri, die sich gegen ihr Recht auf Religionsausübung und den Erhalt ihrer Kultur richteten.
Die Regierungen müssen wirksame rechtliche und politische Maßnahmen ergreifen, um das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit zu schützen, zu fördern und zu gewährleisten und jegliche Diskriminierung auszuschließen.
Folter und andere Misshandlungen
In vielen osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten waren Folter und andere Misshandlungen 2024 nach wie vor an der Tagesordnung, ohne dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.
Unabhängige UN-Expert*innen verurteilten Russlands "koordinierte staatliche Politik der Folterung ukrainischer Zivilpersonen und Kriegsgefangener". Überlebende berichteten von brutalen Schlägen, Elektroschocks, sexualisierter Gewalt, Schlafentzug und Scheinhinrichtungen. In einem bemerkenswerten Schritt prangerte der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter 2024 öffentlich die Weigerung Aserbaidschans an, den seit Langem bestehenden Vorwürfen über weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlung durch die Polizei nachzugehen. In Belarus starben 2024 fünf politische Gefangene, andere wurden über so lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, dass dies dem Verschwindenlassen gleichkam. In Georgien berichtete die Mehrheit der 400 Personen, die bei den Protesten im November und Dezember 2024 festgenommen wurden, über Misshandlungen in Gewahrsam. Dutzende wurden mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert; in mehreren Fällen verweigerte man ihnen dort eine medizinische Behandlung. In Tadschikistan wurde der zu Unrecht inhaftierte pamirische Anwalt und Menschenrechtsverteidiger Manuchehr Kholiknazarov nicht angemessen medizinisch versorgt, obwohl sich sein Gesundheitszustand stark verschlechterte. Ähnliches galt für andere Gefangene in Tadschikistan. Internationale Forderungen, Manuchehr Kholiknazarov freizulassen, wurden von den Behörden ignoriert. In Kasachstan hatten die zahlreichen Vorwürfe über Folter durch Sicherheitskräfte während der Proteste im Januar 2022 immer noch keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich gezogen.
Die Regierungen müssen Folter und andere Misshandlungen dringend beenden und die mutmaßlich Verantwortlichen ausnahmslos in fairen Gerichtsverfahren zur Rechenschaft ziehen.
Unfaire Gerichtsverfahren
In Kirgisistan gab es 2024 eine unerwartete positive Entwicklung, als 22 Angeklagte im sogenannten Kempir-Abad-Fall freigesprochen wurden, gegen die man politisch motivierte Vorwürfe erhoben hatte. Zahlreiche Länder instrumentalisierten die Justiz jedoch, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Zudem gab es immer mehr Fälle, in denen Personen in Abwesenheit verurteilt wurden.
In Belarus wurden lange Haftstrafen gegen Oppositionspolitiker*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Rechtsbeistände verhängt. So wurden beispielsweise 20 im Exil lebende politische Kommentator*innen und Journalist*innen mit Verbindungen zur Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja (Sviatlana Tsikhanouskaya) in Abwesenheit wegen staatsfeindlicher Straftaten und "Extremismus" zu Haftstrafen von zehn bis elfeinhalb Jahren verurteilt. In Russland nahmen Schuldsprüche wegen Hochverrat und Spionage stark zu. In Georgien nutzten die Behörden das Justizsystem unverhohlen, um gegen regierungskritische Demonstrationen vorzugehen, und die Gerichte ignorierten Belege für Folter regelmäßig. In Tadschikistan wurden Mitglieder willkürlich verbotener Oppositionsgruppen inhaftiert, und Rechtsbeistände waren wegen ihrer Arbeit massiven Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt.
Die Behörden müssen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren gewährleisten und dürfen das Justizsystem nicht dazu missbrauchen, um abweichende Meinungen zu unterdrücken.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Armenien und Kasachstan verstärkten 2024 den Schutz für Überlebende häuslicher Gewalt. In vielen Ländern nahm geschlechtsspezifische Gewalt zu. In der Ukraine lag die Zahl der Strafverfahren, die 2024 wegen häuslicher Gewalt eingeleitet wurden, nach Angaben der Behörden 80 Prozent höher als im Vorjahr. In Kirgisistan stiegen die angezeigten Fälle im Vergleich zu 2023 um 37 Prozent. In Turkmenistan verlangte eine Gesetzesreform von Gerichten, bei Scheidungsverfahren der Versöhnung des Ehepaars Vorrang einzuräumen, selbst in Fällen häuslicher Gewalt.
Die Regierungen müssen dringend alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt sowie die zugrunde liegenden Ursachen bekämpfen.
Rechte von LGBTI+
Die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) gerieten 2024 in Osteuropa und Zentralasien noch stärker unter Druck, weil in vielen Ländern zunehmend "traditionelle Werte" ins Feld geführt wurden.
Das georgische Parlament verabschiedete ein Gesetz zum "Schutz von Familienwerten und Minderjährigen", das zahlreiche homo- und transfeindliche Maßnahmen enthielt und große Ähnlichkeit mit dem russischen Gesetz gegen "LGBT-Propaganda" aufwies. Belarus erweiterte die offizielle Definition von Pornografie, deren öffentliche Darstellung strafbar war, um "nichttraditionelle sexuelle Beziehungen und/oder Verhaltensweisen", wozu auch einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zählten. In Kasachstan sorgte ein Vorschlag, "LGBTI-Propaganda" per Gesetz zu verbieten, allerdings für so viel öffentliche Empörung, dass die Beratungen über den Gesetzentwurf vertagt wurden.
In Turkmenistan und Usbekistan waren einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern weiterhin strafbar.
Die Regierungen sollten Gesetze, Maßnahmen und Vorgehensweisen, die LGBTI+ diskriminieren, abschaffen bzw. unterlassen. Unter anderem sollten einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen entkriminalisiert werden.
Wirtschaftliche und soziale Rechte
Für Kinder in Osteuropa und Zentralasien herrschten im Jahr 2024 allzu häufig nicht die Bedingungen für eine angemessene menschliche Entwicklung. Nach Angaben von UNICEF hatten in Tadschikistan 78 Prozent der Kinder nicht genug zu essen, 34 Prozent der davon betroffenen Kinder lebten in extremer Armut. In Kirgisistan konnte die Hälfte der Bevölkerung den grundlegenden Ernährungsbedarf nicht decken, worunter Kinder unverhältnismäßig stark litten.
Die russischen Behörden verstießen mit Schulfächern, die der Indoktrination dienten und u. a. die Verherrlichung des russischen Kriegs gegen die Ukraine beinhalteten, sowohl in Russland als auch in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine gegen das Recht von Kindern auf hochwertige Bildung. Zudem wurde in Russland ein Gesetz angenommen, wonach Kinder ausländischer Staatsangehöriger nur dann eine Schule besuchen dürfen, wenn sie einen russischen Sprachtest bestehen und sich rechtmäßig im Land aufhalten.
Die Regierungen müssen die Rechte auf einen angemessenen Lebensstandard und auf Zugang zu hochwertiger Bildung für alle Menschen gewährleisten.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen wurden 2024 weiter ausgehöhlt. Für mehr als 100.000 ethnische Armenier*innen, die nach der aserbaidschanischen Militäroffensive aus Bergkarabach nach Armenien geflohen waren, gab es weiterhin keine Aussicht auf eine sichere und würdevolle Rückkehr. Aktivist*innen aus der usbekischen autonomen Republik Karakalpakistan, die sich in Kasachstan aufhielten, drohte die Rückführung nach Usbekistan, wo sie mit Folter und langjährigen Haftstrafen rechnen mussten. In Belarus zwangen die Behörden Flüchtlinge und Migrant*innen auch 2024, die Grenzen zu EU-Ländern zu überqueren, deren Grenzschutz sie jedoch häufig wieder zurückschob. Die russischen Behörden bedienten sich migrationsfeindlicher Rhetorik, und einige Regionen untersagten Migrant*innen die Ausübung bestimmter Berufe.
Die Regierungen müssen gewährleisten, dass alle Menschen, die vor Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen fliehen, Sicherheit und internationalen Schutz finden und nicht in Länder zurückgeschickt werden, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Recht auf eine gesunde Umwelt

Uferpromenade "Baku Boulevard" in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am 29. Juni 2024
© Getty Images
Aserbaidschan war 2024 Gastgeber der Weltklimakonferenz (COP29), vermochte es jedoch nicht, die regionale und globale Klimagerechtigkeit voranzubringen. Die Behörden schlossen aserbaidschanische Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen von der Teilnahme an der Konferenz aus, gingen vor und nach dem Treffen strafrechtlich gegen sie vor und schufen eine Atmosphäre, die von Selbstzensur und intensiver Überwachung geprägt war. Die Öl- und Gasförderung in Osteuropa und Zentralasien nahm 2024 weiter zu, und die meisten Länder der Region zeigten keine Ambitionen, den Klimawandel zu bewältigen und/oder die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
Die Luftverschmutzung, die in vielen Ländern die Gesundheit der Menschen beeinträchtigte, wurde durch die anhaltende Nutzung fossiler Brennstoffe noch verstärkt. Eine Studie der Weltbank stellte feste, dass die Luftverschmutzung in der usbekischen Hauptstadt Taschkent für etwa 3.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich war.
In Armenien, Aserbaidschan und Georgien gingen die Behörden scharf gegen Menschen vor, die gegen die negativen Folgen von Bergbauprojekten protestierten.
Länder mit hohen Emissionen müssen bei der Bewältigung des Klimawandels mit gutem Beispiel vorangehen, u. a. indem sie die Förderung fossiler Brennstoffe drosseln und entsprechende Subventionen stoppen. Die Regierungen müssen unverzüglich handeln, um Einzelpersonen und Gemeinschaften vor den Gefahren und Auswirkungen des Klimawandels und extremer Wetterereignisse zu schützen.
Westeuropa, Mitteleuropa und Südosteuropa
In West-, Mittel- und Südosteuropa waren 2024 Diskriminierung, die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen sowie die Stigmatisierung und Drangsalierung aufgrund von Herkunft, Religion, Geschlecht und Sexualität notorische Probleme, die zahlreiche Menschenrechte beeinträchtigten. Berichte über Hasskriminalität nahmen stark zu.
Vage und übermäßig weit gefasste Antiterrorgesetze wurden genutzt, um die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu unterdrücken. Die Polizei ging vielerorts mit unnötiger oder unverhältnismäßiger Gewalt gegen friedliche Protestierende vor und inhaftierte einige wegen gewaltfreien zivilen Ungehorsams. Überwachungstechnologien wurden großflächig eingesetzt, was eine abschreckende Wirkung entfaltete.
Viele Länder griffen auf eine breite Palette an repressiven Gesetzen zurück, um Solidaritätsbekundungen mit Palästinenser*innen und Kritik an Israels Völkermord im besetzten Gazastreifen zu verhindern und zu bestrafen. Einige europäische Staaten ergriffen Maßnahmen, um zu verhindern, dass Israel für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen wird, und machten damit deutlich, dass sie sich im Zweifelsfall nicht eindeutig zum Völkerrecht bekannten. Obwohl der Internationale Gerichtshof (IGH) und UN-Sachverständige forderten, jegliche Waffenexporte nach Israel zu stoppen, lieferten einige Länder weiter Waffen und andere Rüstungsgüter.
Grenzkontrollen genossen Vorrang gegenüber den Rechten von Flüchtlingen und Migrant*innen. Folter und anderweitige Misshandlungen insbesondere von Migrant*innen und Menschen mit Behinderungen boten weiterhin Anlass zur Sorge. Medizinische Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung waren nicht überall verfügbar. In vielen Ländern gab es weiterhin ein hohes Maß an geschlechtsspezifischer Gewalt. Bezüglich Wohnraum, sozialer Absicherung und Gesundheitsversorgung bestanden nach wie vor Mängel. Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel verstärkt wurden, führten insbesondere in den Ländern Südeuropas zu Todesopfern und Sachschäden.
Diskriminierung
In den Ländern West-, Mittel- und Südosteuropas stellte Diskriminierung auch 2024 ein schwerwiegendes Problem dar. Frauen, muslimische und Schwarze Menschen, Rom*nja und Angehörige anderer rassifizierter Gruppen sowie geringverdienende Menschen wurden unverhohlen diskriminiert und bezüglich sozialer Absicherung, politischer Teilhabe, Erwerbstätigkeit und Bildung benachteiligt. Nach Messerangriffen in Deutschland und Großbritannien nahmen Hassverbrechen, die sich gegen Migrant*innen und Muslim*innen richteten, deutlich zu. In Frankreich und weiteren Ländern stieg 2024 die Zahl antisemitischer, islamfeindlicher und rassistischer Straftaten. Die portugiesischen Behörden stellten Ermittlungen zu Hassverbrechen in den meisten Fällen ein.
In Norwegen und der Schweiz nahm die Polizei diskriminierende Personenkontrollen (Racial Profiling) vor. In Dänemark, Schweden und den Niederlanden führten automatisierte Systeme der Behörden dazu, dass Frauen, Angehörige rassifizierter Gruppen und Menschen mit geringem Einkommen bei Sozialleistungen systematisch diskriminiert wurden. Frankreich erließ ein diskriminierendes Kopftuchverbot für französische Sportlerinnen, das auch bei den Olympischen und Paralympischen Spielen 2024 in Paris galt.
Griechenland führte 2024 die gleichgeschlechtliche Ehe ein, in Tschechien wurden eingetragene Lebenspartnerschaften von Homosexuellen stärker der Ehe angeglichen. In Großbritannien waren Gesetzentwürfe, die ein Verbot von Konversionstherapien vorsahen, noch immer anhängig. In vielen europäischen Ländern waren lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) weiterhin erheblichen Problemen ausgesetzt. In Serbien und Bulgarien fehlten rechtliche Grundlagen für eine Änderung des amtlichen Geschlechts, in Nordmazedonien machten entsprechende Gesetzesinitiativen keine Fortschritte. In der Slowakei und in Polen waren LGBTI+ nach wie vor Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Die polnische Gesetzgebung gegen Hasskriminalität und Anstiftung zum Hass enthielt keine konkreten Bestimmungen zu den Tatmotiven sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Die Türkei erließ auch 2024 rechtswidrige Verbote gegen Pride-Veranstaltungen.
Zwar gab es in einigen Ländern Aktionspläne zur Integration von Rom*nja, dennoch waren diese immer noch von Diskriminierung, Segregation und Ausgrenzung betroffen. Der Europäische Ausschuss für soziale Rechte stellte fest, dass Italien das Recht von Rom*nja auf Wohnraum verletzt habe. Und der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wies auf strukturellen Rassismus gegenüber Rom*nja in Irland und Serbien hin. Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) lag eine Klage der Europäischen Kommission wegen der Segregation von Rom*nja-Schulkindern in der Slowakei vor. Auch in Nordmazedonien, Bulgarien und Bosnien und Herzegowina bestand die Segregation fort. In Kroatien hatten Rom*nja nur eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Gleiches galt für aus der Ukraine geflüchtete Rom*nja in Rumänien.
Die Regierungen sollten die systemische Diskriminierung von jüdischen, muslimischen und Schwarzen Menschen, Rom*nja, LGBTI+, Migrant*innen und anderen Personen wirkungsvoll bekämpfen.
Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Mehrere europäische Staaten ergriffen 2024 Maßnahmen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit Solidaritätsbekundungen mit Palästinenser*innen und Kritik an Israels Völkermord im besetzten Gazastreifen. In Deutschland wurden Personen vor Gericht zu Strafen verurteilt, weil sie den Slogan "From the river to the sea" verwendet hatten. Die britische Regierung schränkte die Meinungsfreiheit bezüglich Aussagen zu Palästina ein, und die französischen Behörden ermittelten gegen Hunderte Personen, die ihre Solidarität mit Palästinenser*innen zum Ausdruck gebracht hatten, wegen "Verteidigung des Terrorismus". In Spanien wurden Ermittlungen wegen "Verherrlichung des Terrorismus" gegen Aktivist*innen eingeleitet, die sich mit Palästinenser*innen solidarisch gezeigt hatten.
Während in Spanien ein Aktionsplan für Demokratie beschlossen wurde, um Gesetze zu überarbeiten, die das Recht auf Meinungsfreiheit einschränkten, waren Medienschaffende und andere Personen in Bulgarien und Serbien weiterhin mit strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) konfrontiert, die der Einschüchterung dienten. Ungarn schuf eine neue Behörde, um zivilgesellschaftliche Organisationen ins Visier zu nehmen, und in der Türkei wurden friedliche Regierungskritiker*innen nach wie vor strafrechtlich verfolgt.
Das Recht auf friedliche Versammlung geriet 2024 stark unter Druck. Viele europäische Staaten stigmatisierten und kriminalisierten friedliche Demonstrierende, verhängten ungerechtfertigte und übermäßige Beschränkungen und griffen zu immer repressiveren Mitteln, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Besonders häufig gerieten Personen ins Visier, die gegen Israels Völkermord an den Palästinenser*innen protestierten oder für Klimaschutz demonstrierten.
Positiv zu verzeichnen war, dass ein britisches Gericht 2024 Verordnungen für rechtswidrig erklärte, die der Polizei größere Befugnisse verliehen hatten, um Proteste einzuschränken. In Italien erkannte ein Gericht die Motive von acht angeklagten Demonstrierenden an, die mehr Klimaschutz gefordert hatten, und sprach sie frei. Allerdings versuchten viele Länder, Demonstrationen zu Klimapolitik und zu Palästina zu unterbinden. Frankreich schränkte Proteste zu diesen Themen übermäßig ein, und in Finnland, Deutschland und Italien gab es Berichte über unnötige bzw. unverhältnismäßige Gewalt gegen Teilnehmer*innen solcher Demonstrationen. Die Türkei verhängte pauschale Versammlungsverbote. In den Niederlanden setzten die Behörden Drohnen und Gesichtserkennungstechnologie zur Überwachung friedlicher Demonstrierender ein. In Serbien, Griechenland und der Türkei ging die Polizei mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Proteste vor und nahm Demonstrierende willkürlich fest.
Der Raum, in dem alle Menschen ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben können, muss vor staatlichen Übergriffen unter diversen Scheinargumenten geschützt werden.

Europäische Staaten haben im Jahr 2024 systematisch das Recht eingeschränkt, sich friedlich zu versammeln.
© Amnesty International
Unverantwortliche Rüstungsexporte
Mehrere europäische Länder waren 2024 an unverantwortlichen Waffenlieferungen beteiligt. So exportierten Deutschland, Frankreich und Tschechien weiterhin Waffen an Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Gegensatz dazu stemmten sich in Dänemark und Montenegro zivilgesellschaftliche Organisationen gegen Waffenlieferungen an Israel, und in den Niederlanden stoppte ein Gericht den Export von Ersatzteilen des Kampflugzeugs F-35 nach Israel. Spanien und Belgien kamen Forderungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und von UN-Sachverständigen nach und setzten ihre Waffenexporte nach Israel aus.
Die Regierungen sollten Waffenlieferungen an Länder stoppen, in denen ein erhebliches Risiko besteht, dass diese dazu genutzt werden, um schwere Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu verüben oder zu ermöglichen.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Europa rang weiter mit seiner kolonialen Vergangenheit und der Sicherstellung von Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eine Reihe von Ländern unterzeichnete 2024 die Ljubljana-Haager-Konvention aus dem Jahr 2023, die die länderübergreifende juristische Zusammenarbeit bei der Untersuchung und Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen verbessern und bestehende Lücken hinsichtlich der Rechenschaftspflicht schließen soll. In Belgien entschied ein Gericht, dass der Staat für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo verantwortlich sei, und ordnete Entschädigungen für die Opfer an.
In Bosnien und Herzegowina gab es hingegen immer noch Politiker*innen, die den Völkermord von 1995 öffentlich bestritten und verurteilte Kriegsverbrecher verherrlichten. Serbien unternahm keine glaubhaften Anstrengungen, alle völkerrechtlichen Verbrechen zu bestrafen, und konzentrierte sich stattdessen darauf, eine UN-Resolution zum Völkermord von Srebrenica abzuschwächen. In Kroatien hatten die meisten Menschen, die während des Kriegs Opfer sexualisierter Gewalt geworden waren, immer noch keinen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen, weil ihnen der dafür notwendige Status nicht zuerkannt worden war. Die britische Regierung sah sich wegen des 2023 verabschiedeten Amnestiegesetzes zum Nordirland-Konflikt mit mehreren Verfahren konfrontiert. Nach Ansicht zweier nordirischer Gerichte verstieß das Gesetz gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Politisch Verantwortliche in einigen europäischen Ländern deuteten an oder erklärten offen, dass sie die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant nicht vollstrecken würden.
Alle Vorwürfe über Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord sollten unparteiisch und unabhängig untersucht werden, auch mithilfe des Weltrechtsprinzips.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Die europäischen Länder und die EU ergriffen 2024 keine politischen und praktischen Maßnahmen, um dem Schutz des Lebens von Flüchtlingen und Migrant*innen Vorrang gegenüber dem Schutz von Grenzen einzuräumen. Es gab weder glaubwürdige Bemühungen, mehr sichere und legale Zugangswege zu schaffen, noch diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen und Migrant*innen verantwortlich waren. Auch wurden keine Schritte unternommen, um die Abhängigkeit von Drittstaaten bei der Steuerung der Migration zu verringern. Italien versuchte, auf See gerettete Asylsuchende in Albanien zu inhaftieren, um das Asylverfahren auszulagern. Die EU hielt an der Zusammenarbeit mit Tunesien und Ägypten fest, obwohl Beweise für Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern vorlagen. Es gab weiterhin Berichte über Gewalt an den EU-Außengrenzen und über rechtswidrige Abschiebungen von Griechenland in die Türkei, von Zypern in den Libanon und von der Türkei nach Syrien, Afghanistan und Eritrea.
NGOs und Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich für Flüchtlinge und Migrant*innen einsetzten, wurden weiterhin kriminalisiert. In Griechenland liefen Verfahren gegen Personen, die Flüchtlingen und Migrant*innen Hilfe geleistet hatten. Drei UN-Expert*innen äußerten sich besorgt über die in Italien geltenden Einschränkungen für Menschenrechtsverteidiger*innen, die Menschen aus Seenot retteten.
In den Aufnahmeländern waren bezüglich der Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen 2024 Rückschritte zu verzeichnen. So stoppte z. B. die ungarische Regierung den Zugang zu staatlich subventioniertem Wohnraum für ukrainische Flüchtlinge, und in Irland und Belgien waren Tausende Asylsuchende obdachlos.
Die Regierungen müssen gewährleisten, dass alle Menschen, die vor Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen fliehen, internationalen Schutz in Anspruch nehmen können und nicht in Länder zurückgeschickt werden, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Folter und andere Misshandlungen
Folter und anderweitige Misshandlungen insbesondere von Migrant*innen und Menschen mit Behinderungen boten weiterhin Anlass zur Sorge. Doch gab es auch positive Entwicklungen: Belgien führte einen Nationalen Präventionsmechanismus zur Verhinderung von Folter ein, Ungarn hob eine Regelung auf, die Körperkontakt zwischen Häftlingen und ihren Besucher*innen verbot, und Rumänien beschloss einen fünfjährigen Aktionsplan, um Misshandlungen in medizinischen und sozialen Einrichtungen zu bekämpfen. In Ländern wie Albanien oder Italien waren die Bedingungen in den Gefängnissen jedoch weiterhin durch Überbelegung und mangelhafte medizinische Versorgung gekennzeichnet. In Nordmazedonien und Bulgarien wurden 2024 Foltervorwürfe erhoben.
Die Regierungen müssen Folter und andere Misshandlungen dringend beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Mehrere west-, mittel- und südosteuropäische Länder verabschiedeten 2024 Gesetzesreformen, um gegen Straffreiheit in Fällen sexualisierter Gewalt vorzugehen. So führten Polen, Tschechien und die Niederlande das Zustimmungsprinzip in die Gesetzgebung zu Vergewaltigung ein, und Kroatien nahm Femizid als separaten Straftatbestand ins Strafgesetzbuch auf.
Geschlechtsspezifische Gewalt war jedoch nach wie vor weit verbreitet. In Rumänien gab es 2024 mehr Anzeigen wegen häuslicher Gewalt als in den Vorjahren. Die Zahl der Frauen, die – zumeist von ihren Partnern oder Ex-Partnern – getötet wurden, war nach wie vor erschreckend hoch, u. a. in Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Italien, Kroatien, Montenegro, Portugal, Spanien und in der Türkei. Migrantinnen, Sexarbeiterinnen und trans Frauen waren mit systemischen Hindernissen konfrontiert, wenn sie sexualisierte Gewalt anzeigen wollten. So verweigerte man in Frankreich einigen das Recht, Anzeige zu erstatten, und drohte ihnen mit Abschiebung.
Die Regierungen sollten die Straffreiheit für alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt beenden.
Sexuelle und reproduktive Rechte
In einigen Ländern gab es 2024 Fortschritte, was den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen betraf. Frankreich wurde das erste Land weltweit, das die Freiheit, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, in der Verfassung garantierte. Mehrere Länder unterstützten Maßnahmen, um Schwangere vor den Eingängen von Abtreibungskliniken besser vor Drangsalierung zu schützen.
Doch waren Schwangerschaftsabbrüche in vielen Ländern weiterhin strafbar, und der Zugang blieb stark eingeschränkt. In Andorra bestand nach wie vor ein absolutes Abtreibungsverbot, in Polen waren Schwangerschaftsabbrüche nur in ganz wenigen Ausnahmefällen erlaubt und in Malta nur dann, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr war. In England und Wales nahmen Ermittlungen und Verfahren gegen Frauen zu, denen man vorwarf, sie hätten einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, ohne sich an geltendes Recht zu halten.
In Italien, Kroatien, Portugal und anderen Ländern bestand weiterhin das Problem, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen Schwangerschaftsabbrüche aus Gewissens- oder Glaubensgründen verweigern konnten, und in Ländern wie Kroatien oder Slowenien gab es in ländlichen und wirtschaftlich benachteiligten Gebieten faktisch keine Möglichkeit, den Eingriff vornehmen zu lassen.
Die Regierungen müssen den Zugang zu umfassenden Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit garantieren, einschließlich sicherer Schwangerschaftsabbrüche.
Wirtschaftliche und soziale Rechte
Die Sozialsysteme waren für viele Menschen nur schwer zugänglich. In Österreich waren Frauen und Menschen mit Behinderungen, die Sozialhilfe beantragten, mit Stigmatisierung, bürokratischen Hürden und strengen rechtlichen Auflagen konfrontiert. In Finnland gefährdeten erhebliche Kürzungen im Sozialetat einen angemessenen Lebensstandard für Menschen, die ohnehin ein geringes Einkommen hatten. In Großbritannien reichte der reguläre Sozialhilfesatz nicht aus, um die grundlegenden Lebenshaltungskosten zu decken.
In Italien und Spanien höhlten unzureichende staatliche Investitionen in das Gesundheitssystem das Recht auf Gesundheit aus. In Griechenland wiesen Beschäftigte im Gesundheitswesen und Sachverständige erneut auf erhebliche Mängel im Gesundheitssystem hin.
In Großbritannien lebten 4,3 Mio. Kinder in Armut, wobei der Anteil der Kinder aus nichtweißen Familien unverhältnismäßig hoch war. In Italien lebten 10 Prozent der Bevölkerung in absoluter Armut.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum stellte in vielen Ländern weiterhin ein großes Problem dar. In Polen führte dies dazu, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung unter unzulänglichen Bedingungen lebte. In Andorra fanden selbst im Winter Zwangsräumungen statt, und in Irland waren so viele Menschen obdachlos wie nie zuvor.
Die Regierungen müssen unverzüglich handeln, um die wirtschaftlichen und sozialen Rechte aller Menschen diskriminierungsfrei zu gewährleisten, u. a. indem sie ausreichende Mittel und eine universelle und umfassende soziale Absicherung bereitstellen.
Recht auf eine gesunde Umwelt
In mehreren europäischen Ländern gab es 2024 Überschwemmungen, Waldbrände, extreme Hitze und andere Katastrophen, die nicht zuletzt auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen waren. In Spanien führten heftige Regenfälle im Oktober 2024 zu starken Überflutungen, bei denen 224 Menschen ums Leben kamen. In Griechenland und Portugal führten Rekordtemperaturen, die dem Klimawandel zugeschrieben wurden, zu Todesfällen.
In einigen wenigen Ländern waren 2024 positive Entwicklungen zu verzeichnen: So führte Slowenien strengere Emissionsgrenzwerte ein, Kroatien nahm sich vor, den Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung bis 2030 auf 75 Prozent zu steigern, Ungarn erhöhte den Anteil der erneuerbaren Energien, und Montenegro zog die Genehmigung für ein Bergbauprojekt aufgrund von Umweltbedenken zurück. Viele europäische Länder hatten jedoch großen Nachholbedarf, was ihre Klimapolitik betraf. Im April stellte der EGMR in einem wegweisenden Urteil fest, dass die Schweiz aufgrund unzureichender Klimaschutzmaßnahmen gegen das Recht auf einen wirksamen Schutz vor den schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels auf Leben und Gesundheit verstoßen habe. In Deutschland befand ein Gericht, dass die von der Regierung geplanten Maßnahmen nicht ausreichten, um die Klimaziele zu erreichen. Die Klimapolitik der Türkei wurde von unabhängigen Sachverständigen als völlig unzureichend bewertet. Die Niederlande weichte ihre politischen Klimamaßnahmen auf, Norwegen ließ vor der Küste weiter nach Öl und Gas bohren, Griechenland baute seine Erdgasinfrastruktur aus, und Belgien subventionierte fossile Brennstoffe mit 15,5 Mrd. Euro. Bei der Weltklimakonferenz sperrten sich die europäischen Länder kollektiv dagegen, die internationale Klimafinanzierung angemessen anzuheben.
Die Regierungen sollten die Nutzung und Erzeugung fossiler Brennstoffe schnellstmöglich beenden, entsprechende Subventionen stoppen und für einen gerechten Übergang sorgen. Sie sollten dringend die Klimafinanzierung und die zusätzlichen Mittel für Schäden und Verluste in ärmeren Ländern erhöhen.
Recht auf Privatsphäre
Montenegro stoppte 2024 den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware, und in Frankreich entschied ein Gericht, dass KI-gestützte Systeme zur Audioüberwachung eindeutig rechtswidrig waren. Der rechtswidrige Einsatz von Spionagesoftware und Gesichtserkennungstechnologie bot jedoch vielerorts weiter Anlass zur Sorge. In Serbien nutzten die Behörden Spionagesoftware und digitale forensische Produkte, um Aktivist*innen und Journalist*innen rechtswidrig ins Visier zu nehmen. In Deutschland setzte die Polizei Gesichtserkennungstechnologie ohne ausreichende Rechtsgrundlage ein. Im Mai 2024 entschied der EGMR, dass die vormalige polnische Regierung durch "geheime Überwachungsmaßnahmen", bei denen die Spionagesoftware Pegasus zum Einsatz kam, gegen das Recht auf Privatsphäre verstoßen habe. Ein ungarisches Gericht befand, die Datenschutzbehörde des Landes habe einen Fall, bei dem vier Personen mithilfe von Pegasus ausgespäht worden waren, nicht angemessen untersucht.
Die Regierungen müssen das Abdriften in eine Überwachungsgesellschaft stoppen.