Pressemitteilung Aktuell Deutschland 06. November 2024

Deutschland: Umsetzung von GEAS setzt auf maximale Härte statt auf menschenrechtliche Spielräume

Eine Person hält eine Protestschild in den Händen

Protest in Erfurt am 20. Januar 2024 gegen die Kriminalisierung von Schutzsuchenden

Amnesty International kritisiert den heute beschlossenen Kabinettsentwurf der Bundesregierung, der die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ins deutsche Recht umsetzen soll. Obwohl europarechtlich nicht verpflichtend, will die Bundesregierung zukünftig eine Inhaftierung von Familien und Kindern ermöglichen. Die Menschenrechtsorganisation verurteilt im Besonderen, dass sichere Herkunftsländer und Drittstaaten zukünftig ohne parlamentarisches Verfahren bestimmt werden können. 

Zum in der heutigen Kabinettssitzung beschlossenen Gesetzesentwurf des GEAS-Anpassungsgesetzes sagt Sophie Scheytt, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland: 

"Im Windschatten der europäischen Asylrechtsreform will die Bundesregierung massive Verschärfungen für Asylsuchende einführen. In ihrem Eifer geht die Bundesregierung sogar über die EU-Vorgaben hinaus und setzt auf maximale Härte – notfalls auch auf Kosten des Europarechts. Während sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene noch gegen eine Inhaftierung von Familien und Kindern eingesetzt hat, will sie nun auf nationaler Ebene die Voraussetzungen dafür schaffen, Familien und Kinder einsperren zu können.

Bundestag und Bundesrat haben sich bei der Einstufung sicherer Herkunftsländer in der Vergangenheit als wichtiges Korrektiv erwiesen und für Transparenz und fachliche Expertise gesorgt. Sachverstand und Kritik aus Parlament und Zivilgesellschaft sollen jetzt aber keinen Platz mehr im Verfahren haben. Stattdessen soll zukünftig eine Bestimmung der Drittstaaten per Rechtsverordnung erfolgen. Hier irrt die Bundesregierung, wenn sie sich fälschlicherweise auf eine angebliche Umsetzung des Europarechts beruft.

Die Umsetzung der EU-Vorgaben ist keine Einbahnstraße, sondern bietet erhebliche menschenrechtliche Spielräume, welche die Bundesregierung nicht ausreichend genutzt hat. Stattdessen versteckt sie sich bei europarechtlich nicht notwendigen Verschärfungen hinter der EU.

Jetzt sind die Abgeordneten des Bundestages gefragt: Sie müssen sich dafür einsetzen, dass sichere Herkunfts- und Drittstaaten auch weiterhin im parlamentarischen Verfahren bestimmt werden. Geschlossene Zentren und Haft für Schutzsuchende in Deutschland dürfen nicht zum Normalfall werden. Die Inhaftierung von Kindern ist immer rechtswidrig. Flucht ist kein Verbrechen – und darf deshalb auch nicht pauschal mit Haft bestraft werden."

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Hintergrund

Im Juni 2024 hatten sich die europäischen Mitgliedstaaten auf erhebliche Verschärfungen des europäischen Asylrechts geeinigt (die sogenannte "GEAS-Reform"). Amnesty International hatte vehemente Kritik an den neuen Regelungen geübt und Teile der Reform auf EU-Ebene als völkerrechtswidrig eingeschätzt. Bis Juni 2026 müssen die neuen Regelungen nun national umgesetzt werden. Im Juli 2024 hatte Amnesty International mit 26 Organisationen Vorschläge für eine menschenrechtsgeleitete Umsetzung der GEAS-Reform veröffentlicht.

Zur ausführlichen Stellungnahme zum GEAS-Anpassungsgesetz:

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