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Iran: Verbrechen gegen "Frau, Leben, Freiheit"-Proteste müssen geahndet werden
Eine junge Frau beteiligt sich am 21. September 2022 in der iranischen Hauptstadt Teheran an Protesten gegen die Regierung. Die Demonstrierenden fordern, dass der Tod der 22-jährige Mahsa Amini aufgeklärt wird.
© IMAGO / ZUMA Wire
Seit Beginn der "Frau, Leben, Freiheit"-Proteste im Iran vor zwei Jahren leiden die Menschen unter den verheerenden Folgen der brutalen Niederschlagung der Bewegung und der systematischen Straflosigkeit für völkerrechtliche Verbrechen.
Zwei Jahre nach Ausbruch der landesweiten Proteste infolge der Tötung von Jina Mahsa Amini gibt es keine wirksamen, unparteiischen und unabhängigen strafrechtlichen Ermittlungen zu den schweren Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverbrechen der iranischen Behörden.
Auf die Proteste, bei denen Menschen im ganzen Iran gegen jahrzehntelange Unterdrückung und geschlechtsspezifische Diskriminierung demonstriert hatten, reagierten die Behörden massiv mit rechtswidriger Gewalt. Hunderte Menschen, darunter zahlreiche Kinder, wurden rechtswidrig getötet und viele weitere lebensbedrohlich verletzt. Die Behörden haben versucht, Angehörige bei der Suche nach Aufklärung zum Schweigen zu bringen, indem sie sie willkürlich inhaftierten, rechtswidrig verfolgten und mit dem Tod bedrohten.
Amnesty-Video auf YouTube:
Seither haben die Behörden ihre Angriffe auf die Menschenrechte weiter verschärft, indem sie in einem Krieg gegen Frauen und Mädchen immer gewaltsamer gegen alle vorgehen, die sich den drakonischen Kleidungsvorschriften widersetzen. Auch die Todesstrafe wird vermehrt eingesetzt.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Am zweiten Jahrestag ihrer Tötung gedenken wir Jina Mahsa Amini und all der mutigen Menschen im Iran, die sich der 'Frau, Leben, Freiheit'-Proteste angeschlossen haben. Den Opfern, Überlebenden und ihren Angehörigen werden nach wie vor Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verwehrt. Da es keine Aussicht auf unabhängige und unparteiische Ermittlungen im Iran gibt, müssen andere Staaten dringend nach dem Weltrechtsprinzip strafrechtliche Ermittlungen zu den von den iranischen Behörden begangenen Verbrechen einleiten. Wir fordern auch die Bundesregierung auf, Prozesse hier in Deutschland voranzubringen."
Demonstration in Berlin wenige Tage nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini im Iran (Aufnahme vom 28. September 2022).
© IMAGO / Olaf Schuelke
Verschärfung des "Krieges gegen Frauen"
Im Rahmen ihrer anhaltenden Bemühungen zur Zerschlagung der Frauenrechtsbewegung gegen den Kopftuchzwang, die seit dem Tod von Jina Mahsa Amini in Haft und der Bewegung "Frau, Leben, Freiheit" stärker geworden ist, haben die iranischen Behörden im April 2024 eine neue landesweite Kampagne namens "Noor-Plan" gestartet. Seitdem haben die zur Durchsetzung des Kopftuchzwangs eingesetzten Sicherheitspatrouillen zu Fuß, auf Motorrädern, in Autos und Polizeifahrzeugen im öffentlichen Raum deutlich zugenommen.
Im Rahmen dieses harten Vorgehens kam es zu gefährlichen Verfolgungsjagden auf der Straße, um Autofahrerinnen zum Anhalten zu bringen, zu Massenbeschlagnahmungen von Fahrzeugen, Inhaftierungen sowie Auspeitschungen und anderen Strafmaßnahmen, die den Tatbestand der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung erfüllen.
Im August 2024 kursierte in den Sozialen Medien ein verstörendes Video, auf dem zu sehen ist, wie mehrere Sicherheitskräfte zwei 14-jährige Mädchen angriffen, die ihre Kopftücher abgenommen hatten. Eines der Mädchen, Nafas Hajisharif, berichtete in einem Medieninterview: "Sie haben mich an den Haaren gezogen, mich angeschrien und beschimpft ... sie haben mich in den Transporter gesteckt und dort auf den Boden geworfen. Eine Beamtin hat mich geschlagen, mir mit ihrem Knie den Hals zugedrückt und meinem Kopf einen heftigen Schlag versetzt. Mein Kopf steckte zwischen den Sitzen fest, und sie haben mich in die Körperseite getreten."
Unterdessen steht das iranische Parlament kurz vor der Verabschiedung eines "Gesetzes zur Förderung der Kultur der Keuschheit und des Kopftuchs", mit dem die verschärften Angriffe der Behörden auf Frauen und Mädchen, die sich dem Kopftuchzwang widersetzen, legalisiert werden sollen.
© Amnesty International
Vermehrter Einsatz der Todesstrafe
Seit der Proteste im Rahmen der Bewegung "Frau, Leben, Freiheit" wird die Todesstrafe von den iranischen Behörden verstärkt eingesetzt. 2023 griffen die Behörden mit der höchsten Zahl an Hinrichtungen in acht Jahren besonders häufig auf die Todesstrafe als Mittel der Unterdrückung zurück, um die Öffentlichkeit zu terrorisieren. Unverhältnismäßig stark betroffen von den Hinrichtungen war die ethnische Minderheit der Belutsch*innen.
Die Behörden haben seit Dezember 2022 zehn Männer im Zusammenhang mit den Protesten von September bis Dezember 2022 willkürlich hinrichten lassen, darunter auch Reza (Gholamreza) Rasaei. Er wurde am 6. August 2024 heimlich hingerichtet. Mehr als ein Dutzend Menschen droht in Verbindung mit den Protesten weiterhin die Hinrichtung oder die Verurteilung zum Tode, darunter auch Mojahed Kourkouri.
Die jüngste Eskalation beinhaltet auch die Verhängung der Todesstrafe gegen Frauen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen. Die Menschenrechtsverteidigerin Sharifeh Mohammadi und die kurdische Aktivistin Pakhshan Azizi wurden vor Kurzem in getrennten Fällen wegen ihres friedlichen Engagements der "bewaffneten Rebellion gegen den Staat" (baghi) für schuldig befunden und von Revolutionsgerichten zum Tode verurteilt. Besorgniserregenden Berichten zufolge waren sie in der Haft Folter und anderweitigen Misshandlungen ausgesetzt. Mindestens zwei weitere Frauen, Wrisha Moradi und Nasim Gholami Simiyari, wurden ebenfalls in getrennten Fällen wegen "bewaffneter Rebellion gegen den Staat" (baghi) verurteilt.
Amnesty-Protest am 5. Oktober 2022 in Rom für die Rechte von Frauen im Iran
© Amnesty International Italien, Foto: Francesca Maceroni
Sexualisierte Gewalt als Waffe
Seit zwei Jahren leugnen die Behörden, dass während der Proteste festgenommene Personen von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitigen Misshandlungen wie Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt ausgesetzt wurden.
Während der Proteste haben die iranischen Sicherheits- und Geheimdienstkräfte in großem Umfang Folter und andere Misshandlungen an inhaftierten Demonstrierenden verübt. Im Dezember 2013 hat Amnesty International ausführlich über den erschütternden Einsatz von Vergewaltigungen, darunter auch Gruppenvergewaltigungen, sowie anderen Formen sexualisierter Gewalt berichtet. Sie wurden von den iranischen Behörden eingesetzt, um Proteste zu unterbinden und die Protestierenden, unter denen sich auch Kinder von erst zwölf Jahren befanden, zu terrorisieren und zu bestrafen.
Notstand angesichts systemischer Straflosigkeit
Für iranische Staatsbedienstete, die der strafrechtlichen Verantwortung für Verbrechen nach dem Völkerrecht und anderer Menschenrechtsverletzungen verdächtigt werden, gibt es weiterhin keine juristischen Konsequenzen.
Der UN-Menschenrechtsrat hat das Mandat der UN-Ermittlungsmission für den Iran (FFMI) im April 2024 verlängert, doch weigern sich die iranischen Behörden nach wie vor, mit dem unabhängigen Gremium zusammenzuarbeiten, und verweigern dessen Mitgliedern den Zugang zum Land.
Amnesty International schließt sich den Empfehlungen der FFMI an alle Staaten an. Diese sehen vor, strafrechtliche Ermittlungen gegen iranische Staatsbedienstete einzuleiten, die nach dem Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit hinreichend verdächtigt werden, Straftaten im Sinne des Völkerrechts begangen zu haben, und zwar unabhängig davon, ob sich die beschuldigte Person in ihrem Hoheitsgebiet aufhält oder nicht. Außerdem sollen "strukturelle Ermittlungen zur allgemeinen Situation im Zusammenhang mit den Protesten von 2022 ohne konkrete Tatverdächtige eingeleitet" werden.
Amnesty-Demonstration in Solidarität mit Frauen und Mädchen im Iran am 16. September 2023 in Berlin
© Amnesty International