Aktuell 05. Juni 2025

Zwischen Anerkennung und Repression: Die Arbeit des Äthiopischen Menschenrechtsrats (EHRCO)

Etwa 14 Menschen sitzen und stehen als Gruppe hinter einem Tisch. Sie haben alle gelbe Warnwesten an.

Mitarbeiter*innen des Äthiopischen Menschenrechtsrates (EHRCO) in ihrem Büro in Addis Abeba (2022)

Sie sind die starken Stimmen der Menschenrechte in Äthiopien. Die Aktivist*innen von EHRCO stehen jenen zur Seite, die von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind oder diese erfahren müssen. Und dies auch unter schwierigsten Umständen. Für den selbstlosen und mit persönlichen Gefahren verbundenen Einsatz hat Amnesty International Deutschland EHRCO mit dem Menschenrechtspreis 2022 ausgezeichnet. 

 

Die wichtigsten Fakten über den Äthiopischen Menschenrechtsrat (EHRCO)

Gründung

Der Äthiopischen Menschenrechtsrat (Ethiopian Human Rights Council, EHRCO) wurde 1991 als unabhängige, gemeinnützige und unparteiische Nichtregierungsorganisation gegründet. Er ist damit die älteste unabhängige Menschenrechtsorganisation des Landes.

Ziel

EHRCO hat es sich zum Ziel gesetzt, die Achtung der Menschenrechte, den Aufbau eines demokratischen Systems und die Rechtsstaatlichkeit in Äthiopien zu fördern.

Arbeitschwerpunkt

Der Schwerpunkt der Organisation ist das Untersuchen von und Berichten über Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien. Darüber hinaus bietet die unabhängige Nichtregierungsorganisation Menschenrechtsbildung für zivilgesellschaftliche Akteur*innen sowie staatliche Vertreter*innen an. Hierzu zählen insbesondere die Polizei, Justiz, Beamt*innen und Gemeindevertretungen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen. 

Repression durch die äthiopische Regierung

Für die Menschenrechtsarbeit ist EHRCO seit der Gründung 1991 regelmäßig mit Repressionen und Schikane konfrontiert: Ihre Konten wurden bereits mehrfach eingefroren. Die Menschenrechtsverteidiger*innen erleben willkürliche Inhaftierungen, Verfolgung und körperliche Gewalt. 1997 wurde das Vorstandsmitglied Assefa Maru sogar getötet.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Repressionen und Schikanen

Für die Aktivist*innen des EHRCOs war Menschenrechtsarbeit über Jahrzehnte nur unter schwierigsten Bedingungen möglich. 

Erst mit dem Amtsantritt des amtierenden Premierministers Abiy Ahmed im Jahr 2018 besserten sich die Arbeitsbedingungen. Doch die Hoffnung auf eine langfristig positive Entwicklung wurde schnell getrübt: Auf den 2020 ausgebrochenen Konflikt in Nordäthiopien reagierte die Regierung landesweit mit Unterdrückung und Gewalt. Und auch nach offizieller Beendigung des Konfliktes (im Jahr 2022) wurde die Meinungs- und Versammlungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. Menschenrechtsorganisationen und Journalist*innen stehen unter Beobachtung. 

EHRCO musste die Außenstelle in der Region Tigray schließen, die Mitarbeitenden müssen in ihren Formulierungen und Handlungen sehr genau prüfen, nicht als Regierungsgegner*innen verstanden zu werden, weil sonst Inhaftierung und weitere Repressionen drohen. Gleichzeitig ist seine unabhängige Menschenrechtsarbeit vor dem Hintergrund der massiven Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raumes unverzichtbar. EHRCO ist die Stimme der Menschenrechte in Äthiopien. 

Video-Datei

EHRCO wurde zeitweise von der äthiopischen Regierung geschlossen 

Die Situation verschärfte sich erneut Ende 2024: EHRCO wurde von der äthiopischen Regierung vom 25. Dezember 2024 bis 3. März 2025 vorläufig suspendiert. Die Behörde für Zivilgesellschaftliche Organisationen warf ihnen Parteilichkeit, Verantwortungslosigkeit, Arbeit gegen nationale Interessen und Beteiligung an Aktivitäten außerhalb ihrer erklärten Zwecke vor. Amnesty International verurteilt diesen Schritt aufs Schärfste. 

Der Vorfall steht im Zusammenhang mit zunehmenden Repressalien gegen unabhängige Menschenrechtsorganisationen in Äthiopien. Die willkürliche Suspendierungswelle Ende 2024, von der neben EHRCO weitere unabhängige Menschrechtsorganisationen betroffen waren, zeigt wie die äthiopische Regierung mit allen Mitteln versucht, Menschenrechtsaktivist*innen zum Schweigen zu bringen. Hinzukommen:

  • willkürliche Verhaftungen
  • Einschüchterungen
  • falsche Anschuldigungen
  • Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen. 

Bereits jetzt haben dutzende Regierungskritiker*innen und Journalist*innen aus Angst vor Verhaftungen und Entführungen das Land verlassen. So auch Dan Yirga, ehemaliger Direktor von EHRCO, der im Sommer 2024 nach monatelanger Verfolgung und Schikanen nach Kenia fliehen musste. 

Das Bild zeigt viele Menschen, die auf einer Bühne stehen und lächeln

Amnesty steht an der Seite der äthiopischen Menschenrechtsverteidiger*innen: Preisverleihung des Amnesty-Menschenrechtspreises an den Äthiopischen Menschenrechtsrat (EHRCO) im Berliner Maxim-Gorki-Theaters (30. Mai 2022).  

Hintergrund: Zunehmende Einschränkung der Zivilgesellschaft in Äthiopien   

Seit dem Jahr 2020 hat die äthiopische Regierung ein Klima der Angst geschaffen. Proteste werden brutal niedergeschlagen, Regierungskritiker*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen wurden zu Tausenden willkürlich inhaftiert. Mehrfach hat die Regierung Ausnahmezustände verhängt und missbraucht, um gegen Oppositionelle vorzugehen.   

Durch die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft hat die äthiopische Regierung freie Hand, um gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen. Seit Nichtverlängerung der vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Untersuchungskommission im Jahr 2023 hat sich die Menschenrechtssituation dramatisch verschlechtert. 

Amnesty International fordert die deutsche Bundesregierung auf:  

  1. die Repressionen gegen EHRCO und andere äthiopische Menschrechtsorganisationen öffentlich zu verurteilen.
  2. sich im UN-Menschenrechtsrat für eine Resolution einzusetzen, die wieder einen UN-Untersuchungsmechanismus etabliert.
  3. die Zusammenarbeit mit Äthiopien anhand von Menschenrechtsstandards zu prüfen  

Amnesty International fordert die äthiopische Regierung auf:  

  1. die Repressionen gegenüber EHRCO, weiteren Menschenrechtsorganisationen, Aktivist*innen und Journalist*innen einzustellen und ihre Sicherheit zu garantieren.
  2. die umfassende und unabhängige Untersuchung aller Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen. Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. 

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