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Usbekistan 2023

© Amnesty International
- Hintergrund
- Unfaire Gerichtsverfahren
- Exzessive Gewaltanwendung
- Recht auf freie Meinungsäußerung
- Folter und andere Misshandlungen
- Geschlechtsspezifische Gewalt
- Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
- Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit
- Arbeitnehmer*innenrechte
- Recht auf eine gesunde Umwelt
- Veröffentlichung von Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Die vermeintlichen Organisator*innen der Massenproteste im Jahr 2022 wurden 2023 aufgrund politisch motivierter Vorwürfe in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Die Behörden griffen härter gegen kritische Stimmen durch, vor allem in den Sozialen Medien. Folter und anderweitige Misshandlungen in Hafteinrichtungen waren nach wie vor gang und gäbe, und die mutmaßlichen Verantwortlichen genossen weitgehend Straflosigkeit. Durch Änderungen des Straf- und Verwaltungsrechts wurde häusliche Gewalt unter Strafe gestellt. Die Wahrnehmung des Rechts auf Religionsfreiheit stand weiter unter strenger Kontrolle.
Hintergrund
Die umstrittenen Verfassungsänderungen, die 2022 zu Massenprotesten in Karakalpakistan geführt hatten, wurden im April 2023 nach einem Referendum verabschiedet.
Präsident Shavkat Mirziyoyev wurde bei den Wahlen im Juni 2023, bei denen es keine wirklichen Gegenkandidat*innen gegeben hatte, für eine Amtszeit von sieben Jahren wiedergewählt.
Unfaire Gerichtsverfahren
Zahlreiche mit den gewaltsam unterdrückten Massenprotesten in Karakalpakistan 2022 in Verbindung stehende Personen wurden im Laufe des Jahres 2023 aufgrund politisch motivierter Anklagen in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt.
Am 31. Januar 2023 verurteilte ein Gericht in der Stadt Buchara in Ostusbekistan den Anwalt und Redakteur Dauletmurat Tazhimuratov wegen mutmaßlicher Gewaltdelikte im Zusammenhang mit den Protesten zu 16 Jahren Haft. Die Richter*innen wiesen von ihm erhobene Foltervorwürfe ebenso zurück wie Videoaufzeichnungen von den Protesten, auf denen zu sehen war, wie er die Menge aufforderte, keine Gewalt anzuwenden. Menschenrechtsverteidiger*innen, die das Verfahren beobachtet hatten, äußerten die Befürchtung, dass die 21 weiteren Angeklagten im Austausch für mildere Strafen dazu genötigt worden waren, Dauletmurat Tazhimuratov zu belasten. Am 6. Juni 2023 bestätigte der Oberste Gerichtshof Usbekistans sein Urteil im Berufungsverfahren. Dauletmurat Tazhimuratov beteuerte weiter seine Unschuld.
Exzessive Gewaltanwendung
Trotz großflächiger Vorwürfe über rechtswidrige Gewaltanwendung gegen friedliche Protestierende in Karakalpakistan wurden nur drei Angehörige der Sicherheitskräfte zur Rechenschaft gezogen. Laut einer im August 2023 vom Obersten Gerichtshof herausgegebenen Erklärung wurden zwei nicht namentlich genannte Polizisten wegen der Folterung Inhaftierter schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ein dritter Polizist erhielt eine dreijährige Haftstrafe, weil er einem Mann mit lebensgefährlichen Verletzungen nicht geholfen hatte.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Verleumdung und Beleidigung, einschließlich Beleidigung des Präsidenten, blieben 2023 nach wie vor strafbar. Die Behörden griffen noch härter als zuvor gegen kritische Stimmen durch, vor allem in den Sozialen Medien.
Mindestens zehn Blogger wurden aufgrund mutmaßlich konstruierter und politisch motivierter Anklagen wegen kritischer Veröffentlichungen im Internet verurteilt.
Im Februar 2023 stellte die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen fest, dass die Inhaftierung von Otabek Sattoriy willkürlich war, und forderte seine Freilassung. Er verbüßte eine Haftstrafe von sechseinhalb Jahren aufgrund von Anklagen wegen Verleumdung und Erpressung, weil er Korruption unter lokalen Amtsträger*innen angeprangert hatte. Im April 2023 wurden ihm mildere Haftbedingungen verweigert, weil er die Gefängnisregeln verletzt haben soll. Im Dezember verlegte man ihn dann jedoch in eine offene Vollzugsanstalt.
Folter und andere Misshandlungen
Folter und andere Misshandlungen waren in Hafteinrichtungen auch 2023 weit verbreitet. Die Personen, die mutmaßlich die strafrechtliche Verantwortung trugen, gingen meist straffrei aus.
Bei der Umsetzung von Vorschlägen zur Bekämpfung von Folter, welche die Generalstaatsanwaltschaft 2021 gemacht hatte, waren auch 2023 keine Fortschritte zu verzeichnen. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte eine Reform des Strafgesetzbuchs, die Einrichtung unabhängiger Mechanismen zur Überprüfung von Foltervorwürfen, die Verbesserung von Haftbedingungen und die Bereitstellung von Wiedergutmachung in Folterfällen empfohlen.
Der im Juli 2022 gegründete parlamentarische Ausschuss, der die Gewalt in Karakalpakistan und auch die erhobenen Foltervorwürfe untersuchen sollte, hatte bis Ende 2023 noch immer keinen Bericht über seine Ergebnisse vorgelegt.
Im November 2023 äußerten sich zwei UN-Sonderberichterstatter*innen besorgt über die Sicherheit und das Wohlergehen von Dauletmurat Tazhimuratov (siehe "Unfaire Gerichtsverfahren"), nachdem sein Anwalt berichtet hatte, dass sich dessen psychische und physische Gesundheit im September stark verschlechtert habe. Dauletmurat Tazhimuratov wurde in Einzelhaft gehalten, hatte keinen Zugang zu Informationen und erhielt weder eine angemessene Gesundheitsversorgung noch genug zu essen.
In seiner Berufungsverhandlung im Oktober 2023 sagte der inhaftierte Blogger Abdukodir Muminov vor Gericht aus, die Polizei habe seinen Körper mit Stromstößen traktiert, gegen seine Genitalien getreten und diese gequetscht, ihm mehrfach mit einem speziellen Schlagstock aufs Bein geschlagen und ihm eine Rippe gebrochen, um so ein "Geständnis" von ihm zu erzwingen. Das Gericht ordnete keine Ermittlungen zu den von ihm erhobenen Foltervorwürfen an.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Durch Gesetzesänderungen im April 2023 wurde häusliche Gewalt erstmals als eigenständiger Straftatbestand in die Gesetzgebung eingeführt. Mit den Änderungen wurden von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern zudem zusätzliche rechtliche Schutzmechanismen zur Verfügung gestellt. Diese wurden allerdings offiziell als Maßnahmen zur "Stärkung der Institution Familie" deklariert und dadurch ausgehöhlt, dass Staatsvertreter*innen die Versöhnung und Wiederzusammenführung von Familien vor den Schutz der Rechte von Frauen und Kindern stellten.
Im September berichtete der Ausschuss für Familien und Frauen, dass das Innenministerium 21.871 Schutzanordnungen für Frauen ausgestellt habe, die zwischen Januar und August 2023 Gewalt oder Missbrauch erfahren hatten. Die meisten Fälle endeten mit einer Versöhnung der Beteiligten, auch 84,7 Prozent der Fälle, in denen Schutzanordnungen wegen häuslicher Gewalt ausgestellt worden waren.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
Der Entwurf für das neue Strafgesetzbuch enthielt weiterhin einen Paragrafen, der einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Männern unter Strafe stellte. Bei seinem Besuch im März 2023 forderte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die usbekischen Behörden auf, diesen Paragrafen zu streichen.
Usbekistan akzeptierte alle Empfehlungen vonseiten anderer Staaten, die im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung seiner Menschenrechtsbilanz im November 2023 gegeben worden waren mit Ausnahme jener, die sich auf die Rechte von LGBTI+ bezogen. Die Regierung führte "allgemein akzeptierte Normen" als Grund für die Ablehnung der Empfehlungen mit LGBTI-Bezug an.
Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit
Die usbekischen Behörden schränkten die Ausübung der Religionsfreiheit nach wie vor ein, obwohl sie wiederholt zugesagt hatten, die Einschränkungen aufzuheben und das Religionsgesetz von 2021 zu überarbeiten.
Die Behörden verfolgten gläubige Muslim*innen auch 2023 mithilfe zu weit gefasster und vage formulierter "Extremismus"-Anklagen und ermittelten nicht zu von ihnen erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfen. Der Student Sardor Rakhmankulov wurde im Januar 2023 zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er über die Sozialen Medien ein Lied mit islamisch-religiösem Inhalt geteilt hatte. Vor Gericht gab er an, dass Polizisten ihm mit einer Plastiktüte die Luft abgeschnürt und ihm abwechselnd Tritte versetzt hätten. Ein Berufungsgericht ging auf seine Foltervorwürfe nicht ein.
Arbeitnehmer*innenrechte
Im August 2023 erhoben die NGO CEEBankwatch Network und das Usbekische Forum für Menschenrechte Beschwerde gegen die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Die beim Unabhängigen Mechanismus für Projektverantwortung der Bank eingereichte Beschwerde bezog sich darauf, dass die Bank Bedenken wegen rechtswidriger Beschlagnahmungen von Land, ausbeuterischen Verträgen und Massenentlassungen bei Indorama Agro, einem der größten privaten Baumwollproduzenten Usbekistans, vor der Freigabe von Geldern nicht nachgegangen war. Die Firmenleitung hatte aktiv versucht, die Gewerkschaft der Beschäftigten von Indorama aufzulösen, die einzige unabhängige Gewerkschaft im Land.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Der usbekische Energiesektor war noch immer weitgehend von fossilen Brennstoffen abhängig und subventionierte deren Nutzung nach wie vor stark. Im Oktober 2023 unterzeichnete die Regierung ein Abkommen mit der Weltbank, um nationale Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen zu finanzieren, u. a. eine Reform der Subventionen und Transaktionen auf dem Kohlenstoffmarkt.
Die Luftverschmutzung in den großen Ballungsräumen, die vor allem auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe für die Energiegewinnung und den Transport zurückzuführen war, erreichte regelmäßig gefährliche Werte. Untersuchungen der Weltbank und des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung ergaben, dass die Sterblichkeit, die auf Luftverschmutzung durch Schwebstoffe zurückzuführen war (ein Phänomen, das durch die fortschreitende Wüstenbildung noch verschlimmert wurde), wirtschaftliche Verluste im Umfang von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts verursachte.