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USA 2022
- Sexuelle und reproduktive Rechte
- Geschlechtsspezifische Gewalt
- Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
- Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
- Recht auf Versammlungsfreiheit
- Exzessive Gewaltanwendung
- Todesstrafe
- Willkürliche Inhaftierungen
- Folter und andere Misshandlungen
- Recht auf Leben und Sicherheit der Person
- Außergerichtliche Hinrichtungen
- Klimakrise und Umweltzerstörung
- Recht auf Wasser und Sanitärversorgung
- Veröffentlichung von Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022
Die USA nahmen 2022 ihre Zusammenarbeit mit internationalen Menschenrechtsinstitutionen nach langer Pause wieder auf. So überprüfte der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung das Land erstmals seit 2014. In seinen abschließenden Bemerkungen bemängelte der Ausschuss unzureichende Fortschritte bei der Bekämpfung von Hassverbrechen, Waffengewalt, übermäßiger Polizeigewalt und Gewalt gegen Frauen. Gerichte schränkten den Schutz der Menschenrechte ein, indem sie das zuvor gesetzlich verankerte Recht auf Schwangerschaftsabbrüche kippten, Waffengesetze lockerten und die Regierung daran hinderten, die Abschiebung von Asylsuchenden an der Grenze zu Mexiko zu beenden.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Im Juni 2022 kippte der Oberste Gerichtshof der USA das Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973 im Fall Roe gegen Wade. Das Gericht hob damit den gesetzlich verankerten Schutz des Rechts auf einen Schwangerschaftsabbruch auf und machte eine Rechtsprechung rückgängig, die fast 50 Jahre lang gegolten hatte. Viele Bundesstaaten führten nach dem Urteil umgehend neue Gesetze ein, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen stark einschränkten oder den Eingriff ganz verboten. In mindestens einem Bundesstaat wurde in der Folge eine Frau festgenommen und strafrechtlich verfolgt, die bei einem privat vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch Unterstützung geleistet hatte.
Mehrere Bundesstaaten verabschiedeten Gesetze, um das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch zu schützen und den Zugang zu erleichtern. Präsident Biden ergriff verschiedene Maßnahmen zum Schutz der reproduktiven Rechte. So unterzeichnete er im Juli und August 2022 Dekrete, die u. a. medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche leichter zugänglich machen und es Frauen erleichtern, in andere Bundesstaaten zu reisen, um dort Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen. Im US-Bundesstaat Kansas votierten die Wahlberechtigten bei einem Referendum im August mit großer Mehrheit gegen eine Einschränkung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen. Es war die erste diesbezügliche Abstimmung nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs. Bei Referenden, die im November parallel zu den Kongresswahlen stattfanden, stimmten die Wahlberechtigten in Kalifornien, Michigan und Vermont dafür, das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in ihren jeweiligen bundesstaatlichen Verfassungen zu verankern. In Kentucky und Montana lehnten die Wähler*innen weitere Einschränkungen bei Schwangerschaftsabbrüchen ab.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Indigene Frauen wurden auch 2022 unverhältnismäßig häufig Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen sexualisierter Gewalt und erhielten nach solchen Taten keine medizinische Versorgung. Darüber hinaus waren sie weiterhin in hohem Maße von Verschwindenlassen und Mord betroffen. Die genaue Zahl indigener Frauen, die Gewalt erlitten oder dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen, war immer noch unbekannt, weil die US-Regierung keine Daten erhob und nicht ausreichend mit den indigenen Selbstverwaltungen zusammenarbeitete.
Das wichtigste Gesetz, um Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu finanzieren (Violence Against Women Act), wurde vom Kongress erneut gebilligt und von Präsident Biden unterzeichnet, nachdem es zuvor ausgesetzt gewesen war. Es enthält neue Bestimmungen, wonach in Fällen sexualisierter Gewalt gegen indigene Frauen Gerichte der indigenen Selbstverwaltung unter bestimmten Umständen auch für die Strafverfolgung nicht indigener Täter zuständig sein können. In 96 Prozent der Fälle, in denen indigene Frauen sexualisierte Gewalt erlebt hatten, war mindestens ein Täter nicht indigen. Dennoch hinderte das geltende US-Recht die lokalen indigenen Selbstverwaltungen weitgehend daran, diese Fälle strafrechtlich zu verfolgen, was faktisch dazu führte, dass nicht indigene Täter nie vor Gericht gestellt wurden.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
Die Regierung Biden wies die Bundesbehörden an, den Zugang von LGBTI-Familien und -Kindern zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen, gegen die Auswirkungen bundesstaatlicher Gesetze vorzugehen, die sich gegen LGBTI-Schüler*innen richten, und eine Initiative gegen "Konversionstherapien" zu starten, um das Risiko zu reduzieren, dass diese angewandt werden. Darüber hinaus gab das Außenministerium bekannt, dass Inhaber*innen von US-Reisepässen ihr Geschlecht künftig selbst wählen können, ohne medizinische Unterlagen vorlegen zu müssen, und dass sie als Geschlecht "X" angeben können. Im Dezember 2022 trat mit dem Respect for Marriage Act ein bundesweites Gesetz in Kraft, das die Bundesstaaten dazu verpflichtet, alle Ehen, die legal geschlossen wurden, anzuerkennen, auch gleichgeschlechtliche Ehen.
Einige Bundesstaaten führten weiterhin sehr viele Gesetze ein, die sich gegen LGBTI+ richteten. So wurde in Florida ein Gesetz verabschiedet, das vom Kindergarten bis zur dritten Klasse – also für unter zehnjährige Kinder – jegliche Unterweisung oder Diskussion über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität verbietet. Darüber hinaus wurden in verschiedenen Bundesstaaten Dutzende von Gesetzentwürfen eingebracht, die darauf abzielten, den Zugang zu gender-bestätigender Gesundheitsversorgung ("gender-affirming healthcare") für trans Jugendliche einzuschränken. Arizona verabschiedete ein Gesetz, das gender-bestätigende operative Eingriffe vor dem 18. Lebensjahr verbietet. Der Oberste Gerichtshof von Texas sprach der Kinderschutzbehörde des Bundesstaats das Recht zu, bei gender-bestätigender Gesundheitsversorgung für trans Jugendliche wegen Kindesmissbrauch zu ermitteln.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Die sogenannten Migrant*innenschutzprotokolle (Migrant Protection Protocols – MPP) und die während der Coronapandemie erlassene Richtlinie Title 42 schränkten den Zugang zu Asyl an der Grenze zwischen Mexiko und den USA auch 2022 weiterhin drastisch ein. Die Regierung Biden versuchte beide Regelungen zu beenden, doch blieben sie auf Anordnung der Bundesgerichte das gesamte Jahr über in Kraft. Die Regelungen fügten Zehntausenden von Asylsuchenden irreparablen Schaden zu, weil diese durch ihre Abschiebung nach Mexiko oder in ihre Herkunftsländer in Gefahr gerieten. Die Richtlinie Title 42 ließ weder den Zugang zum Asylverfahren noch eine individuelle Risikobewertung zu, und die Migrant*innenschutzprotokolle zwangen Asylsuchende, ihr Verfahren von Mexiko aus zu betreiben.
Die US-Behörden inhaftierten Asylsuchende aus Haiti willkürlich und misshandelten sie in diskriminierender und erniedrigender Weise, die Folter gleichkam. Diese war rassistisch und migrationsfeindlich motiviert und gründete in der systemischen Diskriminierung Schwarzer Menschen.
Die US-Regierung gewährte Staatsangehörigen aus Kamerun, Äthiopien, dem Sudan, Südsudan und der Ukraine vorübergehenden Schutz. Außerdem führte sie ein Pilotprogramm für private Patenschaften ein, das es Kommunen ermöglicht, Flüchtlinge über das US Refugee Admissions Program direkt aufzunehmen.
Ende 2022 hatte der Kongress noch nicht über ein Gesetz beraten, das afghanischen Staatsangehörigen, die aus ihrem Heimatland evakuiert worden waren, einen dauerhaften Aufenthalt in den USA ermöglichen sollte (Afghan Adjustment Act). Stattdessen genossen sie nur vorübergehenden Schutz aus humanitären Gründen und befanden sich in einer prekären Lage.
Die Behörden setzten die willkürliche, massenhafte Inhaftierung von Migrant*innen 2022 systematisch fort und stellten genügend Mittel bereit, um täglich 34.000 Personen inhaftieren zu können. Die Inhaftierung der Schutzsuchenden in privaten Gefängnissen war für deren Betreiber ein milliardenschweres Geschäft. Als Alternative zur Inhaftierung wurden elektronische Überwachungstechniken eingesetzt, was bei 285.000 Familien und Einzelpersonen der Fall war.
Recht auf Versammlungsfreiheit
Der Tod des Schwarzen Jayland Walker, der im Juni 2022 in Akron (Ohio) von der Polizei mit 46 Schüssen getötet wurde, löste Proteste aus, bei denen mehr als 75 Demonstrierende festgenommen wurden. Lokale Organisator*innen und Aktivist*innen hielten Kundgebungen und andere Veranstaltungen ab, auf denen sie forderten, die Polizei zur Rechenschaft zu ziehen. Die örtlichen Behörden verhängten nach Jayland Walkers Tod eine zweiwöchige Ausgangssperre über die Innenstadt von Akron.
In mindestens elf Bundesstaaten und auf Bundesebene wurden 2022 mindestens 16 Gesetzentwürfe eingebracht, die darauf abzielten, die Versammlungsfreiheit einzuschränken. In zwei Bundesstaaten verabschiedeten die Parlamente entsprechende Gesetze. Zu den vorgeschlagenen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit auf Bundesebene zählte die Einführung eines neuen Straftatbestands "Blockieren eines durch mehrere Bundesstaaten verlaufenden Highways bei einer Protestaktion". Auf bundesstaatlicher Ebene wurden höhere Strafen für zivilen Ungehorsam im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten wie Pipelines, für Straßenblockaden und für die Verunstaltung von Denkmälern bzw. öffentlichem Eigentum vorgeschlagen.
Exzessive Gewaltanwendung
Die Polizei tötete 2022 durch Schusswaffeneinsatz mindestens 1.093 Menschen. Die begrenzten öffentlich zugänglichen Daten legten nahe, dass Schwarze Menschen unverhältnismäßig oft Opfer tödlicher Polizeigewalt wurden.
Das US-Justizministerium dokumentierte die Zahl der in Gewahrsam gestorbenen Personen nicht genau, obwohl ein Gesetz aus dem Jahr 2013 (Death in Custody Reporting Act) dies vorschreibt. Aus einer parlamentarischen Untersuchung ging hervor, dass im Haushaltsjahr 2021 die Zahl der Todesfälle in Gewahrsam und bei Festnahmen um 990 Personen höher lag als zunächst vom Justizministerium angegeben.
Der US-Senat befasste sich 2022 nicht mit dem George Floyd Justice in Policing Act, den das Repräsentantenhaus 2021 gebilligt hatte. Der Gesetzentwurf umfasste zahlreiche Maßnahmen zur Polizeiarbeit und zur Rechenschaftspflicht der Sicherheitskräfte, die während der massiven Proteste im Jahr 2020 gefordert worden waren.
Der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung äußerte sich bei seiner Überprüfung der USA besorgt über die Anwendung von übermäßiger bzw. tödlicher Polizeigewalt gegen ethnische Minderheiten und die anhaltende Straffreiheit für Verstöße der Polizei. Der Ausschuss empfahl, die auf Bundesebene und in den Bundesstaaten geltenden Gesetze zur Gewaltanwendung durch die Polizei zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie dem Völkerrecht und internationalen Standards entsprechen. Um Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, schlug der Ausschuss vor, unabhängige Kontrollinstanzen zu schaffen bzw. vorhandene auszubauen.
Todesstrafe
In der Legislaturperiode 2021/22 wurden in mehreren Bundesstaaten und auf Bundesebene Gesetzentwürfe zur Abschaffung der Todesstrafe eingebracht, doch wurde keines der vorgeschlagenen Gesetze verabschiedet. Der Gouverneur von Kalifornien unterzeichnete jedoch ein Gesetz (Racial Justice for All Act), das dafür sorgt, dass ein 2020 verabschiedetes Gesetz (Racial Justice Act) auch rückwirkend gilt. Demnach kann eine Person, die wegen einer Straftat angeklagt oder verurteilt wurde, geltend machen, dass in ihrem Verfahren rassistische Vorurteile eine Rolle spielten. Dies könnte einigen der 682 Menschen zugutekommen, die sich 2022 in kalifornischen Todestrakten befanden.
Im Juli 2022 legte das Berufungsgericht von Oklahoma für 25 der 43 Personen, die in den Todestrakten des Bundesstaats saßen, die Hinrichtungstermine fest. Der Plan sah von August 2022 bis Dezember 2024 fast jeden Monat eine Hinrichtung vor. Oklahoma würde damit 58 Prozent der Todeskandidat*innen des Staates hinrichten. Alabama und South Carolina bemühten sich erneut um die Wiedereinführung von Hinrichtungsmethoden, die nach internationalen Standards als grausam gelten, wie z. B. Gaskammern oder Erschießungskommandos.
Willkürliche Inhaftierungen
Unter Verstoß gegen das Völkerrecht hielt das US-Militär 2022 weiterhin 35 muslimische Männer willkürlich und auf unbestimmte Zeit auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba fest. Trotz der erklärten Absicht der Regierung Biden, das Gefangenenlager zu schließen, gab es diesbezüglich kaum Fortschritte.
Das Regelmäßige Überprüfungsgremium (Periodic Review Board) genehmigte 2022 die Verlegung von neun in Guantánamo Bay inhaftierten Gefangenen. Damit stieg die Zahl derjenigen, deren Verlegung vorgesehen, aber immer noch nicht erfolgt war, auf 20. Einige von ihnen warteten schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf ihre Verlegung. Ein weiterer Gefangener, der sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen bekannt und seine Strafe verbüßt hatte, blieb ebenfalls weiter in Haft. Drei Häftlinge wurden 2022 aus Guantánamo verlegt. Keiner der verbliebenen Gefangenen hatte Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung, und diejenigen, die Folter und andere Misshandlungen durch US-Militärangehörige überlebt hatten, erhielten keinen Zugang zu angemessenen Rehabilitationsmaßnahmen.
Zehn Männer waren weiterhin vor einer Militärkommission angeklagt, was gegen internationales Recht und die Standards für faire Verfahren verstieß. Im Fall einer Verurteilung drohte ihnen die Todesstrafe. Sollte diese in einem Verfahren verhängt werden, das nicht den internationalen Standards entspricht, käme dies einem willkürlichen Entzug des Lebens gleich.
Die Prozesse gegen die Männer, die im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 angeklagt waren, kamen auch 2022 nicht voran, nachdem sie in den vergangenen Jahren immer wieder ausgesetzt worden waren. Die Staatsanwält*innen der Militärkommissionen versuchten mit einigen der Angeklagten Vereinbarungen über Schuldeingeständnisse zu treffen.
Folter und andere Misshandlungen
Mehr als ein Jahrzehnt nach dem geheimen Inhaftierungs- und Verhörprogramm der CIA, das von 2001 bis 2009 autorisiert war, war immer noch niemand für die völkerrechtlichen Verbrechen und systematischen Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und andere Misshandlungen sowie Verschwindenlassen, zur Rechenschaft gezogen worden. Der Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats über die CIA-Folter blieb auch mehrere Jahre nach dem Abschluss der begrenzten Ermittlungen zu diesen Straftaten, die ohne Anklageerhebung endeten, weiter unter Verschluss.
Recht auf Leben und Sicherheit der Person
Waffengewalt war im ganzen Land nach wie vor weit verbreitet. Laut Angaben der Behörden, die auf ersten offiziellen Schätzungen basierten, kamen im Jahr 2021 fast 49.000 Menschen durch Waffengewalt zu Tode. Die Zahl der Todesfälle durch Schusswaffen, die seit der Coronapandemie deutlich angestiegen war, kletterte somit weiter nach oben. In den 40 Jahren seit Beginn dieser Statistik war Waffengewalt erstmals die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen.
Der zunehmend unregulierte Erwerb und Besitz von Schusswaffen führte in Verbindung mit wachsendem politischem Extremismus und Rassismus zu einer Reihe von Amokläufen. Im Mai 2022 tötete ein 18-Jähriger bei einem Angriff auf einen Supermarkt in einem überwiegend von Schwarzen bewohnten Stadtteil von Buffalo (New York) zehn Menschen. Einige Wochen danach erschoss ein 18-Jähriger in einer Grundschule im texanischen Uvalde 19 Kinder und zwei Lehrerinnen. Im Juli eröffnete ein 21-Jähriger das Feuer auf eine Menschenmenge, die in Highland Park (Illinois) den Unabhängigkeitstag feierte, und tötete dabei sieben Menschen.
Im Juni 2022 fällte der Oberste Gerichtshof erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt ein Urteil zum Waffenrecht. Er kippte das im Bundesstaat New York seit über 100 Jahren geltende Gesetz, wonach das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit eine Erlaubnis erfordert. Ähnliche Gesetze in sieben anderen bevölkerungsreichen Bundesstaaten könnten damit ebenfalls verfassungswidrig sein.
Nach fast 30 Jahren verabschiedete der Kongress 2022 erstmals wieder ein Gesetz bezüglich Erwerb, Besitz und Verwendung von Schusswaffen (Bipartisan Safer Communities Act). Es sieht die Finanzierung staatlicher Maßnahmen zur Krisenintervention und lokaler Programme gegen Waffengewalt sowie einen besseren Schutz von Überlebenden häuslicher Gewalt vor. Waffenkäufer*innen unter 21 Jahren sollen intensiver überprüft werden. Illegaler Waffenhandel sowie Waffenkäufe durch Strohmänner (im Auftrag einer Person, die dies nicht legal tun kann oder nicht damit in Verbindung gebracht werden will) sind künftig auf Bundesebene Straftatbestände. Das Gesetz stellte zwar einen gewissen Fortschritt dar, doch enthält es keine grundlegenden Sicherheitsvorkehrungen für Schusswaffen, wie z. B. eine generelle Kontrolle von Personen, die Schusswaffen kaufen wollen, oder das Verbot von Sturmgewehren und Magazinen mit großer Kapazität.
Außergerichtliche Hinrichtungen
Die USA wandten auch 2022 in verschiedenen Ländern tödliche Gewalt an, u. a. mittels bewaffneter Drohnen. Die Regierung veröffentlichte weiterhin keine Informationen über die rechtlichen und politischen Standards und Kriterien, die für die US-Streitkräfte bei der Anwendung tödlicher Gewalt galten. Die Behörden sorgten in Fällen von Tötungen an Zivilpersonen, die in früheren Jahren verübt worden waren, nach wie vor nicht für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Die Regierung Biden begann damit, ihre Politik in Bezug auf den Einsatz tödlicher Gewalt zu überprüfen, und veröffentlichte im September 2022 einen entsprechenden Aktionsplan (Civilian Harm Mitigation Response and Action Plan). Darin wurde das Verteidigungsministerium aufgefordert, Maßnahmen und Verfahren zu entwickeln, um künftig die Zivilbevölkerung besser zu schützen und zivile Schäden gründlicher zu untersuchen. Die Einzelheiten des neuen Vorgehens waren jedoch noch nicht ausgearbeitet. Zudem waren tödliche Angriffe durch die CIA davon ausgenommen.
Die USA hatten zahlreiche Fälle aus früheren Jahren, in denen die Zivilbevölkerung geschädigt worden war, immer noch nicht aufgearbeitet. Nach wie vor leugneten die Behörden gut dokumentierte Todesfälle und Verletzungen von Zivilpersonen sowie andere Schäden, obwohl NGOs eindeutige Beweise vorgelegt hatten.
Im November 2022 unterzeichneten die USA bei einer internationalen Konferenz in der irischen Hauptstadt Dublin gemeinsam mit zahlreichen weiteren Staaten eine internationale politische Erklärung zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Einsatz von Explosivwaffen in Wohngebieten.
Klimakrise und Umweltzerstörung
Im Jahr 2022 bewilligte der Kongress lediglich eine Milliarde US-Dollar für den internationalen Klimaschutz. Dies blieb nicht nur weit hinter den Möglichkeiten und der Verantwortung der USA zurück, sondern auch hinter der Zusage von Präsident Biden. Dieser hatte 2021 versprochen, die USA würden ihren Beitrag bis 2024 auf jährlich 11,4 Mrd. US-Dollar erhöhen.
Im Juli 2022 führten extreme Regenfälle im Osten Kentuckys, einer von Tagebau und Bergbau durch Gipfelabsprengung geprägten Region, zu schweren Überschwemmungen, bei denen mindestens 44 Menschen ums Leben kamen und Tausende obdachlos wurden. Extreme Hitze und anhaltende Trockenheit infolge des Klimawandels sorgten in den USA für die schlimmsten Waldbrände seit mehr als zehn Jahren, vor allem in den westlichen Bundesstaaten. Im September 2022 richtete der Hurrikan Ian im Südwesten Floridas immense Schäden an und kostete mindestens 144 Menschen das Leben. Diese überschwemmungsgefährdete Region war durch die Abholzung von Mangroven und die Verfüllung von Sümpfen erschlossen worden.
Im August 2022 verabschiedete der Kongress mit dem Inflation Reduction Act das umfangreichste Klimagesetz in der Geschichte der USA. Es befasst sich sowohl mit der fossilen Brennstoffindustrie als auch mit grüner Energie. Das Gesetz zielt darauf ab, dass die USA ihre nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions – NDC) zur Emissionssenkung bis 2030 erfüllen. Allerdings reichten die Zusagen nicht aus, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5° C zu begrenzen, und trugen weder der Verantwortung der USA für die Klimakrise noch den Möglichkeiten des Landes zu ihrer Bekämpfung Rechnung. Zudem setzte das Klimagesetz die alten Versteigerungen von Öl- und Gasförderlizenzen auf bundeseigenen Landflächen und im Golf von Mexiko wieder in Gang. Die Biden-Regierung hatte diese beenden wollen, war nun aber gezwungen, auch mehrere neue Auktionen abzuhalten, die im September 2022 begannen.
Recht auf Wasser und Sanitärversorgung
Im August 2022 kam es in Jackson (Mississippi), einer überwiegend von Schwarzen bewohnten Stadt, zu Überschwemmungen. Dabei wurde die städtische Wasseraufbereitungsanlage beschädigt, was dazu führte, dass die etwa 150.000 Einwohner*innen weder Trinkwasser noch ausreichende Sanitärversorgung hatten. Die Stadt hatte in der Vergangenheit keine ausreichenden staatlichen Mittel erhalten, um die jahrzehntelangen Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Wasser anzugehen.