Aktuell Kolumbien 01. Dezember 2022

Kolumbien: Amnesty-Bericht belegt sexualisierte Gewalt der Polizei

Eine Frau mit kolumbianischer Flagge auf einer Straße in der Hocke, vor ihr ein Polizist.

2021 wurde in Kolumbien der Generalstreik niedergeschlagen. Dabei waren Frauen und LGBTI-Demonstrant*innen, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen sexualisierter Gewalt und anderen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Ausgeübt wurde die Gewalt durch die Nationalpolizei und die polizeiliche Spezialeinheit ESMAD. Das belegt ein neuer Bericht von Amnesty International.



Der Bericht "The police do not protect me: Sexual violence and other gender-based violence during the 2021 National Strike" dokumentiert 28 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mitglieder der LGBTI-Community in sieben Städten im Zusammenhang mit den Protesten. Der Bericht dokumentiert auch eine Reihe von gewalttätigen Handlungen staatlicher Akteur*innen, insbesondere von Beamt*innen der Nationalpolizei. Diese Handlungen reichen von sexistischer, frauenfeindlicher und beleidigender Sprache bis hin zu sexualisierter Gewalt, die eine Form von Folter darstellen kann.



Agnes Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International, äußert sich dazu wie folgt: "Geschlechtsspezifische Gewalt und insbesondere sexualisierte Gewalt haben eine schmerzhafte Geschichte im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien - eine Geschichte, die die Behörden noch nicht überwunden haben. Während des Generalstreiks im Jahr 2021 erreichten uns Hunderte von Berichten über geschlechtsspezifische Gewalt, in denen psychische Gewalt, Diskriminierung, Drohungen, ungewollte Berührungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Nacktheit, Folter und sexualisierte Gewalt beschrieben wurden. Nachdem wir 28 dieser Vorfälle eingehend dokumentiert haben, ist klar, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Repressionsmittel war, das die Nationalpolizei einsetzte, um diejenigen zu bestrafen, die es wagten, ihre Meinung zu äußern und zu protestieren."



Die dokumentierten Fälle ereigneten sich in den Städten Cali und Palmira (im Bundesstaat Valle de Cauca), Popayán (Cauca), Soledad (Atlántico), Tunja (Boyacá), Manizales (Caldas) und in der Hauptstadt Bogotá. Protestierende Frauen wurden in zahlreichen Fällen angegriffen, darunter befanden sich afrokolumbianische und indigene Frauen, Menschenrechtsverteidigerinnen, Journalistinnen, Beschäftigte des Gesundheitswesens und Mütter.

Tweet von Amnesty International:

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Der Bericht zeigt, dass die Gewalt gegen Frauen und Mitglieder der LGBTI-Community während der Proteste mit anderen Diskriminierungsgründen wie rassistischen Zuschreibungen, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung zusammenhing. Die Zeug*innenaussagen von indigenen, afrokolumbianischen und trans*Frauen belegen, wie deren Geschlechtsidentität zu zusätzlichen Motiven für Unterdrückung wurden und das Risiko von Gewalt noch vergrößerten. Darüber hinaus waren Frauen, LGBTI-Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen Angriffen ausgesetzt, die von Machismo, Homofeindlichkeit und anderen Formen des Hasses und der Stigmatisierung gekennzeichnet waren.



Die Menschenrechtsverletzungen fanden hauptsächlich in zwei Fällen statt: während des Vorgehens der Nationalpolizei zur Auflösung der Proteste und während der Festnahmen, die auf das erste Einschreiten der Polizei folgten. In beiden Fällen haben Angehörige der Nationalpolizei im Dienst Handlungen begangen, die von sexistischen Beleidigungen und Drohungen bis hin zu sexualisierter Gewalt reichten.

Gemein ist in all diesen Fällen die Absicht, mit der die Gewalt ausgeübt wurde: Die Täter*innen wollten die Protestierenden dafür bestrafen, dass sie die gesellschaftlichen Geschlechternormen in Frage stellten und in Straßenprotesten ihr Recht auf friedliche Versammlungsfreiheit ausübten.



Amnesty International liegen auch Informationen vor, nach denen das Rechtssystem – und insbesondere die Generalstaatsanwaltschaft – nicht oder nur unzureichend auf die Beschwerden von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt reagiert hat. Mehrere Überlebende sagten auch, dass sie sich aus Angst und Misstrauen gegen eine Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft entschieden hätten. 



"Als oberster Leiter der Nationalpolizei muss Präsident Gustavo Petro eine Anordnung erlassen, die alle Formen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt verurteilt und deren Beendigung fordert. Jede Beschwerde im Rahmen des Generalstreiks von 2021 muss untersucht werden, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die kolumbianischen Behörden müssen auch die Ursachen dieser Gewalt angehen und mit Frauen und Mitgliedern der LGBTI-Community zusammenarbeiten, um wirksame Maßnahmen zu entwickeln und zu verabschieden, die ein Leben frei von institutioneller Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt garantieren. Dies ist das absolute Minimum, um den Weg für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht zu ebnen", sagt Agnès Callamard.



Vor diesem neuen Bericht hat Amnesty International bereits mehrere Erklärungen und Berichte veröffentlicht, die andere schwere Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Generalstreik dokumentieren, wie beispielsweise unverhältnismäßige Einschränkungen friedlicher Demonstrationen, städtischer Paramilitarismus, willkürliche Festnahmen sowie Folter und Misshandlung friedlicher Demonstrant*innen in der Stadt Cali und Augenverletzungen, die von Kräften der polizeilichen Spezialeinheit ESMAD durch den unrechtmäßigen Einsatz nichttödlicher Waffen verursacht wurden.


 

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