Amnesty Report 29. April 2025

Regionalkapitel Amerika 2024

Maskierte uniformierte und mit Gewehren bewaffnete Soldaten blicken in einem Gefängnisinnenhof auf Dutzende Gefangene in Häftlingskleidung, die dicht gedrängt hintereinander auf dem Boden sitzen eng aneinander.

Soldaten bewachen Häftlinge im Gefängnis "El Rodeo" in Portoviejo in Ecuador (5. Juni 2024).

Menschenrechtsverteidiger*innen wurden 2024 auf dem amerikanischen Kontinent auf vielerlei Weise drangsaliert und angegriffen, z. B. durch Drohungen, willkürliche Inhaftierung, diffamierende Kampagnen, Vertreibung, rechtswidrige Überwachung, Folter, unfaire Gerichtsverfahren oder Verschwindenlassen, und in einigen Fällen sogar getötet. 

Die rechtswidrige Überwachung der Bevölkerung, Tötungen von Journalist*innen sowie gegen die Presse gerichtete Angriffe und Schikanen bedrohten die Meinungsfreiheit. Das Recht auf Protest wurde durch restriktive Bestimmungen und repressive Polizeimaßnahmen eingeschränkt. 

Viele Länder leiteten in Fällen von Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen sowie anderen schweren Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtlichen Verbrechen weder Ermittlungen ein, noch entschädigten sie die Betroffenen. Was die Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen und politischer Repressionsmaßnahmen in der Vergangenheit betraf, gab es 2024 gewisse Fortschritte. Bei den Bemühungen um Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung spielten weiterhin die Interamerikanische Menschenrechtskommission und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte eine Schlüsselrolle. 

Unfaire Gerichtsverfahren sowie willkürliche oder massenhafte Inhaftierungen, die der Unterdrückung dienen sollten und in manchen Ländern Teil der Sicherheitsstrategie waren, waren nach wie vor an der Tagesordnung. In einigen Ländern wurden Menschen vor Tribunale oder Gerichte gestellt, denen es an Unabhängigkeit mangelte und wo sie kein faires Verfahren erhielten.

Rassismus und die Diskriminierung Schwarzer Menschen und indigener Gemeinschaften waren weitverbreitet. Auch lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) wurden auf dem gesamten Kontinent diskriminiert; Trans Personen wurden häufig Opfer von Gewalt. 

Die Staaten des amerikanischen Kontinents ergriffen nicht die notwendigen Maßnahmen, um die Auswirkungen der Klimakrise auf die Menschenrechte abzumildern. In mehreren Ländern hatten Waldbrände und Überschwemmungen, Küstenerosion und ein Anstieg des Meeresspiegels spürbare Folgen für die betroffene Bevölkerung.

Regierungen kamen ihren Verpflichtungen nicht nach, die wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu gewährleisten, was Gruppen, die bereits unter Diskriminierung litten, besonders hart traf. Auf dem gesamten Kontinent herrschte 2024 ein hohes Maß an Armut und Ungleichheit. Die Gesundheitsversorgung war unzureichend und unterfinanziert, und Millionen Menschen hatten nicht genug zu essen. 

Geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich sexualisierte Gewalt und Femizide, war auf dem ganzen Kontinent weiterhin fest verwurzelt und wurde nur selten geahndet. Gesetzliche Regelungen und andere Hindernisse schränkten den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ein. Besonders schwierig war die Situation von ungewollt Schwangeren, die diskriminierten Bevölkerungsgruppen angehörten. Mehrere Länder ergriffen 2024 gesetzliche oder andere Maßnahmen, um den Zugang zu reproduktiven Gesundheitsleistungen einzuschränken. 

Indigene Gemeinschaften erlebten weiterhin Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung. Außerdem wurde ihnen bei Maßnahmen, die sie betrafen, in einigen Ländern ihr Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung verweigert. Bei Konflikten bezüglich Landbesitz, Eigentumsrechten und Rohstoffprojekten wurden sie in vielen Fällen Opfer von Menschenrechtsverstößen seitens staatlicher und nichtstaatlicher Akteur*innen. 

Unzählige Menschen verließen weiterhin ihre Heimatländer, um Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, Unsicherheit und negativen Klimafolgen zu entkommen und in einem anderen Land des Kontinents internationalen Schutz zu suchen. Viele Migrant*innen, Flüchtlinge und Asylsuchende erlebten Gewalt und Rassismus und stießen auf rechtliche und bürokratische Hindernisse, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen wollten. 

Menschenrechtsverteidiger*innen

Menschenrechtsverteidiger*innen waren auf dem amerikanischen Kontinent 2024 weiterhin massiv gefährdet. Sie waren willkürlicher Inhaftierung, diffamierenden Kampagnen, Vertreibung, rechtswidriger Überwachung, Drohungen, Folter und unfairen Gerichtsverfahren ausgesetzt, wurden Opfer des Verschwindenlassens oder sogar getötet. Besonders gefährdet waren Menschenrechtsverteidiger*innen, die diskriminierten Gruppen wie Frauen, Schwarzen, Indigenen und LGBTI+ angehörten. Auch für Frauen, die nach "verschwundenen" Angehörigen suchten, war das Risiko extrem hoch.

In Ländern wie Ecuador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Kanada und Mexiko liefen insbesondere Menschen, die sich für Landrechte und Umweltschutz einsetzten, Gefahr, von Regierungsbehörden und nichtstaatlichen Akteur*innen drangsaliert und angegriffen zu werden. In Bolivien waren Aufseher im Madidi-Nationalpark Drohungen und Angriffen ausgesetzt. In Peru wurden vier Menschenrechtsverteidiger getötet, die sich für Landrechte und Umweltschutz einsetzten, drei von ihnen waren führende Vertreter indigener Gemeinschaften. 

Die Regierungen unternahmen nicht genug, um wirksame Schutzprogramme für Menschenrechtsverteidiger*innen zu gewährleisten. In Brasilien deckte ein entsprechendes Schutzprogramm nicht einmal die Hälfte der Bundesstaaten ab, und in Honduras beklagten lokale Organisationen, das nationale Schutzprogramm sei zu schwach und ineffektiv. In Peru hatte das Innenministerium immer noch keine Bestimmungen erlassen, um den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen mit der Polizei zu koordinieren. Eine leichte Verbesserung war in Guatemala zu verzeichnen. Dort setzte die Regierung ein offizielles Gremium wieder ein, das Risiken für Menschenrechtsverteidiger*innen analysieren sollte. 

Die Staaten müssen dafür sorgen, dass Menschenrechtsverteidiger*innen ihrer Arbeit gefahrlos und ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nachgehen können. Nichtregierungsorganisationen und andere Menschenrechtsverbände und –bewegungen müssen respektiert werden und die Möglichkeit haben, ihre Tätigkeit auszuüben.

Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Auf dem gesamten Kontinent war 2024 die besorgniserregende Tendenz festzustellen, dass staatliche Stellen den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum, der maßgeblich von den Rechten auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit abhing, immer stärker einschränkten. 

In Argentinien, Brasilien, El Salvador, Guatemala, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Paraguay, Uruguay und Venezuela bedrohten gegen die Presse gerichtete Schikanen und Angriffe das Recht auf freie Meinungsäußerung. In Kolumbien und Mexiko führten einige dieser Angriffe zum gewaltsamen Tod von Menschen. In Argentinien und El Salvador erlebten Journalistinnen digitale Gewalt, einschließlich sexualisierter Belästigung.

In mehreren Ländern des Kontinents kriminalisierten und drangsalierten staatliche Stellen Journalist*innen gezielt. In Kuba luden die Behörden im September und Oktober 2024 mindestens 20 Journalist*innen vor, beschlagnahmten deren Handys und Laptops, drohten ihnen mit strafrechtlicher Verfolgung und zwangen sie zu Videoaufnahmen, in denen sie sich selbst belasteten. In Nicaragua wurden die Vermögenswerte von Medienunternehmen beschlagnahmt. Die venezolanische Regierung schloss weitere Radiosender und behinderte den Zugang zu Sozialen Medien. In Mexiko wurden mindestens vier Journalisten getötet. Außerdem wurden die persönlichen Daten von mehr als 300 Journalist*innen, die zu Pressekonferenzen des Präsidenten zugelassen waren, im Internet veröffentlicht.

Einige Regierungen verstärkten ihre Bemühungen, NGOs zu kontrollieren, einzuschränken oder zu schließen. In Paraguay und Venezuela wurden Gesetze verabschiedet, die die Kontrolle über zivilgesellschaftliche Organisationen ausweiteten und willkürliche Einschränkungen vorsahen wie Schließungen von NGOs und die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern. In Peru lag ein ähnlicher Gesetzentwurf vor, der Ende 2024 aber noch nicht verabschiedet worden war.

Rechtswidrige Überwachung und andere Verstöße gegen das Recht auf Privatsphäre dauerten an. Aus Argentinien und Chile gab es Berichte über Massenüberwachung mithilfe von Gesichtserkennungssoftware und anderen Technologien. In den USA sorgte eine App, die Asylsuchende und Migrant*innen vor dem Grenzübertritt nutzen mussten, für ernste Bedenken hinsichtlich Datenschutz, Überwachung und Diskriminierung, weil sie standardmäßig Gesichtserkennung und GPS-Ortung verwendete. In Kolumbien führte ein Bericht, wonach die Sicherheitsbehörden im Jahr 2021 die Spionagesoftware Pegasus gekauft und eingesetzt hatten, zu einer Kontroverse. Die hochgradig invasive Spähsoftware ermöglicht den vollständigen und uneingeschränkten Zugriff auf elektronische Geräte. 

In zahlreichen Ländern des Kontinents wurden Proteste 2024 weiterhin unterdrückt und eingeschränkt. Die Polizei ging u. a. in Argentinien, Kuba, Mexiko, Venezuela und in den USA gegen Protestveranstaltungen vor. In Kanada und den USA gab es auf dem Campus von Universitäten gewaltsame Polizeieinsätze, um friedliche Demonstrationen gegen den Völkermord Israels im Gazastreifen aufzulösen. In Venezuela fanden laut der NGO Observatorio Venezolano de Conflictividad Social allein am 29. und 30. Juli 2024 landesweit 915 Demonstrationen statt, die wirtschaftliche und soziale Rechte einforderten; 138 dieser Kundgebungen wurden von Sicherheitskräften und regierungsnahen bewaffneten Gruppen gewaltsam unterdrückt. In Argentinien, Nicaragua und Peru wurden neue restriktive Bestimmungen zum Recht auf Protest vorgeschlagen bzw. verabschiedet, was ein Zeichen dafür war, dass sich der zivilgesellschaftliche Raum verengte.

Die Staaten müssen den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum schützen und Gesetze und Maßnahmen abschaffen, die die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einschränken. Außerdem müssen sie die rechtswidrige Überwachung durch staatliche und private Akteur*innen verbieten.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

In vielen Ländern gingen die Behörden Fällen von Verschwindenlassen nicht nach und entschädigten die Betroffenen nicht. In Argentinien ordnete die Regierung die Auflösung einer Sonderermittlungseinheit an, die das Schicksal von Kindern aufklären sollte, die ihren Familien während der Militärdiktatur (1976–1983) weggenommen worden waren und "verschwanden". In Peru legte ein neues Gesetz fest, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die vor 2022 begangen wurden, verjährt waren. Aus Ecuador, Kolumbien, Kuba, Mexiko und Venezuela wurden Fälle das Verschwindenlassens gemeldet.

Rechtswidrige Tötungen, die in einigen Fällen möglicherweise außergerichtlichen Hinrichtungen gleichkamen, blieben auch 2024 straffrei. In Ecuador stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass im ersten Halbjahr 2024 vermehrt Anzeigen zu möglichen außergerichtlichen Hinrichtungen eingingen. In Mexiko wurden in mehreren Bundesstaaten Menschen von Militärangehörigen angegriffen und getötet, darunter auch Migrant*innen und Kinder. In Venezuela starben mindestens 24 Personen bei der Niederschlagung von Protesten nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl. In Ecuador, El Salvador, Nicaragua und Venezuela wurden Inhaftierte gefoltert oder anderweitig misshandelt. 

In Haiti waren kriminelle Banden weiterhin für zahllose Menschenrechtsverstöße verantwortlich, darunter Tötungen, Verstümmelungen, Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, Entführungen und die Verweigerung humanitärer Hilfe.

Für Menschenrechtsverletzungen, die in früheren Jahren im Zuge politischer Repression und der Unterdrückung von Protesten in Chile, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Nicaragua, Peru und Venezuela verübt worden waren, wurde auch 2024 niemand zur Verantwortung gezogen. Doch gab es auch positive Entwicklungen. So begannen sowohl in Chile als auch in Peru strafrechtliche Verfahren zu den jüngsten Fällen politischer Repression. In Brasilien wurden im Fall von Davi Fiuza, der 2014 Opfer des Verschwindenlassens geworden war, fünf Angehörige der Militärpolizei wegen Entführung und Freiheitsberaubung angeklagt. Und im Oktober 2024 wurden zwei Männer wegen der Tötung der Menschenrechtsverteidigerin und Stadträtin von Rio de Janeiro, Marielle Franco, und ihres Fahrers Anderson Gomes im Jahr 2018 schuldig gesprochen. In Paraguay verurteilte ein Gericht einen ehemaligen Polizisten wegen Folterungen im Jahr 1976, zur Zeit der Militärregierung, zu 30 Jahren Haft. 

Die Afrobrasilianerin Marielle Franco, eine brasilianische Politikerin, in einer Gasse in Rio de Janeiro.

Die brasilianische Aktivistin Marielle Franco wurde 2018 ermordet (Archivaufnahme aus dem Sommer 2016).

 

Gremien und Gerichte, die der Wahrheitsfindung und Wiedergutmachung dienten, leisteten zwar gute Arbeit, reichten jedoch weiterhin nicht aus. In Brasilien wurden Maßnahmen zur Vergangenheitsbewältigung teilweise wieder aufgenommen, so wurde u. a. die Sonderkommission für politische Todesfälle und Verschwindenlassen (Comissão Especial sobre Mortos e Desaparecidos Políticos) wieder eingesetzt. In Mexiko legte das Gremium für Wahrheit und die Aufklärung historischer Menschenrechtsverletzungen (Mecanismo para la Verdad y el Esclarecimiento Histórico) 2024 zwei Berichte vor, die sich mit schweren Menschenrechtsverletzungen zwischen 1965 und 1990 befassten. In Peru führte ein Gerichtsurteil dazu, dass ein Prozess in Gang gesetzt wurde, der Opfer von Zwangssterilisationen in den 1990er-Jahren umfassend entschädigen soll. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) entschied, dass die Ermittlungen zu mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela wieder aufgenommen werden.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte spielten weiterhin eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen um Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung auf dem amerikanischen Kontinent. So äußerte sich die Interamerikanische Menschenrechtskommission 2024 besorgt über Quecksilbervergiftungen unter Angehörigen indigener Gemeinschaften in Kanada. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte erließ Schutzmaßnahmen für willkürlich inhaftierte Menschen in Nicaragua; entschied, dass Kolumbien für die Verfolgung des Anwaltskollektivs José Alvear Restrepo verantwortlich sei; und befand, dass Argentinien keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen habe, um den Angriff auf das Gemeindezentrum der Asociación Mutual Israelita Argentina am 18. Juli 1994 in Buenos Aires zu verhindern. Außerdem führte ein Urteil des Gerichtshofs dazu, dass 2024 die Rückübertragung von Landrechten an die Gemeinschaft der Garífuna in Honduras begann.

Die Staaten müssen dafür sorgen, dass alle, die mutmaßlich für Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtliche Verbrechen strafrechtlich verantwortlich sind, in fairen Gerichtsverfahren vor ordentlichen Zivilgerichten zur Rechenschaft gezogen werden, und sie müssen das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung gewährleisten.

Willkürliche Inhaftierungen und unfaire Gerichtsverfahren

Unfaire Gerichtsverfahren und willkürliche Inhaftierungen, die der Unterdrückung dienen sollten und in manchen Ländern Teil der Sicherheitsstrategie waren, waren 2024 weiterhin gang und gäbe. 

In Kuba wurden 14 Menschen für schuldig befunden, weil sie im Jahr 2022 an friedlichen Protesten in Nuevitas teilgenommen hatten. In Guatemala war die ehemalige Staatsanwältin Virgina Laparra 2024 gezwungen, ins Exil zu gehen, nachdem sie in einem unbegründeten Strafverfahren schuldig gesprochen worden war. Sie war bereits 2022 in einem willkürlichen Verfahren zu einer Haftstrafe verurteilt worden und erst kurz vor ihrer erneuten Verurteilung in den Hausarrest entlassen worden. In Nicaragua befanden sich 2024 nach Angaben eines Verbands von Menschenrechtsgruppen und Familienangehörigen von Inhaftierten (Mecanismo para el Reconocimiento de Personas Presas Políticas) mindestens 151 Personen aus politischen Gründen in Haft. In den USA verbüßte der indigene Aktivist Leonard Peltier weiterhin zwei lebenslange Haftstrafen wegen Mordes, obwohl sowohl der Schuldspruch als auch das Strafmaß äußerst umstritten waren. In Venezuela wurden Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen nach wie vor kriminalisiert und willkürlich inhaftiert. Gefährdet waren dort aber auch andere Bevölkerungsgruppen: So wurden nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl mindestens 2.000 Personen willkürlich in Haft genommen, darunter 200 Minderjährige.

Massenhafte Inhaftierungen sowie Inhaftierungen ohne ordentliches Verfahren, die unter Angabe von Sicherheitsgründen vorgenommen wurden, gaben weiterhin Anlass zur Sorge. In Ecuador nahmen Sicherheitskräfte Tausende Menschen möglicherweise willkürlich fest. Ein Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission bestätigte, dass in El Salvador seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Jahr 2022 massenhaft Menschen willkürlich inhaftiert worden waren. Im Juli 2024 äußerte sich die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen u. a. besorgt über systematische willkürliche Inhaftierungen in Mexiko sowie über die Arraigo-Haft (Haft ohne Anklage) und die Praxis, Menschen automatisch in Untersuchungshaft zu nehmen. Dessen ungeachtet wurde in Mexiko eine Verfassungsänderung beschlossen, um die Liste der Straftaten, für die Verdächtige automatisch und ohne Prüfung der Umstände in Untersuchungshaft genommen werden, erweitern zu können. In den USA weiteten die Behörden 2024 die willkürliche, massenhafte Inhaftierung von Migrant*innen aus.

In einigen Ländern wie z. B. in Venezuela gingen willkürliche Festnahmen damit einher, dass die Betroffenen kurzzeitig "verschwanden". In vielen Fällen waren die anschließenden Verfahren unfair und fanden vor Gerichten statt, denen es an Unabhängigkeit mangelte. In Bolivien zeigte sich die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von Richter*innen und Anwält*innen besorgt bezüglich des Rechts auf unabhängige und unparteiische Richter*innen, da die Wahl der obersten Richter*innen von Ende 2023 auf Ende 2024 verschoben worden war. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission wies bei einem Besuch in Guatemala darauf hin, dass unbegründete Strafverfahren ein Zeichen dafür seien, dass es der Justiz im Land an Unabhängigkeit mangele. In Mexiko trat 2024 eine Verfassungsreform in Kraft, derzufolge künftig Richter*innen auf allen Ebenen des Justizapparats direkt gewählt (statt ernannt) werden, was die richterliche Unabhängigkeit untergrub. 

Die Behörden müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um willkürliche Inhaftierungen zu beenden und das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren zu garantieren.

Diskriminierung

Auf dem gesamten amerikanischen Kontinent waren Rassismus und die Diskriminierung Schwarzer Menschen und indigener Gemeinschaften weit verbreitet. Im August 2024 erklärte die Interamerikanische Menschenrechtskommission, struktureller Rassismus und rassistische Diskriminierung hindere Schwarze Menschen und indigene Gemeinschaften daran, ihre Rechte umfassend wahrnehmen zu können, und sie forderte die Länder des Kontinents auf, für umfassende Wiedergutmachung zu sorgen. 

In Brasilien, Ecuador und den USA richteten sich Strafverfolgungsmaßnahmen gezielt gegen Schwarze bzw. betrafen sie unverhältnismäßig stark. In Kanada behandelte das Bundesgericht einen Antrag Schwarzer Bundesbediensteter auf Zulassung einer Sammelklage gegen die kanadische Regierung wegen rassistisch motivierter Diskriminierung bei Einstellungsverfahren. In der Dominikanischen Republik war rassistische Diskriminierung an der Tagesordnung und strukturell verankert. Betroffen waren insbesondere Dominikaner*innen haitianischer Herkunft und haitianische Asylsuchende.

In Brasilien waren nach Angaben des Ministeriums für indigene Bevölkerungsgruppen 537.941 Indigene von Ernährungsunsicherheit betroffen. In Kanada tötete die Polizei innerhalb eines Monats bei verschiedenen Vorfällen insgesamt neun Angehörige indigener Völker. In Kolumbien waren indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften nach wie vor unverhältnismäßig stark von Menschenrechtsverstößen, Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und großangelegten Vertreibungen betroffen.

Fälle von Diskriminierung lesbischer, schwuler, bisexueller, trans und intergeschlechtlicher Menschen (LGBTI+) wurden aus Argentinien, Brasilien, Guatemala, Honduras, Kanada, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Paraguay, Peru, Puerto Rico, Venezuela und den USA gemeldet. Insbesondere trans Menschen erlebten häufig Gewalt. In Brasilien veröffentlichte die Menschenrechtsgruppe Grupo Gay da Bahia 2024 einen Bericht über das Vorjahr. Demnach kamen 257 LGBTI+ gewaltsam zu Tode, die meisten von ihnen junge Schwarze trans Personen. In Kolumbien wurden 2024 laut der NGO Caribe Afirmativo 44 LGBTI+ getötet, darunter mindestens 21 trans Frauen. In Mexiko berichteten Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen über mindestens 59 Morde an trans Frauen.

Die Staaten müssen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Rassismus, Diskriminierung und andere Formen von Intoleranz zu beenden, und sie müssen Wiedergutmachung für die Betroffenen sicherstellen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Die Staaten des amerikanischen Kontinents ergriffen auch 2024 nicht die erforderlichen Maßnahmen, um die Auswirkungen der Klimakrise auf die Menschenrechte abzumildern. Außerdem kamen die Regierungen ihren Verpflichtungen bezüglich der Reduzierung von Treibhausgasemissionen und des Ausstiegs aus den fossilen Brennstoffen nicht nach. Länder wie Brasilien, Ecuador und Venezuela steigerten die Erdölförderung und das Abfackeln des dabei anfallenden Gases. Kanada und die USA ergriffen keine Maßnahmen, um die Nutzung fossiler Brennstoffe zur Energieerzeugung zu verringern. Die beiden finanzstarken Länder gehörten vielmehr auch 2024 zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen weltweit und blockierten bei der Weltklimakonferenz (COP29) in Baku die Einigung auf ein angemessenes Finanzierungsziel zur Unterstützung ärmerer Länder.

Brände im Amazonasgebiet, aber auch andernorts auf dem Kontinent, führten dazu, dass empfindliche Ökosysteme in großem Umfang vernichtet wurden und damit auch deren natürliche Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden und so zur Minderung der globalen Erwärmung beizutragen. In Argentinien, Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kanada, Kolumbien, Paraguay, Peru und den USA kam es 2024 zu großflächigen Waldbränden. Die Regierungen ergriffen jedoch keine ausreichenden Maßnahmen, um die Auswirkungen dieser Brände auf die Ökosysteme und die Menschenrechte indigener und ländlicher Gemeinschaften sowie anderer betroffener Bevölkerungsgruppen einzudämmen.

Zunehmend verheerende Klimafolgen wie Überschwemmungen, Küstenerosion und ein Anstieg des Meeresspiegels waren auf dem gesamten Kontinent zu spüren. Im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul hatten Überschwemmungen im Jahr 2024 Auswirkungen auf 2,3 Mio. Menschen, 600.000 von ihnen mussten ihre Häuser verlassen. In Honduras beeinträchtigte der steigende Meeresspiegel im Golf von Fonseca die Lebensgrundlage der dort lebenden Bevölkerung. In Mexiko wurden Bewohner*innen des Küstenorts El Bosque im Bundesstaat Tabasco, die 2023 aufgrund eines klimabedingten Anstiegs des Meeresspiegels aus dem Ort evakuiert worden waren, umgesiedelt und erhielten neue Unterkünfte, nachdem einige Betroffene rechtliche Schritte ergriffen hatten.

Die Regierungen müssen schnellstens gegen die Auswirkungen der Klimakrise auf die Menschenrechte vorgehen, indem sie lokal, national und kontinentweit Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt auch der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Ärmere Länder sollten sich, falls nötig, um internationale Unterstützung und Mittel bemühen. Einkommensstarke Länder mit hohen Emissionen müssen angemessene Mittel zur Klimafinanzierung bereitstellen. 

Das Bild zeigt mehrere Menschen, die am Ufer eines Flusses stehen

Gemeinsam für mehr Umweltschutz in Kolumbien: Yuly Velásquez, Präsidentin des Fischereiverbandes FEDEPESAN (Mitte unten), sowie weitere Mitglieder von FEDEPESAN und anderen Menschenrechtsorganisationen.

Wirtschaftliche und soziale Rechte

Viele Staaten kamen ihren Verpflichtungen nicht nach, die wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu gewährleisten. Dies ging vor allem zu Lasten von Bevölkerungsgruppen, die ohnehin benachteiligt waren. Armut und Ungleichheit waren weiterhin Probleme, die den gesamten Kontinent betrafen. In Argentinien wirkten sich staatliche Sparmaßnahmen unverhältnismäßig stark auf Kinder und ältere Menschen aus. 

In Brasilien, Guatemala, Haiti, Kuba, Mexiko, Paraguay, Peru, Puerto Rico, Uruguay und Venezuela war das Gesundheitswesen unzureichend ausgestattet und unterfinanziert, was den Zugang zu medizinischen Leistungen und Medikamenten beeinträchtigte. In Brasilien nahmen 2024 die Fälle von Denguefieber stark zu und führten zum Tod von 6.041 Menschen, während im Vorjahr 1.179 Personen an Dengue gestorben waren. In Haiti waren die Probleme des Gesundheitssystems so massiv, dass es kurz vor dem Zusammenbruch stand. In Puerto Rico führte eine unzuverlässige Stromversorgung dazu, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen, die auf elektrische medizinische Geräte angewiesen waren, gefährdet waren. In Uruguay mangelte es an psychotherapeutischen Angeboten, trotz steigenden Bedarfs. Obwohl die Panamerikanische Gesundheitsorganisation den Staaten empfohlen hatte, sechs Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für ihre Gesundheitssysteme aufzuwenden, betrug der Anteil z. B. in Mexiko nur 2,9 Prozent und in Paraguay nur 4 Prozent.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Millionen Menschen auf dem amerikanischen Kontinent litten 2024 unter Ernährungsunsicherheit. Dies betraf insbesondere Argentinien, Bolivien, Brasilien, Haiti, Kuba und Venezuela. In Argentinien reichte die Grundrente nicht aus, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Die kubanische Regierung reduzierte das Angebot an subventionierten Grundnahrungsmitteln (canasta básica) drastisch, was zu langen Schlangen vor den Lebensmittelläden führte. In Haiti erreichten Nahrungsmittelmangel und Unterernährung ein derart alarmierendes Ausmaß, dass fast die Hälfte der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen war. Der UN-Sonderberichterstatter über das Recht auf Nahrung besuchte 2024 Venezuela und berichtete, dass etwa 53 Prozent der Bevölkerung von extremer Armut betroffen waren und sich den monatlichen Warenkorb mit Grundnahrungsmitteln nicht leisten konnten.

Die Staaten müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Armut und Ungleichheit zu bekämpfen und ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nachzukommen.

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt

Femizide und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt waren 2024 auf dem gesamten Kontinent weiterhin an der Tagesordnung und wurden nur selten geahndet. Aus verschiedenen Berichten ging hervor, dass u. a. in Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Paraguay, Peru, Puerto Rico, Uruguay und Venezuela alarmierend viele Frauen ermordet wurden. In Kuba und der Dominikanischen Republik war "Femizid" kein gesonderter Straftatbestand. 

In Argentinien wurde 2024 alle 33 Stunden eine Frau getötet. Ungeachtet dessen kürzte die Regierung die Finanzierung von Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt. In Guatemala war positiv zu verzeichnen, dass die Regierung im Fall der Anfang der 2000er-Jahre verübten Morde an Maria Isabel Véliz Franco und Claudina Velásquez eine staatliche Verantwortung einräumte. Hintergrund waren entsprechende Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2014 und 2015.

Frauen und Mädchen waren auch von anderen Formen von Gewalt betroffen. In Brasilien überprüfte die Generalstaatsanwaltschaft auf Bundesebene Fälle geschlechtsspezifischer politischer Gewalt gegen Frauen. In Kanada forderten Organisationen die Regierung des Bundesstaats Ontario und die dortigen Kommunen auf, Partnerschaftsgewalt zu einer "Epidemie" zu erklären. In der Dominikanischen Republik berichteten Medien über sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt im Einwanderungssystem. In Haiti nahmen die Fälle sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, im ersten Halbjahr 2024 zu. Die peruanische Regierung gab an, 2024 seien 12.924 Fälle von Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen angezeigt worden. In den USA hatten indigene Frauen laut offiziellen Daten ein 2,8-fach höheres Risiko, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, als nichtindigene Frauen.

Die Behörden müssen die Straflosigkeit für Gewaltverbrechen gegen Frauen und Mädchen beenden und ihre Anstrengungen zum Schutz von Frauen und Mädchen verstärken.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen war 2024 weiterhin im Gesetz und in der Praxis eingeschränkt. Besonders hoch waren die Hürden für Menschen, die unter Mehrfachdiskriminierung litten. In der Dominikanischen Republik, in El Salvador, Haiti, Honduras und Nicaragua waren Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor unter allen Umständen verboten. Doch boten auch Länder, in denen Schwangerschaftsabbrüche in Ausnahmefällen straffrei waren, weiter Anlass zur Sorge. In Brasilien wirkte sich das dort geltende grundsätzliche Verbot, das nur wenige Ausnahmen zuließ, nach Angaben des Frauenministeriums unverhältnismäßig stark auf arme Frauen aus. In Peru waren nur Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Gründen erlaubt, doch waren selbst dafür die entsprechenden Möglichkeiten nicht ausreichend. In Venezuela waren 2024 keinerlei Verbesserungen der sexuellen und reproduktiven Rechte zu verzeichnen und Schwangerschaftsabbrüche waren weiterhin strafbar.

In mehreren Ländern wurde der Zugang zu reproduktiven Gesundheitsleistungen 2024 im Gesetz oder in der Praxis eingeschränkt. In Argentinien teilte die für sexuelle und reproduktive Gesundheit zuständige Behörde mit, dass es an grundlegender Ausrüstung für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen fehle. In Chile weigerten sich Gesundheitseinrichtungen und Mediziner*innen aus moralischen oder religiösen Gründen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, und untergruben damit das Recht auf Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch. In Puerto Rico billigte der Senat ein Gesetz, das den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für Minderjährige einschränkte, indem es die Zustimmung eines Elternteils oder Vormunds vorschrieb. In den USA bedrohten die in zahlreichen Bundesstaaten erlassenen Verbote oder Beschränkungen von Abbrüchen das Recht auf Leben und Gesundheit der Betroffenen. Besonders hoch waren die Hürden für Schwarze Menschen und Angehörige anderer rassifizierter Gemeinschaften sowie für Indigene, Migrant*innen ohne legalen Aufenthaltsstatus, trans Personen sowie Menschen, die auf dem Land oder in Armut lebten. Weil immer mehr medizinische Fachkräfte US-Bundesstaaten mit strengen Abtreibungsverboten verließen, verschlechterten sich die reproduktiven Gesundheitsleistungen dort immer weiter, insbesondere in ländlichen und einkommensschwachen Gebieten. 

Das Bild zeigt mehrere Menschen mit Protestplakaten

Amnesty-Protestaktion für das Recht auf sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche vor dem Obersten Gerichtshof in der US-Hauptstadt Washington (26. März 2024)

 

Doch gab es im Bereich der sexuellen und reproduktiven Rechte 2024 auch Fortschritte. In Kolumbien setzten die Gesundheitsbehörden ein Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2022 um und veröffentlichten Anweisungen, die den Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch bis zur 24. Schwangerschaftswoche gewährleisteten. In Mexiko erließen sieben Bundesstaaten Gesetze, die Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisierten; ein weiterer Bundesstaat senkte die Frist, in denen ein Abbruch vorgenommen werden konnte, allerdings von zwölf auf sechs Wochen.

Die Behörden müssen den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen garantieren und auch die Wahrnehmung anderer sexueller und reproduktiver Rechte gewährleisten.

Rechte indigener Gemeinschaften

Indigene Gemeinschaften wurden auch 2024 diskriminiert, ausgegrenzt und ihrer Rechte beraubt. In mehreren Ländern verweigerte man ihnen ihr Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Vorhaben, die sie betrafen. So führte z. B. die Regierung Boliviens keine wirksamen Verfahren durch, um die Zustimmung indigener Gemeinschaften zu Bergbauvorhaben in ihren Gebieten einzuholen. Und Kanada handelte ein Freihandelsabkommen mit Ecuador aus, ohne die betroffenen indigenen Völker einzubeziehen. 

Bei Konflikten bezüglich Landbesitz und Eigentumsrechten wurden indigene Gemeinschaften häufig Opfer von Menschenrechtsverstößen seitens staatlicher und nichtstaatlicher Akteur*innen. In Brasilien führte die fehlende Demarkation von indigenem Land zu Hunderten von Konflikten, und der Demarkationsprozess schritt nur sehr langsam voran. In Guatemala waren Dutzende kleinbäuerliche und indigene Gemeinschaften von rechtswidriger Zwangsräumung bedroht. In Paraguay wartete die indigene Gemeinschaft der Tekoha Sauce, die zu den Avá Guaraní Paranaense zählt, immer noch auf die Rückgabe ihres angestammten Lands, das vom Energieunternehmen Itaipú Binacional in Besitz genommen worden war. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission äußerte sich besorgt über die Situation der Yanomami in Venezuela, deren Leben, Gesundheit und Überleben als indigene Gemeinschaft durch illegale Bergbauaktivitäten bedroht war. 

Auf dem gesamten amerikanischen Kontinent waren indigene Gemeinschaften Schikanen und Gewalt ausgesetzt. In Brasilien fehlte es an staatlichen Maßnahmen, um sie zu schützen, in Chile drangsalierten Sicherheitskräfte Angehörige indigener Gemeinschaften, und in Mexiko und Nicaragua kam es aufgrund von Gewalt zu Vertreibungen. In Kolumbien berichtete die zuständige Ombudsstelle, dass 50 Prozent der von bewaffneten Gruppen rekrutierten Minderjährigen aus indigenen Gemeinschaften stammten. In Kanada hielt der Bericht der Sonderbeauftragten der Regierung für die Untersuchung und den Schutz von Massengräbern indigener Kinder fest, bei den ehemaligen Internaten für indigene Kinder (Residential Schools) habe es sich um koloniale Einrichtungen mit genozidaler Absicht gehandelt. In den USA veröffentlichte das Innenministerium 2024 den Abschlussbericht zur Federal Indian Boarding School Initiative. Ziel der Initiative war es, das gewaltsame Assimilierungsprogramm in Internaten für indigene Kinder in den Jahren 1871 bis 1969 zu untersuchen und damit zu einer Bewältigung der durch dieses Programm ausgelösten transgenerationalen Traumata beizutragen. Die Untersuchung fand mindestens 74 gekennzeichnete und anonyme Grabstätten an 65 Schulen und dokumentierte mindestens 973 bestätigte Todesfälle.

Die Staaten müssen die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen respektieren und schützen. Sie müssen sicherstellen, dass indigene Gemeinschaften Eigentumsrechte und Kontrolle haben, was ihr Land und ihre Ressourcen betrifft. Außerdem müssen Staaten Maßnahmen ergreifen, um die Diskriminierung indigener Gemeinschaften und Gewalt gegen sie zu beenden.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Unzählige Menschen verließen auch 2024 ihre Heimatländer, um Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, Unsicherheit und negativen Klimafolgen zu entkommen und in einem anderen Land des Kontinents Schutz zu suchen. Doch waren Migrant*innen, Flüchtlinge und Asylsuchende häufig Rassismus ausgesetzt. Aus Venezuela waren seit 2015 insgesamt mehr als 7,89 Mio. Menschen geflohen. Auch in El Salvador, Haiti, Honduras und Kuba sahen sich viele gezwungen, vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in andere Länder zu fliehen. Im Juni 2024 äußerte sich die Interamerikanische Menschenrechtskommission besorgt darüber, dass viele Staaten auf die Migration reagierten, indem sie Aufnahmeverfahren in andere Länder auslagerten, an den Grenzen Militär einsetzten und Menschen ohne ordentliches Verfahren abschoben.

Viele Flüchtlinge und Migrant*innen stießen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte auf rechtliche und bürokratische Hindernisse. In Kanada waren Arbeitsmigrant*innen, die über das Temporary Foreign Worker Program ins Land kamen, weiter an ihre jeweiligen Arbeitgeber*innen gebunden. Für die Arbeitsmigrant*innen bestand deshalb eine hohe Gefahr, ausgebeutet zu werden, weil ihr rechtlicher Status und ihre Arbeitsbedingungen von ihren Arbeitgeber*innen abhingen. In der Dominikanischen Republik informierten die Behörden Neuankömmlinge nicht über das Asylverfahren, verhängten unzulässige Einschränkungen über die Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen, schoben Haitianer*innen kollektiv und im Schnellverfahren ab und verfolgten eine rassistische Migrationspolitik. In Mexiko verzögerte die Einwanderungsbehörde die Ausgabe humanitärer Visa an Asylsuchende, was zur Folge hatte, dass diese ihre Rechte auf Gesundheit, Bildung und Beschäftigung nicht wahrnehmen konnten. In Peru schoben die Behörden weiterhin Migrant*innen und Flüchtlinge ab, ohne sicherzustellen, dass ein anderes Land sie aufnehmen würde. Die USA setzte die Einreise von Asylsuchenden an der Grenze zu Mexiko zeitweise aus, was einen Verstoß gegen das Recht der Betroffenen auf Asyl darstellte und sie zwang, in Mexiko auszuharren, wo sie Erpressung, Entführung, Diskriminierung sowie sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt waren.

Flüchtlinge und Migrant*innen wurden Opfer von Gewalt, Drangsalierungen und Drohungen. In der Dominikanischen Republik kam es laut lokalen NGOs bei Razzien immer wieder zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung und anderen gewaltsamen Übergriffen. In Chile beriet das Parlament weiter über Gesetzentwürfe, die zu einer Kriminalisierung von Flüchtlingen und Migrant*innen führen würden.

Die Behörden müssen rechtswidrige Abschiebungen einstellen und den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement) respektieren. Regierungen müssen Rassismus bekämpfen und alle international anerkannten Rechte von Migrant*innen, Flüchtlingen und Asylsuchenden gewährleisten.

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