Aktuell Belarus 06. August 2021

Belarus: "Die Zivilgesellschaft soll mundtot gemacht werden"

Das Bild zeigt eine junge Frau auf einer Demonstration mit dem Schild "We arent free until everyone is free"

"Wir sind erst frei, wenn alle frei sind": Demonstration gegen die Repression in Belarus vor der belarussischen Botschaft in der litauischen Hauptstadt Vilnius am 23. Mai 2021

In Belarus geht die Regierung unter Präsident Lukaschenko systematisch gegen die Zivilgesellschaft vor. Zahlreiche Bevölkerungsgruppen gerieten seit den letzten Präsidentschaftswahlen im August 2020 ins Visier der Behörden. Auch belarussische Menschenrechtsorganisationen wie Viasna, deren Mitarbeiter_innen im Juli festgenommen wurden, sind betroffen. Diese und alle anderen gewaltlosen politischen Gefangenen müssen sofort freigelassen werden.

Die Repressionen gegen zivilgesellschaftliches Engagement in Belarus haben in den letzten Monaten ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Seit der Präsidentschaftswahl am 9. August 2020 und dem vorangegangenen Wahlkampf haben die belarussischen Behörden mehr als 30.000 Menschen festgenommen, weil sie sich an Protesten gegen die Staatsführung unter Alexander Lukaschenko beteiligten.

Seit Januar macht Amnesty International regelmäßig in Veröffentlichungen darauf aufmerksam, wie unterschiedliche Gruppen der belarussischen Gesellschaft von der gewalttätigen Unterdrückung der Proteste betroffen sind. Dazu zählen Kinder, Frauen, Kulturschaffende, ältere Menschen, medizinisches Personal, Studierende sowie Gewerkschafter_innen und Sportler_innen.

Einschüchterungsversuche, Gewalt und Razzien treffen zudem verschiedene Menschenrechtsorganisationen im Land. Am 14. Juli wurden der Vorsitzende des belarussischen Menschenrechtszentrums Viasna Ales Bialiatski und weitere Arbeitskolleg_innen von belarussischen Polizeikräften festgenommen. Solche Razzien sind inzwischen Teil des systematischen Vorgehens gegen regierungskritische Organisationen.

Die aktuellen Repressionen gegen namhafte Organisationen sind nun der Versuch, die Zivilgesellschaft im Land dauerhaft mundtot zu machen. Das darf die internationale Gemeinschaft nicht zulassen.

Jovanka
Worner
Expertin für Belarus bei Amnesty International in Deutschland

"Das Menschenrechtszentrum Viasna stand schon in der Vergangenheit im Fokus der Behörden", sagt Jovanka Worner, Expertin für Belarus bei Amnesty International in Deutschland. "Das aktuelle Vorgehen gegen Viasna und zahlreiche weitere Organisationen und Oppositionsgruppen in Belarus besitzt jedoch eine neue Qualität: Es ist ein neuer trauriger Höhepunkt im systematischen Vorgehen der Behörden gegen rechtmäßiges und friedliches zivilgesellschaftliches Engagement."

Bereits im Februar 2021 dokumentierte Amnesty International Massenrazzien und Vernehmungen von Mitarbeiter_innen von Viasna, dem Belarussischen Journalistenverband, der unabhängigen Gewerkschaft REP und dutzenden weiteren zivilgesellschaftlichen Akteur_innen. Am 23. Juli lösten die belarussischen Behörden mindestens 46 Menschenrechtsorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen auf.

"Die inhaftieren Mitarbeiter_innen von Viasna müssen sofort undbedingungslos freigelassen werden und das Vorgehen gegen die weiteren Organisationen umgehend beendet werden", betont Worner. "Das brutale Niederschlagen der friedlichen Proteste in den letzten zwölf Monaten durch die Behörden hat die belarussische Gesellschaft bereits tief getroffen. Die aktuellen Repressionen gegen namhafte Organisationen sind nun der Versuch, die Zivilgesellschaft im Land dauerhaft mundtot zu machen. Das darf die internationale Gemeinschaft nicht zulassen."

Tweet der Ammesty-Gruppe in Düsseldorf:

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Wie skrupellos die belarussische Regierung auch gegen Kritiker_innen im Ausland vorgeht, zeigten die Entführung des Journalisten Roman Protasewitsch und seiner Freundin Sofia Sapega im Mai 2021 sowie der Fall der Olympia-Läuferin Kristina Timanowskaja. Die Sportlerin hatte Anfang August in der polnischen Botschaft in Tokio Asyl ersucht, nachdem die belarussischen Behörden versuchten, sie unter Zwang in ihr Heimatland zu bringen.

Auch die Umstände des Todes des belarussischen Oppositionellen Witali Schischow deuten auf einen Zusammenhang mit der Verfolgung von Demonstrierenden durch belarussische Behörde hin. Schischow wurde am Morgen des 3. August in einem Park nahe seines Wohnsitzes in Kiew erhängt aufgefunden. Die ukrainische Polizei hat inzwischen Ermittlungen wegen Mordes aufgenommen.

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