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DEINE SPENDE WIRKT!
Protect the Protest
Verteidigen wir unser Recht auf Protest!
Amnestys Arbeit zu Protesten in Deutschland und weltweit
Seit September 2022 gehen Hunderttausende Menschen im Iran für Freiheit auf die Straße. Mit ihrem feministischen Widerstand protestieren sie für eine Gesellschaft, in der alle Menschen gesehen, geschützt und respektiert werden. "Frau. Leben. Freiheit" rufen die Demonstrierenden.
Auf diese Proteste, regieren die iranischen Sicherheitskräfte brutal: Frauen, Männer, auch Kinder, werden festgenommen, manche hingerichtet, andere misshandelt und gefoltert. Stell dich mit uns an ihre Seite.
Demonstration in Solidarität mit den Protestierenden im Iran in Paris im Oktober 2022.
© Benjamin Girette
Protect the Protest! Protest ist ein wirksames Mittel, um Menschenrechte zu schützen und auf Missstände aufmerksam zu machen. Doch unser Recht auf Protest wird weltweit zunehmend bedroht.
Wir alle haben das Recht, friedlich zu demonstrieren. Wir haben das Recht frei, gemeinsam und öffentlich unsere Meinung kundzutun und auf Missstände aufmerksam zu machen. Protest hat eine starke Kraft für Veränderung und ist ein bedeutendes Mittel, um Menschenrechte zu schützen und Ungleichheiten abzubauen. Dabei schließt Protest neben den klassischen Demonstrationen auf der Straße in Form von Aufzügen oder stationären Versammlungen auch andere Aktionsformen mit ein, wie zum Beispiel Online-Aktivismus, politische Petitionen, Aktionen des zivilen Ungehorsams oder Kunstaktionen.
Update zu unserer Mail-Aktion an das Justizministerium
Via E-Mail haben zahlreiche Unterstützer*innen den damaligen Justizminister Marco Buschmann dazu aufgefordert, dass § 129 StGB – der Strafvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung - nicht länger gegen friedlichen, politischen Protest eingesetzt wird. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben! Wir bleiben natürlich weiter an diesem wichtigen Thema dran und halten euch auf dem Laufenden.
Protest bewirkt Veränderung
Vor allem in den vergangenen Jahren sind starke Protestbewegungen entstanden, die Millionen Menschen auf der ganzen Welt inspiriert haben, auf die Straße zu gehen und Gerechtigkeit einzufordern – und das mit Erfolg! So zum Beispiel die Black Lives Matter-Proteste gegen strukturell verankerten Rassismus, die #MeToo-Bewegung, die sich gegen sexualisierte Gewalt stark macht und die Gleichstellung der Geschlechter fordert, oder Fridays For Future, die auf die globale Bedrohung der Klimakrise aufmerksam machen und sie auf die politische Agenda setzten.
Proteste heute zunehmend unterdrückt
Doch das Recht auf Protest wird derzeit massiv bedroht. Staatliche Behörden greifen in weiten Teilen der Welt zu immer neuen Mitteln, um organisierten Protest zu unterdrücken. Sie erlassen repressive Gesetze, inhaftieren willkürlich Demonstrierende und gehen mit Gewalt gegen Protestierende vor – teils sogar mit tödlichem Ausgang. Um Protest zu schwächen, werden Online-Inhalte zensiert und das Internet sogar teilweise ganz abgestellt.
Auch greift der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Überwachung von Einzelpersonen und Gruppen das Recht auf Protest massiv an. Durch das Wissen, ständig überwacht zu werden, scheuen sich viele Menschen davor, ihre Menschenrechte auszuüben und z.B. an Demonstrationen teilzunehmen. Das gilt verstärkt für Menschen, die ohnehin Ausgrenzungen erleben und marginalisiert werden. Ein Verbot von Gesichtserkennungstechnologie ist daher also nicht nur wichtig, um das Recht auf Privatsphäre und Nichtdiskriminierung zu schützen, sondern auch, um das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Lies hier mehr zum Thema Gesichtserkennung und wie du dich dagegen einsetzen kannst.
In dem Bericht Under protected and over restricted hat Amnesty International 21 europäische Länder untersucht – darunter auch Deutschland. Das Ergebnis: In zahlreichen Ländern Europas wird die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Abweichende Meinungen werden unterdrückt und Behörden schaffen ein protestfeindliches Umfeld. Unverhältnismäßige Polizeigewalt, Überwachung und repressive Gesetze sind Teil dieses Problems. Besonders betroffen von Einschränkungen und Abschreckungseffekten sind marginalisierte Gruppen und Menschen, die ohnehin einem höheren Risiko von Gewalt und Ungleichbehandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt sind. Besonders repressiv vorgegangen wird z.B. gegen LGBTI-Proteste, Klimaaktivist*innen und Palästina-solidarische Proteste. Amnesty International fordert, dass Staaten in ganz Europa das Recht auf Protest schützen. Amnesty International fordert, dass Staaten in ganz Europa das Recht auf Protest schützen.
Der Demo-Guide von Amnesty International
Kenne deine Rechte und sei gut vorbereitet. Unser Demo-Guide bietet wertvolle Tipps, damit du dich bei Protesten besser orientieren kannst.
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Proteste schützen!
Mit der Kampagne Protect the Protest richtet sich Amnesty International gegen die Unterdrückung von friedlichem Protest, solidarisiert sich mit den Betroffenen und unterstützt die Anliegen sozialer Bewegungen, die sich für die Menschenrechte einsetzen.
Protest ist ein Menschenrecht
Das Recht auf Protest wird durch die Menschenrechte der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Meinungsfreiheit gewährleistet.
Diese sind in mehreren menschenrechtlichen Dokumenten festgehalten: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 schreibt das Recht auf freie Meinungsäußerung in Artikel 19 und das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Artikel 20 fest. Im rechtlich bindenden UN-Zivilpakt von 1966 finden sich diese Rechte in Artikel 19 und Artikel 21. Auch auf europäischer Ebene garantiert die (rechtlich bindende) Europäische Menschenrechtskonvention in ihren Artikeln 10 und 11 diese Rechte. In Deutschland ist es durch Artikel 8 im Grundgesetz gewährleistet.
Protect the Pride
Trans Pride Protestmarsch im Juli 2023 in London.
© Wiktor Szymanowicz/Future Publishing via Getty Images
Protest für LGBTI-Rechte: Pride und Christopher Street Day
Die LGBTI-Bewegung nimmt ihren Beginn in Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts, als Dr. Magnus Hirschfeld sich dafür einsetzt, dass Homosexualität keine Krankheit ist. In der Nacht zum 28. Juni 1969 kommt es zu tagelangen Protesten von LGBTI: Als Polizeikräfte in jener Nacht im New Yorker Stadtteil Greenwich Village die Bar Stonewall Inn in der Christopher Street stürmen, wehren sich die Gäste erstmals. Schwule, lesbische, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI) haben damals kaum anerkannte Rechte, Homosexualität ist im Großteil der USA illegal. Bars wie das Stonewall Inn sind inklusive Orte, wo die Gäste sie selbst sein können. Der Protest richtet sich also nicht nur gegen die Razzia der Polizei. Sie verteidigen auch ihr Zuhause.
Ein Jahr nach dem Stonewall-Protest kommen am 28. Juni 1970 viele Menschen zurück zu der Bar. Sie erklären den Jahrestag zum "Christopher Street Liberation Day". Der Gedenkmarsch ist damit die erste Pride-Demonstration, dem viele Bewegungen und Veranstaltungen für LGBTI-Rechte auf der ganzen Welt folgen. Heute gibt es hunderte Pride-Umzüge und Christopher Street Days (CSD) mit hunderttausenden Teilnehmenden. Der Juni ist der offizielle, weltweite Pride Month, der den Communities Sichtbarkeit geben soll. In Deutschland finden zwischen April und September zahlreiche CSDs in großen und kleinen Städten statt. Die größten Veranstaltungen finden dabei in Köln am 21. Juli 2024 und in Berlin am 27. Juli 2024 während der Pride Season statt. Die LGBTI-Communities feiern die Freiheit, sie selbst sein zu können und protestieren gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und LGBTI-feindlichen Hass und für Gleichberechtigung. Es wurde viel erreicht, u.a. die Ehe für alle, sodass sich die Frage stellen könnte: Brauchen wir heute noch CSDs in Deutschland? Ja! Denn viele Forderungen sind noch nicht vollständig erfüllt, wie z.B. ein Selbstbestimmungsgesetzes, das den menschenrechtlichen Anforderungen gerecht wird, die Reform des Abstammungsrechts und die vollständige Umsetzung des Aktionsplans "Queer leben" der Bundesregierung. Auch heute noch gibt es zahlreiche Angriffe auf Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, ihrer Geschlechtsmerkmale oder ihres Geschlechtsausdrucks. Erst im August 2022 wurde der trans Mann Malte nach dem CSD in Münster so brutal attackiert, dass er knapp eine Woche später an den Verletzungen gestorben ist. Immer wieder gibt es Berichte über Übergriffe am Rande von queeren Veranstaltungen. Das muss aufhören!
In einigen Teilen der Welt ist es immer noch sehr gefährlich, LGBTI-Aktivist*in zu sein oder Pride-Paraden zu organisieren oder daran teilzunehmen. Zum Beispiel hat Russland im Dezember 2022 ein Gesetz verabschiedet, das das Verbot der "Propaganda von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen, Pädophilie und Geschlechtsangleichung" von Minderjährigen auf alle Altersgruppen ausdehnte. In der Türkei wurden 2022 Pride-Demonstrationen weiterhin rechtswidrig eingeschränkt: Es wurden insgesamt zehn Pride-Veranstaltungen im Land verboten. Doch es gibt auch Hoffnung, dass sich die Proteste für die Rechte von LGBTI weltweit lohnen. So fand im Juni 2022 die bisher größte Pride-Parade Moldaus in dessen Hauptstadt Chișinău statt – obwohl der Bürgermeister damit gedroht hatte, den Umzug zu verbieten. Protect the Protest!
Mehrnush ist Amnesty-Mitglied. Die Aufnahme wurde auf der Amnesty-Jahresversammlung 2023 gemacht.
© Amnesty International
Das Recht auf Protest in Deutschland
Protest weltweit
FAQ - Die meistgestellten Fragen zum Thema Proteste und Demonstrationen
Kampagne Protect the Protest
Weltweit beobachten wir, dass sich immer mehr Menschen zusammenschließen, um öffentlich gegen gesellschaftliche Missstände zu protestieren. Doch gleichzeitig wird global verstärkt gegen Protest vorgegangen. Amnesty setzt sich schon lange für das Recht ein, friedlich zu demonstrieren. In Zeiten, in denen Proteste gewaltsam niedergeschlagen werden und repressive Gesetze die Ausübung dieses Menschenrechts vermehrt einschränken, möchte Amnesty ein Zeichen setzen. Dabei stellt sich Amnesty solidarisch neben die Bewegungen, die gewaltsam unterdrückt werden und erinnert Staaten an ihre Pflicht, Protest nicht nur zu respektieren, sondern auch zu ermöglichen.
Amnesty möchte mit der Kampagne Barrieren und Hindernisse für das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sichtbar machen und überwinden. Wir möchten friedliche Protestbewegungen stärken, Angriffen auf diese entschieden entgegentreten und Forderungen sozialer Bewegungen, die sich für Menschenrechte einsetzen, unterstützen. Dabei möchten wir Demonstrierenden und Aktivist*innen sowie weiteren Teilen der Öffentlichkeit in Deutschland Wissen über ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit besser zugänglich machen. Ziel ist es, die positive Kraft, die Protest als Grundlage für eine lebendige Zivilgesellschaft hat, wieder stärker in den Vordergrund zu stellen und somit der zunehmenden Darstellung von Protest als Störung und Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entgegentreten.
Derzeit ist die globale Tendenz zu beobachten, dass Protest von Machthaber*innen vordergründig als Gefahr für die Öffentlichkeit gesehen und demnach stärker beschränkt wird. Das äußert sich zum einen in stark repressiver Gesetzgebung. Beispiele hierfür sind unter anderem die ständigen Verschärfungen des Versammlungsgesetzes in Russland, wie zuletzt die neu vorgesehenen Strafen für Protest gegen die russische Invasion in der Ukraine. In Australien wurde die Teilnahme an nicht-genehmigten Demonstrationen mit hohen Geld- oder Gefängnisstrafen versehen, in Indonesien wurden nicht-genehmigte Demonstrationen verboten und in der Türkei schränkt das neue Desinformationsgesetz zivilgesellschaftlichen Protest massiv ein. Zudem erzielt die systematische Überwachung von Protesten einen Abschreckungseffekt – so zum Beispiel durch den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie bei Black Lives Matter-Protesten in den USA.
Außerdem gehen Sicherheitsbehörden vielfach gewaltsam gegen Protestierende vor. Besondere Aufmerksamkeit bekommen hier zurzeit die Proteste im Iran seit September 2022, bei denen rund 22.000 Demonstrierende willkürlich inhaftiert und Hunderte von den Sicherheitsbehörden sogar getötet wurden. Auch in Kasachstan wurden über 10.000 Menschen nach Protesten verhaftet. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition und Gummigeschossen sowie der Misshandlung und Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen. Mindestens 219 Demonstrierende kamen ums Leben. In Peru wurden im Jahr 2022 während der Regierungskrise mindestens 20 Demonstrierende von Sicherheitskräften getötet. In allen Regionen der Welt sind außerdem verstärkt (willkürliche) Verhaftungen im Zusammenhang mit Protesten zu beobachten.
Weltweite Protestbewegungen
Protest ist eine Form der gewaltfreien direkten Aktion, die die Möglichkeit bietet, Missstände und Forderungen im öffentlichen Raum zum Ausdruck zu bringen. Dafür gibt es unterschiedliche Formen und Aktionen wie Streiks, Märsche, Mahnwachen, Kundgebungen oder Boykotte.
Protest kann Debatten anstoßen und gesellschaftliche Denk- und Sprachweisen ändern, Themen auf die politische Agenda setzen und zu konkreten staatlichen Maßnahmen führen. Vor allem ermöglicht Protest gesellschaftlichen Minderheiten oder marginalisierten Gruppen sich kollektiv gegen diskriminierende Verhältnisse einzusetzen. Stimmen, die mitunter als einzelne aufgrund gesellschaftlicher Zuschreibungen nicht gehört werden, können durch Protestbewegungen Gehör erlangen und sich unterdrückenden Strukturen so mit mehr Wirkmacht entgegenstellen. Zum Beispiel konnte in den 1950er/60er Jahren der individuelle Protest von Rosa Parks gegen die Segregation in den USA auf eine gesamtgesellschaftliche Ebene getragen werden, als sich eine Vielzahl von Schwarzen Menschen zum Boykott der Busse in Montgomery entschloss.
Protestbewegungen im öffentlichen Raum haben im Laufe der Geschichte immer wieder dazu beigetragen, dass Menschenrechte erstritten und verteidigt werden konnten. Im vergangenen Jahrhundert haben unter anderem Proteste wie der Salzmarsch in Indien 1930, der sich gegen die britische Kolonialherrschaft richtete, der Marsch auf Washington 1963 für die bürgerlichen und wirtschaftlichen Rechte der Schwarzen US-Amerikaner*innen oder die wöchentlichen Proteste der Mütter von der Plaza de Mayo in Argentinien in den 1970er Jahren internationale Aufmerksamkeit erlangt.
Menschenrechtliche Einordnung von Protest
Das "Recht auf Protest" wird durch die Menschenrechte der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Meinungsfreiheit gewährleistet. Diese sind in mehreren menschenrechtlichen Dokumenten festgehalten: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 schreibt das Recht auf freie Meinungsäußerung in Artikel 19 und das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Artikel 20 fest. Im rechtlich bindenden UN-Zivilpakt von 1966 finden sich diese Rechte in Artikel 19 und Artikel 21. Auch auf europäischer Ebene garantiert die (rechtlich bindende) Europäische Menschenrechtskonvention in ihren Artikeln 10 und 11 diese Rechte. Beide Garantien sind eng miteinander verzahnt: Ohne die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung fehlt Versammlungen die politische Wirkmacht. Ohne die Möglichkeit, sich zu versammeln, können gemeinschaftliche Meinungen nicht in der gleichen Weise nach außen getragen werden. Somit gehören beide Menschenrechte zu den wichtigsten Grundlagen einer lebendigen Zivilgesellschaft.
Versammlungsfreiheit in Deutschland
Die Versammlungsfreiheit wird in Deutschland mit Gesetzen auf verschiedenen Ebenen geregelt. Zunächst gewährleistet das Grundgesetz mit seinem Artikel 8 das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit steht im Grundgesetz an zentraler Stelle und gilt gemeinsam mit der Meinungsfreiheit als Kernelement gelebter Demokratie sowie als unverzichtbarer Bestandteil einer freiheitlich demokratischen Staatsordnung. Der genaue Gehalt und die Grenzen der Versammlungsfreiheit werden durch die Versammlungsgesetze ausgestaltet. Lange Zeit fanden sich die meisten Regelungen im Versammlungsgesetz des Bundes. Allerdings sind seit einer Föderalismusreform im Jahr 2006 die Bundesländer für die Versammlungsgesetzgebung zuständig. Einige haben seitdem ihre eigenen Landesversammlungsgesetze verabschiedet, in etwa der Hälfte der Länder gilt weiterhin das Bundesversammlungsgesetz.
Grundsätzlich ist die Versammlungsfreiheit in Deutschland umfassend gewährleistet. Beschränkungen der Versammlungsfreiheit werden in der Regel im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren vorgenommen und unterliegen unabhängiger gerichtlicher Kontrolle. Allerdings beobachtet Amnesty auch in Deutschland die besorgniserregende Tendenz, dass Versammlungen vor allem als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und nicht etwa als wesentliches Element gelebter Demokratie gesehen werden. Protest wird zunehmend dämonisiert. So zeigen zum Beispiel repressive Gesetzgebungen wie das Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen, dass Proteste als Gefahrenquelle eingestuft werden und polizeiliche Kontroll- und Eingriffsbefugnisse sowie die Möglichkeiten zur Überwachung von Demonstrationen erheblich ausgeweitet werden. Auch die Diskussion um Strafrechtsverschärfungen für Klimaaktivist*innen spiegelt ein protestfeindliches Klima in Politik und Gesellschaft wider.
Zudem sind pauschale und präventive Verbote von Demonstrationen für die Rechte von Palästinenser*innen aus menschenrechtlicher Sicht zu kritisieren. Jegliche Einschränkungen müssen zwingend notwendig und verhältnismäßig sein. Begründungen für Beschränkungen von Versammlungsfreiheit, die auf stigmatisierenden, rassistischen Stereotypen aufbauen, sind mit den Menschenrechten unvereinbar. Alarmierend sind auch die Berichte über Polizeigewalt auf Protestveranstaltungen. Versammlungsfreiheit muss für alle Menschen gelten, die friedlich protestieren wollen.
Ziviler Ungehorsam
Ziviler Ungehorsam bezeichnet eine Form des politischen Protests, bei der Menschen aus Gewissengründen oder weil sie es als einzig wirksamem Weg ansehen, um auf Missstände aufmerksam zu machen, bewusst und öffentlich gegen ein Gesetz verstoßen. Hierbei wird grundsätzlich explizit auf Gewalt gegen Personen verzichtet und sich der strafrechtlichen Sanktionierung des eigenen Verhaltens gestellt. Zu den aktuell üblichsten Formen des zivilen Ungehorsams gehören beispielsweise Blockaden von Straßen oder Infrastruktur, nicht-gewerkschaftliche Streiks oder die Umgestaltung von Denkmälern.
Amnesty macht darauf aufmerksam, dass auch störender Protest von der Versammlungsfreiheit gedeckt ist. Auch wenn teilweise andere Rechte oder Schutzgüter verletzt werden, muss in jedem Einzelfall entschieden werden, ob oder wie scharf das Verhalten sanktioniert werden sollte. Richtet sich ziviler Ungehorsam gegen ein innerstaatliches Gesetz, das seinerseits im Widerspruch zu den Menschenrechten steht, sollte der zivile Ungehorsam nicht bestraft werden. Richtet er sich gegen ein rechtmäßiges Gesetz, so sollten im Einzelfall die tatsächlichen störenden Auswirkungen sowie die Absicht der Aktion im Rahmen einer ausführlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit in den Blick genommen werden. Ziviler Ungehorsam verzichtet auf Gewalt gegen Menschen und ist somit nicht mit Terrorismus gleichzusetzen. Aktuelle Debatten um konsequentere Strafverfolgung von Umweltaktivist*innen, die mit zivilem Ungehorsam auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen, lenken von der notwendigen Diskussion um konsequentere Maßnahmen gegen die Klimakrise ab.
Ziviler Ungehorsam hat in der Geschichte bei vielen Protestbewegungen eine zentrale Rolle gespielt und dazu beigetragen, auf Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände hinzuweisen und Veränderungen herbeizuführen. So setzten sich die Sufragetten in Großbritannien Anfang des 20. Jahrhunderts durch ihre Aktionen unter dem Motto "Taten statt Worte" für das Frauenwahlrecht ein. Der Montgomery Bus Boykott – initiiert durch die Schwarze US-Amerikanerin Rosa Parks- trug maßgeblich zum Kampf gegen US-Rassengesetze bei und die Besetzung von Baugeländen sowie Sitzblockaden führten zum Erfolg der Anti-Atomkraftbewegung in Deutschland. Andere prominente Beispiele sind der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika, die gewaltfreie Revolution in Indien unter der Führung von Mahatma Ghandi oder auch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden zum globalen Überwachungsprogramme der NSA, die zu einer weltweiten Diskussion über staatliche Überwachung führten.