Amnesty Report 28. März 2023

Regionalkapitel Afrika 2022

Eine Gruppe Männer und Frauen trägt ein großes Banner vor sich her bei ihrem Marsch durch die Straßen.

Protestmarsch in der südafrikanischen Stadt Durban für Frauenrechte und gegen Gewalt gegen Frauen am 12. November 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Einleitung

Der Kontinent wurde weiterhin von bewaffneten Konflikten erschüttert und es bestand kaum Aussicht auf Besserung. Doch gab es gewisse Fortschritte bei dem Bemühen, Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, die als völkerrechtliche Verbrechen gelten können, ihr Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung und Rechenschaftspflicht zu gewähren.

Fast alle afrikanischen Länder hatten weiterhin mit den verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie zu kämpfen. Bewaffnete Konflikte, wirtschaftliche Verwerfungen infolge der russischen Invasion in die Ukraine und extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel noch verstärkt wurden, behinderten die Bemühungen um einen Aufschwung. Für Millionen Menschen bedeutete dies, dass ihre Rechte auf Nahrung, Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard ernsthaft gefährdet waren.

Auf dem gesamten Kontinent griffen Regierungen auf eine Reihe von Maßnahmen zurück, um friedlich vorgebrachte Kritik zu unterbinden. So nutzten sie vielerorts die innere Sicherheit oder die Coronapandemie als Vorwand, um das Recht auf Versammlungsfreiheit noch stärker einzuschränken und Proteste zu verbieten, zu unterdrücken oder gewaltsam aufzulösen. Die Behörden beschnitten auch die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit immer weiter, indem sie Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Oppositionelle festnahmen, inhaftierten, strafrechtlich verfolgten und in anderer Weise einschüchterten und schikanierten.

Die Zahl der Menschen, die vor bewaffneten Konflikten und den Auswirkungen der Klimakrise flohen, stieg 2022 weiter an. Die Behörden waren jedoch kaum in der Lage, die grundlegende Versorgung der Flüchtlinge in angemessener Weise zu gewährleisten, weil die internationale Gemeinschaft nicht ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stellte.

Die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen auf dem gesamten Kontinent machte deutlich, dass geschlechtsspezifische Diskriminierung und andere Formen der Ungleichheit tief verwurzelt waren. In einigen Ländern wurden lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) und Personen mit Albinismus nicht vor Diskriminierung und Gewalt geschützt.

Die Gefahr, dass geplante oder bereits bestehende Bergbau- und Infrastrukturprojekte Umweltzerstörungen oder die gewaltsame Vertreibung der örtlichen Bevölkerung nach sich zogen, war weiterhin sehr groß.

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Rechtswidrige Angriffe und Tötungen

Sowohl bewaffnete Gruppen als auch Regierungstruppen verübten gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung und hinterließen eine Spur der Verwüstung und des Todes.

In Burkina Faso griffen die bewaffnete Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime (Jama’at Nusrat al-Islam wal-Muslimin – JNIM) und die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat Provinz Sahel (IS Sahel) Städte und Dörfer an. In der Stadt Djibo zerstörte die JNIM die Wasserinfrastruktur, wovon mehr als 300.000 Einwohner*innen betroffen waren. Mindestens 80 Menschen, überwiegend Zivilpersonen, wurden getötet, als Kämpfer des IS Sahel im Juni in die Stadt Seytenga eindrangen. Die Angreifer gingen von Haus zu Haus und töteten Männer. In Kamerun richteten bewaffnete separatistische Gruppen in den Regionen North-West und South-West ihre Angriffe gegen Menschen, Gesundheitseinrichtungen und Schulen. Bei Überfällen bewaffneter Gruppen auf Dörfer in der Region Extrême-Nord wurden zahlreiche Zivilpersonen getötet und entführt. In der Zentralafrikanischen Republik töteten bewaffnete Gruppen und Regierungstruppen im Februar und März 2022 mindestens 100 Zivilpersonen. Auch im Osten der Demokratischen Republik Kongo nahmen die Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu. Bewaffnete Gruppen töteten hier mehr als 1.800 Zivilpersonen.

In Äthiopien führten gezielte Angriffe von Regierungstruppen und bewaffneten Gruppen auf die Zivilbevölkerung in den Regionen Oromia, Benishangul-Gumuz, Amhara, Tigray und Gambela zu massenhaften Tötungen. In Mali tötete die bewaffnete Gruppe JNIM bei Angriffen auf drei Dörfer im Kreis Bankass im Juni etwa 130 Menschen, die meisten von ihnen Zivilpersonen. In Mosambik weiteten bewaffnete Gruppen, die sich al-Shabaab nannten, ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung von der Provinz Cabo Delgado auf die Provinzen Niassa und Nampula aus (soweit bekannt, besteht zwischen dieser Gruppierung und al-Shabaab in Somalia kein Zusammenhang). Bei einem Angriff auf drei Dörfer in Cabo Delgado im Mai setzten sie Häuser in Brand, plünderten Ernten, enthaupteten zehn Männer und entführten Frauen und Mädchen.

In Nigeria weitete die bewaffnete Gruppe Boko Haram, die bislang hauptsächlich im Nordosten des Landes agiert hatte, ihre Angriffe auf weitere Bundesstaaten im gesamten Norden aus. Boko Haram, die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat Provinz Westafrika und unbekannte Bewaffnete töteten mindestens 6.907 Menschen. In Somalia wurden bei Angriffen auf die Zivilbevölkerung von Februar bis Mai 167 Menschen getötet und 261 weitere verletzt. Für 76 Prozent der Toten und Verletzten war die bewaffnete Gruppe al-Shabaab verantwortlich. Beim verheerendsten Angriff der Gruppe, der dem Bildungsministerium und einem belebten Markt in der Hauptstadt Mogadischu galt, explodierten im Oktober zwei Autobomben und töteten mehr als 100 Menschen.

Zivilpersonen waren auch die Hauptleidtragenden wahlloser Angriffe. In Burkina Faso töteten französische Streitkräfte, die die burkinische Armee unterstützten, im Februar 2022 vier Zivilpersonen bei einem Luftangriff auf die bewaffnete Gruppe Ansaroul Islam. Zahlreiche weitere Zivilpersonen starben bei ähnlichen Luftangriffen der burkinischen Streitkräfte im April und August. In der Zentralafrikanischen Republik wurden bei 40 Vorfällen mit selbst gebauten Sprengsätzen von Januar bis Oktober elf Menschen getötet und 42 verletzt. In Äthiopien töteten Regierungseinheiten bei zahlreichen Luftangriffen auf die Städte Dedebit und Mekelle sowie die Ortschaft Adi Daero in der Region Tigray Hunderte Zivilpersonen; ein Angriff traf einen Kindergarten. In Niger wurden bei einem Luftangriff der nigerianischen Armee in der Grenzregion Maradi im Februar sieben Kinder getötet. Der nigrischen Armee wurde vorgeworfen, im Oktober bei Luftangriffen rechtswidrig Personen getötet zu haben, die in der Nähe von Tamou Gold schürften.

Sexualisierte Gewalt war in bewaffneten Konflikten nach wie vor weit verbreitet, und die Überlebenden wurden mit den psychischen und gesundheitlichen Folgen alleingelassen. Im Südsudan wurden von Februar bis Mai 2022 mehr als 130 Frauen und Mädchen von Einzeltätern oder Gruppen vergewaltigt, als sich Sicherheitskräfte der Regierung und mit ihr verbündete Milizen im Süden des Bundesstaats Unity bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee in Opposition (SPLA-IO) lieferten. Die Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik (MINUSCA) dokumentierte von Juni bis Oktober 47 Fälle von sexualisierter Gewalt in Konflikten. In der Demokratischen Republik Kongo vergewaltigten Mitglieder des Milizenverbands Coopérative pour le développement du Congo bei einem Angriff auf ein Goldgräberdorf in der Provinz Ituri im Mai mindestens sechs Frauen. In Somalia meldeten die Vereinten Nationen für den Zeitraum Februar bis Mai vier Fälle von sexualisierter Gewalt in Verbindung mit Konflikten. In Äthiopien berichteten vier Überlebende aus der Region Afar, tigrayische Kräfte hätten sie vergewaltigt und misshandelt.

Auch Blockaden und Beschränkungen der humanitären Hilfe wurden weiterhin als Kriegstaktik eingesetzt. In Burkina Faso blockierte die bewaffnete Gruppe JNIM nicht nur den Zugang und die Versorgung mehrerer Städte im Norden und Osten des Landes, sondern griff außerdem zivile Versorgungskonvois an, auch solche, die vom Militär eskortiert wurden. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo behinderten Militäroperationen, unablässige Angriffe bewaffneter Gruppen und Maßnahmen, mit denen Regierungstruppen und bewaffnete Gruppen die Bewegungsfreiheit bewusst einschränkten, humanitäre Organisationen und verhinderten, dass die Bevölkerung lebenswichtige Hilfslieferungen erhielt. Die äthiopische Regierung, die zu Beginn des Konflikts im November 2020 die humanitäre Hilfe für die Region Tigray beschränkt hatte, verkündete im März 2022 einen "humanitären Waffenstillstand", der erheblich mehr Hilfslieferungen zuließ. Nach einem Wiederaufflammen der Kämpfe im August wurde die humanitäre Hilfe für die Region Tigray jedoch vollständig eingestellt. Im November wurden die Hilfslieferungen wieder aufgenommen, nachdem die Konfliktparteien in Pretoria ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hatten.

In Mali blockierte die bewaffnete Gruppe Katiba Serma von Mai bis September die Verbindungsstraße zwischen den Städten Boni, Douentza, Hombori und Gossi, was dazu führte, dass Händler*innen auf Militäreskorten angewiesen waren. Im August überfiel Katiba Serma in Hombori 19 mit Waren beladene Lastwagen und zündete sie an.

Alle an bewaffneten Konflikten beteiligten Kräfte müssen die Zivilbevölkerung schützen und gezielte Angriffe auf Zivilpersonen und die zivile Infrastruktur sowie wahllose Angriffe einstellen. Sie müssen außerdem den sicheren und ungehinderten Zugang gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu humanitärer Hilfe ermöglichen.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

In einigen afrikanischen Ländern gab es 2022 gewisse Fortschritte bei der Bekämpfung der Straflosigkeit und in dem Bemühen, Opfern völkerrechtlicher Verbrechen sowie schwerer Menschenrechtsverletzungen und -verstöße ihr Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zuteilwerden zu lassen.

Im März lieferten die tschadischen Behörden den Anführer der Anti-Balaka-Milizen Maxime Jeoffroy Eli Mokom Gawaka an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) aus, der ihn wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt hatte, die in den Jahren 2013 und 2014 in der Zentralafrikanischen Republik verübt worden waren.

Im Mai nahmen die niederländischen Behörden einen ehemaligen ruandischen Armeeangehörigen fest, der im Verdacht stand, an einem Massaker beteiligt gewesen zu sein, das während des Völkermords 1994 in der ruandischen Stadt Mugina an Tutsi verübt wurde.

Vor dem IStGH begann im April 2022 der Prozess gegen Ali Muhammad Ali Abd-Al-Rahman wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Region Darfur im Sudan und im September der Prozess gegen Mahamat Said, einen mutmaßlichen Befehlshaber der bewaffneten Gruppe Séléka in der Zentralafrikanischen Republik.

In der Zentralafrikanischen Republik selbst wurden vor dem Schwurgericht der Hauptstadt Bangui und vor dem Sondergericht weitere Prozesse eröffnet, die Verbrechen bewaffneter Gruppen betrafen. Im Südsudan befand ein Militärgericht in Yei acht Soldaten wegen Vergewaltigung im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt für schuldig. Keine Fortschritte gab es bezüglich der Einrichtung eines Hybrid-Gerichtshofs für den Südsudan, dem internationale und südsudanesische Richter*innen angehören würden.

Die Regierungen müssen ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Straflosigkeit verstärken, indem sie völkerrechtliche Verbrechen gründlich, unabhängig, unparteiisch, wirksam und transparent untersuchen und mutmaßlich Verantwortliche in fairen Verfahren vor Zivilgerichte stellen.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Recht auf Nahrung

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine brachte die Weizenlieferungen, auf die viele afrikanische Länder angewiesen waren, 2022 zum Erliegen. Gleichzeitig führten steigende Kraftstoffpreise, die ebenfalls auf den Krieg in Europa zurückzuführen waren, zu einem erheblichen Anstieg der Lebensmittelpreise. Dies traf vor allem diejenigen Menschen, die ohnehin bereits an den Rand der Gesellschaft gedrängt und von Diskriminierung betroffen waren. Die schwierige Ernährungssituation wurde noch verschärft durch Dürren, die in mehreren afrikanischen Ländern beispiellose Ausmaße annahmen.

Große Teile der Bevölkerung litten unter akutem Hunger und einem Mangel an Lebensmitteln, u. a. in Angola, Burkina Faso, Kenia, Madagaskar, Niger, Somalia, im Südsudan, Sudan, Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Die Ernährungssituation in den angolanischen Provinzen Cunene, Huíla und Namibe zählte zu den schlimmsten weltweit. In einigen Gegenden mussten Erwachsene und Kinder Grashalme essen, um zu überleben. In Burkina Faso hatten nach Schätzungen des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten im September 4,9 Millionen Menschen nicht genügend Nahrungsmittel, darunter viele Binnenvertriebene, die aufgrund bewaffneter Konflikte aus ihrer Heimat geflohen waren.

Vertreibungen infolge bewaffneter Konflikte verschärften auch die Situation in Niger, wo 4,4 Millionen Menschen und damit etwa 20 Prozent der Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit betroffen waren. In der Zentralafrikanischen Republik war die Ernährung von 50 Prozent der Bevölkerung nicht sichergestellt, in einigen Regionen waren es sogar 75 Prozent. In Somalia war die Hälfte der Bevölkerung von akuter Unterernährung betroffen. Mehr als 3 Millionen Nutztiere, die für den Lebensunterhalt der traditionellen Viehzüchter*innen unerlässlich waren, verendeten größtenteils aufgrund der Dürre. Auch in Angola gab es infolge der Dürre massive Viehverluste.
Recht auf Gesundheit

Während die Auswirkungen der Coronapandemie 2022 abflauten, gab es in mehreren Ländern neue Krankheitsausbrüche oder Epidemien. So meldete Uganda im September einen Ausbruch von Ebola, der zum Tod von 56 Menschen führte.

In der Republik Kongo kostete eine Masernepidemie im Departement Pointe-Noire 112 Kindern das Leben. In Simbabwe starben mehr als 750 Kinder unter fünf Jahren an Masern, als sich ein Ausbruch im Distrikt Mutasa auf andere Gebiete ausbreitete. In Kamerun wurden sieben Regionen von einer Choleraepidemie heimgesucht, die zum Tod von 298 Menschen führte. Im Gefängnis New Bell in Douala starben bei zwei Choleraausbrüchen mindestens 16 Häftlinge. Einer der Toten war Rodrigue Ndagueho Koufet, der seit September 2020 willkürlich inhaftiert war, weil er an einer friedlichen Protestveranstaltung teilgenommen hatte. In Malawi starben 576 Menschen bei einer Choleraepidemie, die 26 der 28 Bezirke des Landes erfasste.

In mehreren Ländern waren extreme Wetterereignisse der Grund für Krankheitsausbrüche. In Nigeria brachen nach Überschwemmungen wasserbürtige Krankheiten wie z. B. Cholera aus, die in den Bundesstaaten Yobe, Borno und Adamawa mehr als 320 Menschen das Leben kosteten. In Somalia führte eine schwere Dürre zu einem sprunghaften Anstieg der Fälle von Unterernährung. Gleichzeitig nahmen dort nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation Verdachtsfälle von Cholera und Masern im Vergleich zu den Vorjahren stark zu.

Recht auf Wohnen

Rechtswidrige Zwangsräumungen stellten auf dem afrikanischen Kontinent nach wie vor ein großes Problem dar.

Im Süden Angolas wurde erneut gemeinschaftlich bewirtschaftetes Weideland zugunsten kommerzieller Viehzucht enteignet. So unternahm die Polizei im Oktober 2022 eine Razzia, die die Mucubai-Gemeinschaft von ihrem Land in der Gegend von Ndamba am Rande von Moçâmedes (Provinz Namibe) vertreiben sollte, damit das Land leichter an einen kommerziellen Viehzüchter übertragen werden konnte. Dabei setzte die Polizei 16 Häuser und privates Eigentum der Betroffenen in Brand.

In Tansania vertrieben die Behörden Angehörige der indigenen Massai-Gemeinschaft rechtswidrig von ihrem angestammten Land im Bezirk Loliondo (Region Arusha), um Platz zu schaffen für ein Safaritourismus-Projekt. Die Behörden hatten die Massai im Vorfeld weder angemessen konsultiert noch rechtzeitig informiert und ihnen auch keine Entschädigungen angeboten.

In Städten und Ballungszentren konzentrierten sich die rechtswidrigen Zwangsräumungen auf informelle Siedlungen. In Ghana ließ der Regionalminister des Großraums Accra im Juni mehrere Hundert Häuser einer informellen Siedlung in Frafraha, einem Stadtteil der Hauptstadt, abreißen, die auf einem Grundstück des Rats für wissenschaftliche und industrielle Forschung standen. Die Bewohner*innen wurden erst 48 Stunden vor der Zwangsräumung benachrichtigt. In Nigeria rissen Sicherheitskräfte des Hauptstadtterritoriums im August in der Gemeinde Dubaidna Durumi 3 rund 100 Häuser ab. Dabei griffen die Sicherheitskräfte die Bewohner*innen tätlich an und setzten Tränengas ein, was dazu führte, dass zwei Kinder ohnmächtig wurden. In Sambia ließ der Stadtrat von Chingola mehr als 300 Häuser abreißen, die auf Grundstücken nahe dem Flughafen Kasompe im Bezirk Chingola errichtet worden waren.

Die Regierungen müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um die Rechte auf Nahrung, Gesundheit und Wohnen zu gewährleisten, gegebenenfalls auch mithilfe internationaler Zusammenarbeit und Unterstützung. Außerdem müssen sie dafür sorgen, dass diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind.

Anwohner_innen der nigerianischen Stadt Port Harcourt stehen in den Trümmern ihrer Häuser

Menschen stehen in der nigerianischen Stadt Port Harcourt in den Trümmern ihrer Häuser, die bei Zwangsräumungen zerstört wurden (Archivaufnahme).

Unterdrückung Andersdenkender

Recht auf Versammlungsfreiheit

In vielen afrikanischen Ländern schränkten die Behörden das Recht auf Versammlungsfreiheit 2022 noch stärker ein, indem sie die innere Sicherheit oder die Coronapandemie als Vorwand benutzten, um Proteste zu verbieten, zu unterdrücken oder gewaltsam aufzulösen. Dessen ungeachtet bestanden die Menschen darauf, ihr Recht auf Protest wahrzunehmen. An zahlreichen Orten in ganz Afrika gab es große Demonstrationen, die sich u. a. gegen steigende Lebensmittelpreise richteten.

Übermäßige Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte führte zum Tod zahlreicher Demonstrierender, u a. in der Demokratischen Republik Kongo, in Guinea, Kenia, Nigeria, im Senegal, in Sierra Leone, in Somalia, im Sudan und im Tschad. In Sierra Leone wurden bei Protesten im August 27 Personen getötet, im Tschad kamen im Oktober mindestens 50 Demonstrierende zu Tode. In beiden Fällen lagen am Jahresende keine offiziellen Untersuchungsergebnisse zu den Tötungen vor.

Festnahmen und Inhaftierungen von Demonstrierenden waren auf dem gesamten Kontinent weit verbreitet. Dies betraf u. a. unzählige Menschen in Kenia, Sierra Leone und im Südsudan, die gegen steigende Lebenshaltungskosten protestiert hatten. Die sudanesischen Sicherheitskräfte nahmen im Zuge breit angelegter Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher Kritik am Militärputsch von 2021 Hunderte Demonstrierende fest und ließen viele weitere "verschwinden". In Guinea, Senegal und Uganda gingen die Behörden gezielt gegen führende Oppositionelle und Organisator*innen von Protesten vor. Der ugandische Oppositionsführer Kizza Besigye wurde dreimal festgenommen und inhaftiert, weil er gegen Inflation und hohe Lebenshaltungskosten protestiert hatte. Sechs Frauen, die seine Inhaftierung anprangerten, wurden ebenfalls festgenommen und wegen Anstiftung zur Gewalt und Abhaltens einer nicht genehmigten Demonstration angeklagt. In Guinea wurden im Juli Organisator*innen und Teilnehmende einer verbotenen Demonstration strafrechtlich belangt.

Die Behörden in der Demokratischen Republik Kongo, in Guinea, Lesotho, Niger, im Senegal und in weiteren Ländern schränkten das Recht auf Protest durch Demonstrationsverbote massiv ein.

Positiv zu bewerten war hingegen ein Urteil des Gerichtshofs der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, das die senegalesischen Behörden im März anwies, einen Ministerialerlass aus dem Jahr 2011 aufzuheben, der "politische Demonstrationen" im Zentrum der Hauptstadt Dakar untersagt hatte. Nach Ansicht des Gerichts verstieß der Erlass gegen die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Journalisten*innen und Oppositionelle wurden drangsaliert, eingeschüchtert und bedroht, nur weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hatten. In Nigeria verurteilte ein Gericht in der Stadt Kano zwei beliebte Social-Media-Persönlichkeiten unter dem Vorwurf, sie hätten in einem Comedy-Sketch den Gouverneur des Bundesstaats Kano verunglimpft, zu einer Woche Haft, Auspeitschung und einer Geldstrafe. Im Senegal wurden u. a. ein Oppositionsführer und zwei Aktivisten festgenommen und wegen Verleumdung und Verbreitung falscher Nachrichten angeklagt. Im Sudan nahm die Polizei wegen eines Beitrags in den Sozialen Medien über die Rekrutierung von Kindern für die Armee eine Frau im Bundesstaat Süd-Kordofan fest. Sie wurde auf Grundlage des Gesetzes über Internetkriminalität u. a. wegen Veröffentlichung falscher Informationen angeklagt. Der Aktivist und Autor Kakwenza Rukirabashaija floh aus Uganda, nachdem er wegen Twitter-Beiträgen festgenommen worden war, die nach Ansicht der Polizei den Sohn des Präsidenten, Generalleutnant Muhoozi Kainerugaba, beleidigten. In Sambia wurden zwei Männer, denen vorgeworfen wurde, den Präsidenten auf TikTok beleidigt zu haben, zu zwei Jahren Haft mit Zwangsarbeit verurteilt.

Auch Angriffe auf die Medienfreiheit waren weiterhin an der Tagesordnung. Im Sudan und in Uganda durchsuchten Sicherheitskräfte Gebäude von Fernsehsendern. In Ghana, Mali, Nigeria, Somalia und Tansania wurden Medienunternehmen vorübergehend oder endgültig geschlossen, weil sie Berichte veröffentlicht hatten, die nach Ansicht der Behörden kritische oder unvorteilhafte Darstellungen der Regierung enthielten. Auch viele Journalist*innen wurden festgenommen und inhaftiert oder routinemäßig drangsaliert und eingeschüchtert. Die äthiopischen Behörden nahmen mindestens 29 Journalist*innen und Medienschaffende fest und hielten viele von ihnen ohne formelle Anlage in Haft. In Eswatini wurde Zweli Martin Dlamini, Redakteur der Swaziland News, auf Grundlage des Gesetzes zur Terrorismusbekämpfung als Terrorist eingestuft. Ein Gericht in Ghana verurteilte einen Radiomoderator wegen Missachtung des Gerichts zu zwei Wochen Haft und einer Geldstrafe von 3.000 ghanaischen Cedis (etwa 200 Euro), weil er in einem Video den Vorwurf erhoben hatte, Präsident Akufo-Addo habe sich mit Richter*innen abgesprochen, um die Präsidentschaftswahl 2020 zu beeinflussen.

Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Madagaskar, Malawi, Mosambik, Niger, Ruanda, Simbabwe und Somalia unterdrückten die Rechte von Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Im Juni 2022 wurde der 70-jährige Umweltaktivist Henri Rakotoarisoa in Madagaskar erstochen. In Mosambik brachen Unbekannte, die mutmaßlich für den Geheimdienst arbeiteten, in das Büro des Menschenrechtsanwalts João Nhampossa ein und stahlen seinen Computer sowie USB-Sticks, Mobiltelefone und verschiedene Dokumente. Der mosambikanische Menschenrechtsverteidiger Adriano Nuvunga erhielt Morddrohungen.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Auch das Recht auf Vereinigungsfreiheit geriet in Afrika weiter unter Druck, was vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen zu spüren bekamen. So hinderte die Polizei in Angola die Menschenrechtsorganisationen OMUNGA und Associação para Desenvolvimento da Cultura e Direitos Humanos daran, im Vorfeld der Parlamentswahl eine Tagung zur Friedensförderung abzuhalten. In Burundi schritt die Polizei ein, als zivilgesellschaftliche Organisationen im März eine Pressekonferenz veranstalteten. In Guinea lösten die Übergangsbehörden den Front National pour la Défense de la Constitution auf, ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und politischer Parteien, das die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung forderte.

Außerdem traten weitere Gesetze in Kraft, um zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterdrücken und zu kontrollieren. In Niger erließen die Behörden im Februar 2022 ein Dekret, das NGOs verpflichtet, alle ihre Programme und Projekte von der Regierung genehmigen zu lassen. Dem Parlament in Simbabwe lag ein Gesetzentwurf bezüglich privater Freiwilligenorganisationen vor, der die Arbeit und Existenz zivilgesellschaftlicher Organisationen bedrohte.

Die Regierungen müssen die gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen gerichteten Repressalien und Einschüchterungen einstellen, alle gegen sie erhobenen Anklagen fallen lassen und alle, die willkürlich festgenommen oder inhaftiert wurden, unverzüglich und bedingungslos freilassen. Sie müssen die Medienfreiheit respektieren, indem sie u. a. sicherstellen, dass die Medien unabhängig arbeiten können.

Das Bild zeigt eine große Gruppen von Menschen, die gelbe Westen tragen und auf ein Symbol auf ihrer Weste zeigen

Wurden für ihr mutiges Engagement mit dem Amnesty-Menschenrechtspreis 2022 der deutschen Amnesty-Sektion ausgezeichnet: Mitarbeitende des Äthiopischen Menschenrechtsrats EHRCO in ihrem Büro in Addis Abeba (Archivaufnahme vom Januar 2022).

Rechte von Binnenvertriebenen, Flüchtlingen und Migrant*innen

Immer mehr Menschen flohen aufgrund von Konflikten oder Folgen der Klimakrise aus ihrer Heimat.

In der Demokratischen Republik Kongo stieg die Zahl der Binnenvertriebenen im Jahr 2022 um 600.000 auf rund 6 Millionen an und lag damit höher als in jedem anderen afrikanischen Land. In Mosambik ließ die Ausweitung des bewaffneten Konflikts die Zahl der Binnenvertriebenen auf 1,5 Millionen ansteigen. Ihre Lebensbedingungen waren geprägt von unzureichenden Unterkünften, unsicherer Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, Unterernährung und einem hohen Krankheitsrisiko. In Somalia führten Dürre und Konflikte zur Vertreibung von mehr als 1,8 Millionen Menschen.

Uganda war weiterhin das afrikanische Land, das die meisten Flüchtlinge beherbergte. Nachdem 2022 etwa 100.000 weitere Menschen in das Land gekommen waren, lebten dort fast 1,5 Millionen Geflüchtete. Da die internationale Gemeinschaft bis November jedoch nur 45 Prozent der notwendigen Finanzmittel bereitgestellt hatte, konnten die ugandischen Behörden den dringenden Bedarf der Flüchtlinge an Gesundheitsversorgung, Wasser, sanitären Einrichtungen und Bildungseinrichtungen nicht angemessen decken.

Der Sudan nahm weiterhin Geflüchtete aus den Nachbarländern auf; etwa 20.000 kamen aus dem Südsudan und 59.800 aus Äthiopien. Infolge des Ausbleibens von Geldern der internationalen Gemeinschaft sah sich das Welternährungsprogramm gezwungen, die Lebensmittelrationen für Flüchtlinge im Sudan zu kürzen.

Migrant*innen waren mit spezifischen Menschenrechtsverletzungen und -verstößen konfrontiert. So setzten die algerischen Behörden 2022 im Zuge gewaltsamer Abschiebungen Tausende Migrant*innen an einem Ort namens Point Zero an der Grenze zu Niger aus; allein im Zeitraum Januar bis Mai 2022 betraf dies etwa 14.000 Menschen. Im Juni wurden zehn Migrant*innen nahe der Grenze zu Libyen tot aufgefunden. Die Behörden Äquatorialguineas schoben zahlreiche Migrant*innen, die keinen regulären Aufenthaltsstatus hatten, ohne ordnungsgemäßes Verfahren und ohne Zugang zu Rechtsbeiständen in ihre Herkunftsländer ab.

Die Regierungen müssen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz von Flüchtlingen, Migrant*innen und Binnenvertriebenen zu gewährleisten und deren uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe, einschließlich Nahrungsmitteln, Wasser und Unterkünften, sicherzustellen. Außerdem müssen sie rechtswidrige Abschiebungen und Inhaftierungen von Migrant*innen und Flüchtlingen unverzüglich einstellen und deren Schutz gewährleisten. Die internationale Gemeinschaft muss das Problem der fehlenden Mittel beheben, indem sie für eine langfristige, nachhaltige und planbare Finanzierung sorgt, damit die Aufnahmeländer in der Lage sind, den dringenden Bedürfnissen der Flüchtlinge gerecht zu werden.

Diskriminierung und Ausgrenzung

Rechte von Frauen und Mädchen

In Tansania und Äquatorialguinea war schwangeren Mädchen der Schulbesuch weiterhin untersagt. Es war jedoch ein positives Zeichen, dass der Afrikanische Sachverständigenausschuss für die Rechte und das Wohl des Kindes im September 2022 feststellte, die tansanische Politik verstoße gegen die Afrikanische Charta für die Rechte und das Wohl des Kindes, und empfahl, den Ausschluss der Mädchen zu überprüfen. Positiv war auch, dass in Sierra Leone 800 Minderjährige wieder in die Schule gehen durften, darunter auch schwangere Mädchen und Mädchen, die ihren Schulbesuch wegen einer Schwangerschaft abgebrochen hatten.

Geschlechtsspezifische Gewalt war in afrikanischen Ländern noch immer weit verbreitet. In Südafrika wurden im Zeitraum von Juli bis September 989 Frauen ermordet, dies bedeutete einen Anstieg gegenüber demselben Vorjahreszeitraum um 10,3 Prozent; Sexualdelikte nahmen um 11 Prozent zu, Vergewaltigungen um 10,8 Prozent. In Eswatini führte die brutale Ermordung einer Frau durch ihren früheren Partner dazu, dass Frauenrechtsorganisationen ihre Forderung nach der Ausrufung eines nationalen Notstands zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt verstärkten. In Guinea machten Überlebende von Vergewaltigungen weiterhin die Erfahrung, dass es an ausreichenden Präventions- und Schutzmaßnahmen mangelte und medizinische Versorgung, sexuelle und reproduktive Gesundheitsdienste, psychologische Unterstützung sowie rechtliche und soziale Hilfen kaum existierten bzw. schwer zugänglich waren.

Mehrere Länder führten fortschrittliche Gleichstellungsgesetze ein. In der Republik Kongo verabschiedete das Parlament das sogenannte Mouébara-Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt. In Sierra Leone stellte ein Gesetz über Gewohnheitslandrechte Frauen gleich, was den Besitz und die Nutzung von Familiengrundstücken betraf, und ein Gesetz über Geschlechtergleichstellung und Frauenförderung legte fest, dass 30 Prozent aller Stellen in der Regierung für Frauen reserviert sein müssen. In Simbabwe wurden Gesetze zum Verbot von Früh- und Kinderheirat erlassen.

In Madagaskar hingegen lehnte die Präsidentin der Ständigen Kommission der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf ab, der eine Änderung des Strafgesetzbuchs vorsah, um Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren. In Nigeria stimmte das Parlament gegen fünf Gesetzentwürfe, die die Gleichstellung der Geschlechter fördern sollten, und verpflichtete sich erst nach Protesten von Frauengruppen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, drei der Entwürfe erneut zu prüfen. In Ruanda lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf ab, der es erlaubt hätte, Verhütungsmittel an Personen über 15 Jahre abzugeben.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

In vielen afrikanischen Ländern war es gängig, LGBTI+ zu drangsalieren, festzunehmen und strafrechtlich zu verfolgen. In Benin wurde eine trans Frau von ihren Nachbarn sowie Motorradtaxifahrern angegriffen und anschließend auf einer Polizeiwache weiter verprügelt, entkleidet und fotografiert. Sie musste drei Tage nackt und ohne Essen in Haft verbringen, bevor man sie ohne Anklage freiließ. In Sambia hielten Mitglieder der homofeindlichen Bewegung #BanNdevupaNdevu #BanHomosexuality eine Demonstration ab und riefen über WhatsApp dazu auf, der Homosexualität verdächtige Personen gewaltsam anzugreifen und zu töten. In Uganda ordnete die für NGOs zuständige Behörde die Schließung von Sexual Minorities Uganda an, einer Dachorganisation, die sich für die Rechte von LGBTI+ einsetzte.

Mehrere Länder erwogen oder beschlossen neue Maßnahmen, um einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen zu kriminalisieren. Dem Parlament in Ghana lag ein Gesetzentwurf vor, der zum Ziel hatte, LGBTI+ noch stärker zu kriminalisieren. In Äquatorialguinea war ein Gesetz in Arbeit, das Gewalt gegen LGBTI+ implizit weiter Vorschub leisten könnte. Im Senegal lehnte das Parlament hingegen einen Gesetzentwurf ab, der LGBTI+ kriminalisiert hätte. Vor nationalen Gerichten gab es kaum Schutz für LGBTI+.

In Nigeria verurteilte ein Scharia-Gericht in Ningi (Bundesstaat Bauchi) drei schwule Männer zum Tode. In Eswatini bestätigte das Hohe Gericht die Entscheidung des Unternehmensregisteramts, die LGBTI-Gruppe Eswatini Sexual and Gender Minorities nicht als Organisation zu registrieren. Das Hohe Gericht von Namibia wies die Anträge von Ehepartner*innen namibischer Staatsbürger*innen ab, die ihren Aufenthaltsstatus auf Grundlage ihrer im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen regeln wollten. Drei Organisationen, die bei der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker einen Beobachterstatus beantragt hatten, wurden abgewiesen, allem Anschein nach, weil sie sich für die Rechte von LGBTI+ einsetzten.

Menschen mit Albinismus

In Teilen des östlichen und südlichen Afrikas wurden Menschen mit Albinismus auch im Jahr 2022 Opfer gewaltsamer Angriffe und Verstümmelungen, die durch abergläubische Irrtümer über Albinismus motiviert waren. In Madagaskar, wo sich die Zahl der gewaltsamen Angriffe verdoppelte, wurden im Februar und August Kinder mit Albinismus entführt, und im März fand man in der Gemeinde Berano (Bezirk Amboasary Atsimo) die verstümmelte Leiche eines sechsjährigen Jungen. In Sambia wurde im Januar im Dorf Mungwalala (Bezirk Chama, Provinz Eastern) das geschändete Grab eines zwölfjährigen Jungen entdeckt, dem die Hand abgehackt worden war. Im Juni trennten drei Männer einem zehnjährigen Jungen im Bezirk Mkushi (Provinz Central) den Zeigefinger ab.

Die Regierungen müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um Menschen vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen. Dazu zählen auch Maßnahmen, um die Rechte von Frauen und Mädchen auf Gleichberechtigung zu schützen und ihnen ein Leben frei von Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt zu ermöglichen. Dafür müssen die Regierungen u. a. gewährleisten, dass Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt uneingeschränkt Zugang zu sexueller, reproduktiver und sonstiger Gesundheitsfürsorge, zu psychologischer Unterstützung sowie zu rechtlicher und sozialer Hilfe haben.

Klimawandel und Umweltzerstörung

Die Region litt weiterhin unter extremen Wetterereignissen, die durch den Klimawandel noch verschlimmert wurden.

Am Horn von Afrika herrschte die schlimmste Dürre seit 40 Jahren, während in Teilen des südlichen Afrikas extrem viel Regen fiel. In Madagaskar trafen von Januar bis April 2022 sechs tropische Stürme und Wirbelstürme auf Land und kosteten mehr als 200 Menschen das Leben. In der südafrikanischen Provinz Kwazulu-Natal wurden die Auswirkungen von Überschwemmungen, die Tausende Häuser zerstörten, noch durch Versäumnisse der lokalen Behörden bei der Raumplanung und Instandhaltung der Infrastruktur verschlimmert. Die nigerianischen Behörden ergriffen nicht die notwendigen Maßnahmen, um Schäden durch Überschwemmungen zu begrenzen, die mehr als 1,9 Millionen Menschen in 25 Bundesstaaten betrafen und zum Tod von mindestens 500 Menschen führten. Der Anstieg des Meeresspiegels führte im Senegal weiterhin zu Erosionen in Fischerdörfern wie Guet-Ndar in der Region Saint-Louis, bedrohte die Lebensgrundlagen der Menschen und zwang einige Gemeinden, ins Landesinnere umzuziehen.

In mehreren Ländern bestand nach wie vor die große Gefahr, dass geplante oder bestehende Bergbau- und Infrastrukturprojekte Umweltzerstörungen oder die gewaltsame Vertreibung der örtlichen Bevölkerung nach sich ziehen könnten. In Namibia wies das Hohe Gericht einen Eilantrag mehrerer Organisationen ab, die ein kanadisches Bergbauunternehmen daran hindern wollten, seine Explorationsarbeiten in der Kavango-Region fortzusetzen. Tansania und Uganda planten weiterhin den Bau der 1.443 Kilometer langen Ostafrikanischen Rohölpipeline, die durch Siedlungen, Wildnisgebiete, landwirtschaftliche Flächen und Wasserquellen führen würde.

Mehrere Länder ergriffen neue Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise oder zur Bekämpfung der Umweltzerstörung. So wies der Premierminister von Guinea ein Bauxitunternehmen, dem folgenschwere Umweltverschmutzung vorgeworfen wurde, an, internationale Umweltschutzstandards einzuhalten. In Somalia richtete die Regierung ein Ministerium für Umwelt und Klimawandel ein und ernannte einen Sonderbeauftragten des Präsidenten für Dürrebekämpfung. In Südafrika wurde ein Klimaschutzgesetz in das Parlament eingebracht, doch gab es Bedenken, der Entwurf könnte nicht weitreichend genug sein, um den Erfordernissen gerecht zu werden. Im Südsudan ordnete Präsident Kiir Berichten zufolge an, dass sämtliche Ausbaggerungsarbeiten für Gewässerprojekte im Land so lange einzustellen seien, bis eine Bewertung der Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden und Ökosysteme abgeschlossen sei.

Die Regierungen müssen unverzüglich Schritte einleiten, um Einzelpersonen und Gemeinschaften vor den Risiken und Auswirkungen des Klimawandels und extremer Wetterereignisse zu schützen. Sie müssen sich auch um internationale Unterstützung und Zusammenarbeit bemühen, damit ausreichende Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung ergriffen werden können.

Menschen in einem überfüllten Boot

Nach heftigen Überschwemmungen müssen die Menschen in der Region Ahoada im Süden Nigerias zur Fortbewegung Boote nutzen (21. Oktober 2022).

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