DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Versammlungsfreiheit: Interaktive Karte zeigt Einschränkung von Protest weltweit
Festnahme einer Demonstrantin in Moskau bei Protesten gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine (24. Februar 2022)
© AFP via Getty Images
Weltweit ist ein Anstieg staatlicher Unterdrückung von Protest zu verzeichnen, erklärt Amnesty International anlässlich der Veröffentlichung einer neuen digitalen Weltkarte zum Recht auf Versammlungsfreiheit. Die "Protest Map" zeigt auf, dass Behörden zunehmend unrechtmäßig Gewalt anwenden und repressive Gesetze erlassen, um Proteste niederzuschlagen. Die Online-Karte führt erstmals auch Deutschland als ein Land auf, in dem die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird – durch repressive Gesetze, Polizeigewalt und Versammlungsverbote.
Die "Protest Map" ist hier zu finden. Zu den dazugehörigen Ausführungen zum Stand der Versammlungsfreiheit in Deutschland geht es hier.
Eine neue digitale Karte von Amnesty International zeigt zahlreiche Menschenrechtsverletzungen auf, die an Demonstrierenden weltweit begangen werden. Die "Protest Map" wirft ein Licht auf die schweren Repressionen, denen Demonstrierende auf der ganzen Welt ausgesetzt sind – Protestierende erleben Gewalt, werden willkürlich inhaftiert, gefoltert, misshandelt, Opfer von Verschwindenlassen oder getötet.
Staatliche Behörden haben in mindestens 86 der untersuchten 156 Länder 2022 unrechtmäßige Gewalt gegen friedlich Demonstrierende eingesetzt. In 37 Ländern setzten die Sicherheitskräfte tödliche Waffen ein. Recherchen von Amnesty International zeigen, dass Demonstrierende in 79 der 156 untersuchten Länder willkürlich inhaftiert wurden.
Die interaktive Karte zeigt, in welchen Ländern Sicherheitskräfte Waffen wie Tränengas, Gummigeschosse, Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen, um Demonstrierende zu schikanieren, einzuschüchtern, zu bestrafen oder auseinanderzutreiben und damit ihr Recht auf Versammlungsfreiheit einschränken.
So gingen indische Behörden mit Schusswaffen, Tränengas, Schlagstockeinsätzen, Internetsperren und Zwangsräumungen gegen Protestierende vor. In China riskieren Demonstrant*innen den Verlust ihres Rechts auf Bildung und Wohnung. In Peru haben Sicherheitskräfte vor Kurzem bei Protesten mit unrechtmäßig tödlicher Gewalt reagiert – mit 49 Toten. Im Iran haben die Behörden Hunderte Menschen unrechtmäßig getötet und Zehntausende Menschen, darunter Kinder, willkürlich inhaftiert, um die landesweiten Proteste niederzuschlagen. Zahllose Demonstrierende wurden in Haft gefoltert und anderweitig misshandelt, auch durch sexualisierte Gewalt.
Ein Polizist feuert in der peruanischen Hauptstadt Lima aus nächster Nähe eine Tränengasgranate auf Demonstrierende ab (Aufnahme vom Dezember 2022).
© EFE/Aldair Mejía
Versammlungsfreiheit in Deutschland zunehmend eingeschränkt
Deutschland wird von Amnesty International erstmals als Land gelistet, in dem das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt wird – durch Präventivhaft, Schmerzgriffe, repressive Gesetzgebung und Versammlungsverbote.
Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "In Deutschland werden Proteste von staatlichen Behörden mitunter als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrgenommen und deshalb eingeschränkt. Das bereitet uns große Sorge. Protest wird teils kriminalisiert und dämonisiert, statt ihn als Menschenrecht zu achten und als Kern einer lebendigen Zivilgesellschaft anzuerkennen. Wir appellieren an die Bundes- und Landesregierungen, die Versammlungsfreiheit in Deutschland umfassend zu schützen."
Präventivhaft und Versammlungsverbote
In Deutschland sind zurzeit vor allem Klimaaktivist*innen zunehmenden Repressionen ausgesetzt. So hat die bayerische Polizei seit Oktober 2022 Dutzende Aktivist*innen für bis zu 30 Tage in Präventivhaft genommen – zuletzt im Zusammenhang mit der IAA.
Zimmermann sagt: "Obwohl die Präventivhaft ursprünglich zur Verhinderung schwerer Gewaltdelikte gedacht war, wurde sie in den vergangenen Jahren vor allem zu Abschreckungszwecken gegen Klimaaktivist*innen eingesetzt. Dies umgeht das Recht auf ein faires Verfahren und stellt eine Menschenrechtsverletzung dar."
Einige Städte in Deutschland haben zuletzt versucht, durch präventive Versammlungsverbote Klimaprotest zu unterbinden. Auch wurden in Berlin alle Demonstrationen rund um den Nakba-Gedenktag im Mai 2023 (wie auch schon 2022) untersagt. Diese Versammlungsverbote werden von Amnesty International auch aufgrund ihrer Pauschalität als unverhältnismäßig einstuft.
Exzessive Gewaltanwendung
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Fälle von übermäßiger Polizeigewalt bei Versammlungen gemeldet. So werden beispielsweise sogenannte Schmerzgriffe eingesetzt, um Proteste aufzulösen, insbesondere Straßenblockaden von Klimaaktivist*innen.
Zimmermann sagt: "Schmerzgriffe verstoßen häufig gegen die Verhältnismäßigkeit, vor allem, wenn sie gegen friedlich Protestierende eingesetzt werden, die ohne Weiteres weggetragen werden könnten, um den Protest aufzulösen. In einigen Fällen können diese Techniken sogar eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung darstellen und damit gegen das Folterverbot verstoßen."
Im Januar 2023 wurden bei der Räumung eines Camps von Klimaaktivist*innen in Lützerath Berichte über Polizeigewalt und Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Presserechte bekannt. Ein weiteres Problem ist das polizeiliche Einkesseln von Versammlungsteilnehmer*innen – beispielsweise in Leipzig im Juni 2023, wo rund 1000 Menschen, darunter auch Minderjährige, etwa elf Stunden lang ohne ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und sanitären Einrichtungen von der Polizei festgesetzt wurden.
Protestaktion während des "European Youth Meeting" von Amnesty in Monte Sole in Italien (September 2023)
© Lodovica Monica Negri