Pressemitteilung Aktuell Iran 06. Dezember 2023

Iran: Sicherheitskräfte vergewaltigen Protestierende der Bewegung "Frau, Leben, Freiheit"

Das Bild zeigt eine Illustration, es sind Menschen, ohne Gesichter

Ein neuer Amnesty-Bericht dokumentiert wie Protestierende im Iran von Sicherheitskräften willkürlich inhaftiert, gefoltert und vergewaltigt wurden.

+++ Triggerwarnung: Dieser Text und der zugrundeliegende Amnesty-Bericht enthalten explizite Beschreibungen von Vergewaltigung und Folter. +++

Iranische Sicherheitskräfte haben 2022 im Zusammenhang mit Protesten der "Frau, Leben, Freiheit"-Bewegung Frauen, Männer und Minderjährige vergewaltigt und andere sexualisierte Gewalt ausgeübt, mit der Folge, friedlich Protestierende einzuschüchtern und zu bestrafen. Dies geht aus einem Bericht hervor, den Amnesty International heute veröffentlicht. 

Der Bericht "'They violently raped me': Sexual violence weaponized to crush Iran’s 'Woman Life Freedom' uprising" dokumentiert das Leiden von 45 Überlebenden, darunter 26 Männer, zwölf Frauen und sieben Minderjährige, die Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen und/oder anderen Formen sexualisierter Gewalt durch Angehörige des Geheimdienstes oder der Sicherheitskräfte ausgesetzt waren. Die Protestierenden waren willkürlich festgenommen worden, weil sie sich gegen die jahrzehntelange Unterdrückung und tief verwurzelte geschlechtsspezifische Diskriminierung im Iran eingesetzt hatten. Bis heute haben die iranischen Behörden niemanden wegen der im Bericht dokumentierten Fälle von Vergewaltigung und anderer sexualisierter Gewalt angeklagt oder strafrechtlich verfolgt.

Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Sexualisierte Gewalt ist eine der brutalsten Waffen im Arsenal der iranischen Behörden, um Protestierende zu demütigen und Kritik zu unterdrücken und so um jeden Preis an der Macht zu bleiben. Für die Überlebenden bleiben tiefe körperliche und psychische Narben zurück. Die Täter innerhalb der Geheimdienste und Sicherheitskräfte hingegen müssen sich für ihre Folter nicht rechtfertigen – kein einziger von ihnen wurde bisher angeklagt.

Die iranischen Staatsanwälte und Richter haben sich mitschuldig gemacht, indem sie die Anzeigen der Überlebenden über Vergewaltigungen ignoriert oder vertuscht haben. Sie haben durch Folter erpresste Aussagen verwendet, um Anklagen gegen die Überlebenden zu erheben – und sie sogar zum Tode zu verurteilen.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Angesichts fehlender Gerechtigkeit im Iran muss sich die internationale Gemeinschaft, darunter die Bundesregierung, für eine Mandatsverlängerung der UN-Untersuchungskommission einsetzen. Amnesty International fordert die Staatengemeinschaft und die deutsche Bundesregierung auf, universelle Gerichtsbarkeit und das Weltrechtsprinzip auszuüben, um gegen die Täter strafrechtlich vorzugehen."

Der Bericht dokumentiert, dass die Täter Angehörige der Revolutionsgarden sind, der paramilitärischen Basidsch-Miliz und des Geheimdienstministeriums sowie verschiedener Abteilungen der Polizei, darunter die Polizei für öffentliche Sicherheit (Police Amniat-e Omoumi), die Ermittlungseinheit der iranischen Polizei (Agahi) und die Spezialeinheiten der Polizei (Yegan-e Vijeh)

Zu den Überlebenden gehören Frauen und Mädchen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten, sowie Männer und Jungen, die auf die Straße gingen, um ihre Empörung über jahrzehntelange geschlechtsspezifische Diskriminierung und Unterdrückung zum Ausdruck zu bringen.  

Die Tatsache, dass Amnesty International 45 Fälle in mehr als der Hälfte der iranischen Provinzen ausführlich dokumentieren konnte und Überlebende und andere ehemalige Häftlinge über weitere Fälle von Vergewaltigung und andere sexualisierte Gewalt gegen zahlreiche inhaftierte Demonstrierenden berichten, legt nahe, dass die dokumentierten Fälle Teil eines systematischen Vorgehens sind.

16 der 45 Überlebenden, die in dem Bericht erwähnt werden, wurden vergewaltigt, darunter sechs Frauen, sieben Männer, ein 14-jähriges Mädchen und zwei Jungen im Alter von 16 und 17 Jahren. Sechs von ihnen – vier Frauen und zwei Männer – wurden von Gruppen von bis zu zehn männlichen Sicherheitskräften vergewaltigt.

Sicherheitskräfte vergewaltigten Frauen und Mädchen vaginal, anal und oral, Männer und Jungen anal. Die Überlebenden wurden mit Holz- und Metallschlagstöcken, Glasflaschen, Schläuchen und/oder den Geschlechtsorganen und Fingern der Sicherheitskräfte vergewaltigt. Die Vergewaltigungen fanden in Hafteinrichtungen und Polizeiwagen statt sowie in Schulen oder Wohnhäusern, die rechtswidrig zu Hafteinrichtungen umfunktioniert worden waren.  

Die überwältigende Mehrheit der Überlebenden teilte Amnesty International mit, nach der Freilassung keine Anzeige erstattet zu haben, aus Angst, man könne ihnen weiteres Leid zufügen, und aus der Überzeugung, dass es sich bei der Justiz eher um ein Instrument der Unterdrückung denn der Wiedergutmachung handelt.  

Hintergrund

Iran ist nicht das einzige Land, das sexualisierte Gewalt als Waffe gegen Protestierende einsetzt. 2022 erschien ein Amnesty-Bericht zu Kolumbien, der dokumentierte, wie die Nationalpolizei und die polizeiliche Spezialeinheit ESMAD sexualisierte Gewalt an Teilnehmenden des Nationalstreiks 2021 verübte. 2021 dokumentierte die Menschenrechtsorganisation sexualisierte Gewalt an Frauen in Mexiko, die für ihre Rechte auf die Straße gingen. Amnesty International dokumentiert Fälle von Unterdrückung der Versammlungsfreiheit aktuell auf der weltweiten Karte der Kampagne "Protect the Protest"

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