Aktuell Ungarn 26. Juni 2025

Ungarns Angriff auf LGBTI-Rechte und die Versammlungsfreiheit

Mehrere Menschen mit Protestplakaten, darunter Regenbogenflaggen

"Hört auf, queeren Menschen ihre Rechte zu nehmen!": Aktivist*innen auf der Budapest Pride-Veranstaltung in Ungarn fordern mehr LGBTI-Rechte (15. Juli 2023).

Die ungarische Regierung geht skrupellos gegen die Versammlungsfreiheit und kritische Stimmen im Land vor. Dazu macht sich Regierungschef Viktor Orbán verschiedene Gesetzesvorhaben zunutze, um Nichtregierungsorganisationen stärker zu kontrollieren und die Rechte der LGBTI-Community im Land zu beschneiden. Amnesty International fordert die ungarische Regierung dazu, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit im Land zu schützen und die Zivilgesellschaft nicht zu kriminalisieren! 

Wer in Ungarn friedlich für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) und somit auch gegen die Regierung demonstrieren will, geht ein hohes Risiko ein: Geldstrafen, Überwachungsmaßnahmen und Repressionen der Polizei sind nur ein Teil der Schikanen, die ungarische Behörden seit dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes im April 2025 gegen friedliche Protestierende auffahren.  

Dieses Gesetz, das vom ungarischen Parlament am 18. März 2025 im Eiltempo verabschiedet wurde, ermöglicht es den ungarischen Behörden, Pride- oder andere LGBTI-Veranstaltungen zu verbieten. Demonstrierende können mit Geldstrafen belegt werden und Organisator*innen können zu einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr verurteilt werden. Außerdem erlaubt das Gesetz den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie zur Identifizierung und Verfolgung der Teilnehmenden.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Doch solche Angriffe auf die Menschenrechte in Ungarn sind nichts Neues: Die ungarische Regierung unter der Führung von Viktor Orbán untergräbt schon seit Jahren systematisch Menschenrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien. Besonders zivilgesellschaftliche Organisationen und marginalisierte Gruppen wie LGBTI+ geraten immer stärker unter Druck.  

Wie schwierig der Einsatz für Gleichberechtigung, Vielfalt oder Meinungsfreiheit in Ungarn ist, zeigt folgendes Beispiel: Weil sich im Jahr 2023 eine Buchhandelskette in Ungarn weigerte, ein LGBTI-Buch für Jugendliche in "blicksichere" Folie zu verpacken, musste sie eine Rekordstrafe von umgerechnet 32.000 Euro zahlen. Grundlage für die Strafe war das sogenannte Propagandagesetz oder "Anti-LGBTI-Gesetz", das die Darstellung von Sexualität, die von der heterosexuellen Norm abweicht, gegenüber Minderjährigen verbietet. 

Gezielte Unterdrückung von LGBTI-Versammlungen 

Doch die ungarische Regierung hat auch grundlegende Freiheitsrechte im Visier – wie die Versammlungsfreiheit: In keinem anderen EU-Land werden LGBTI-Versammlungen so massiv unterdrückt wie in Ungarn. Seit Jahren sind Pride-Veranstaltungen diskriminierenden Einschränkungen und offener Schikane ausgesetzt. Mit dem neuen Gesetz hat sich die Situation weiter verschärft. Behörden untersagen kurzfristig Veranstaltungen, bedrohen Organisierende mit Bußgeldern und können nun auch Überwachungstechnologie gezielt gegen Protestierende einsetzen.  

Mehrere Menschen mit Kisten in Regenbogenfarben, eine Person übergibt eine solche Kiste an zwei Polizeibeamte

"Let Pride March": Dávid Vig, Generalsekretär der ungarischen Amnesty-Sektion, übergibt am 25. Juni 2025 in Budapest eine Petition mit mehr als 120.000 Unterschriften mit der Forderung: Pride-Demonstrationen in Ungarn müssen ungehindert stattfinden dürfen! 

Polizei verbietet Budapest Pride 2025 

Auch die für den 28. Juni 2025 geplante Budapest Pride wurde von der Polizei vorab verboten. Gergely Karácsony, der Bürgermeister der ungarischen Hauptstadt, wehrte sich gegen das Verbot: "Diese Verbotsentscheidung hat keinerlei Bestand", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Er kündigte an, die Pride dennoch als "städtische Veranstaltung" ausrichten zu wollen.

"Seit Jahren versucht die Regierung, sexuelle und geschlechtliche Minderheiten sowie Organisationen und Menschen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen, zu stigmatisieren und mit illegalen Gesetzen das Leben unmöglich zu machen", sagt Dávid Vig, Direktor von Amnesty International in Ungarn. "Wir werden weiterhin an der Seite und im Namen all derer kämpfen, die in einem freien und gleichberechtigten Ungarn leben wollen, in dem Rechte respektiert werden - und natürlich werden wir bei der diesjährigen Budapest Pride dabei sein." 

Das "Propaganda-Gesetz" und seine Folgen für die LGBTI-Community 

Die Grundlage für diese gesetzlichen Schikanen legten die ungarischen Behörden bereits Jahre zuvor. 2021 führte Ungarn das sogenannte "Propaganda-Gesetz" ein. Unter dem Vorwand des Kinderschutzes wird jegliche "Darstellung oder Förderung" von Homosexualität und vielfältigen Geschlechtsidentitäten gegenüber Minderjährigen verboten. Die Realität dahinter: Schon das bloße Erwähnen von queeren Identitäten wird kriminalisiert. 

Amnesty-Video auf YouTube:

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Das "Transparenzgesetz" und die Auswirkungen für Nichtregierungsorganisationen 

Doch damit nicht genug. Neben diesen Gesetzen ist noch eine weitere Regelung in Planung – das sogenannte Transparenzgesetz. Wenn Organisationen sich für Demokratie, Menschenrechte oder Vielfalt einsetzen und dabei angeblich "gegen nationale Werte" arbeiten und die Souveränität Ungarns gefährden, sollen diese laut dem Gesetzesentwurf auf eine schwarze Liste kommen. Die Folge davon wäre, dass ihnen der Zugang zu wichtigen finanziellen Fördermitteln aus dem Ausland blockiert wird, und teure und zeitraubende Bürokratie die Arbeit lähmt. Im schlimmsten Fall könnte die Organisation verboten werden. Am 13. Mai 2025 wurde der Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht. Im Herbst soll darüber abgestimmt werden.  

"Das sogenannte Transparenzgesetz zielt besonders auf Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien ab – also genau jene, die kritische Stimmen bündeln und zivilgesellschaftliches Engagement ermöglichen", sagt Carmen Traute, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland. "Auch hier setzt die ungarische Regierung alles daran, kritische zivilgesellschaftliche Initiativen mundtot zu machen und die letzten Verteidiger*innen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in Ungarn zu beseitigen."   

Ungarns Gesetze verletzen Menschenrechte und verstoßen gegen EU-Recht  

All diese Maßnahmen verstoßen nicht nur gegen grundlegende Menschenrechte – sie stehen auch in krassem Widerspruch zu internationalen und europäischen Menschenrechtsstandards. Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit immer wieder klar gemacht: Ungarns aktuelle Gesetzgebung verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta. Sie untergräbt nicht nur Presse- und Versammlungsfreiheit, sondern diskriminiert gezielt Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. 

Viele Menschen mit bunten Protestplakaten, auf einem steht "Human Rights are my Pride"

Amnesty-Unterstützer*innen bei der Budapest Pride am 23. Juli 2022

Amnesty setzt sich für die Versammlungsfreiheit in Ungarn ein 

Amnesty International fordert die Aufhebung dieser diskriminierenden Gesetze – für uneingeschränkte Versammlungsfreiheit und für ein Ungarn, in dem Respekt, Vielfalt und Menschenwürde zählen. Schluss mit der Kriminalisierung von Protest! Amnesty steht an der Seite der ungarischen Zivilbevölkerung:  

  • Von Anfang an hat sich Amnesty hinter die ungarische Zivilgesellschaft gestellt und die Verbote von LGTBI-Veranstaltungen abgelehnt. 

  • Auch die Amnesty-Jugend der deutsche Amnesty-Sektion ist aktiv: Sie traf sich im September 2024 im Rahmen des European Youth Meeting mit Amnesty-Aktivist*innen aus 17 europäischen Amnesty-Sektionen in Ungarn. Das Ziel: Solidarität im Einsatz für die Menschenrechte in Ungarn.  

  • Am 25. Juni 2025 übergaben Amnesty-Kolleg*innen in Ungarn mehr als 120.000 Unterschriften mit der Forderung: Pride-Demonstrationen müssen stattfinden dürfen. Setze auch du dich dafür ein und unterschreibe den Appell. 

  • Mehr als 70 Delegierte von Amnesty International aus 17 europäischen Sektionen, darunter die Generalsekretärin Agnès Callamard und der stellvertretende Generalsekretär der deutschen Sektion, Christian Mihr, werden am 28. Juni 2025 an der Pride-Veranstaltung in Budapest teilnehmen. 

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