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IMK: Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan stoppen, Rassismus bekämpfen!
Demonstration gegen Rassismus im August 2019 in Dresden
© Amnesty International, Foto: Jarek Godlewski
Amnesty International fordert die Innenministerkonferenz auf, einen Abschiebungsstopp nach Syrien und Afghanistan zu beschließen. Abschiebungen in beide Länder verstoßen gegen das Völkerrecht. Zudem müssen die Innenminister sowie die Innenministerin die Bekämpfung von Rassismus in den Sicherheitsbehörden auf die Tagesordnung der Konferenz setzen. Amnesty International veröffentlicht aus diesem Anlass ein Forderungspapier für eine Polizei, die sich gegen Rassismus einsetzt.
Amnesty International fordert von der Innenministerkonferenz, einen Abschiebungsstopp nach Syrien und Afghanistan zu beschließen. Wie die Menschenrechtsorganisation in ihrem jüngsten Jahresbericht analysiert, hat sich die Sicherheitslage 2020 weder in Syrien noch in Afghanistan verbessert.
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt:
"Die Innenministerkonferenz muss Abschiebungen von Geflüchteten nach Syrien generell aussetzen und alles unterlassen, um Menschen zur Rückkehr zu nötigen. Syrien bleibt ein Land, in dem willkürliche Inhaftierung und Folter durch den Sicherheitsapparat an der Tagesordnung sind. Die Nichtverlängerung des Abschiebungsstopps durch die vergangene Innenministerkonferenz hat begründeterweise unter Syrer_innen in Deutschland Angst und Schrecken ausgelöst. Hier ist das deutliche Zeichen der Innenministerkonferenz nötig, dass die Bundesrepublik Deutschland niemanden in dieses Land abschiebt."
In den angeblich sicheren und befriedeten Gebieten geht die Assad-Regierung weiterhin gegen tatsächliche oder mutmaßliche Oppositionelle und Kritiker_innen vor. Rückkehrer_innen werden von syrischen Sicherheitskräften verhört und einer sogenannten "Sicherheitsüberprüfung" unterzogen, bei der Menschen willkürlich inhaftiert werden. Amnesty International dokumentierte allein 2020 zehntausende Fälle systematischer Folter, außergerichtlicher Hinrichtungen, willkürlicher Festnahmen und gewaltsamen Verschwindenlassens durch syrische Sicherheitskräfte. "Der deutsche Generalbundesanwalt ermittelt zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit wegen der weiter verbreiteten systematischen Verfolgung und Staatsfolter in Syrien. Abschiebungen in dieses Land vorzubereiten, kommt einem geplanten Völkerrechtsbruch gleich", sagt Beeko.
Bereits das zweite Jahr in Folge ist Afghanistan laut Global Peace Index 2020 das am wenigsten friedliche Land der Welt und liegt damit noch hinter Syrien. Der bereits knapp vier Jahrzehnte währende Konflikt dauert unvermindert an. Im ersten Quartal 2021 verzeichnete die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) knapp 1.800 zivile Opfer, darunter 573 Tote. Eine aktuelle Studie von Diakonie und Brot für die Welt belegt, dass ein Großteil der Abgeschobenen sofort nach der Ankunft in Kabul abermals aus dem Land flieht. "Wir fordern die Innenminister und die Innenministerin dazu auf, derzeit niemanden nach Afghanistan abzuschieben", sagt Beeko.
Bekämpfung von Rassismus auf die Agenda setzen
Amnesty International fordert die Innenminister und die Innenministerin zudem dazu auf, die Bekämpfung von Rassismus auf die Agenda der IMK setzen. Beeko sagt: "Die Bekämpfung rassistischer Gewalt ist eine der vorrangigen Fragen der inneren Sicherheit. Konsequente professionelle Polizeiarbeit bei der Bekämpfung von Rassismus müsste für die Innenministerien oberste Priorität haben. Die Lücke in der Tagesordnung spiegelt die politischen Versäumnisse wider: Die Zahl der rassistischen Gewalttaten steigt weiter. Bei Ermittlungen wird immer wieder deutlich, dass nicht alle Polizist_innen ausreichend darin geschult sind, rassistische Taten als solche zu erkennen und aufzuklären sowie Betroffene sensibel zu beraten." Gleichzeitig muss konsequent gegen Rassismus in den Sicherheitsbehörden vorgegangen werden: "Wir brauchen ein klares Bekenntnis zu einer Polizei, die den Schutz aller Bürger_innen vor Rassismus und Diskriminierung als ihre Aufgabe versteht und hierfür geschult und sensibilisiert wird. Die Innenministerkonferenz trägt hierfür die Verantwortung", sagt Markus N. Beeko.
Zuletzt war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen mindestens 20 Polizisten aus dem Frankfurter SEK ermittelt, die in Chatgruppen volksverhetzende Inhalte und Nazi-Symbole geteilt hatten. Die Vorgänge scheinen ein derartiges Ausmaß zu haben, dass der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) ankündigte, das SEK aufzulösen. Markus N. Beeko sagt: "Rassistische und rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf nach innen. Die Innenminister und die Innenministerin müssen sich der Bekämpfung von Rassismus – auch in den eigenen Reihen – als drängender Aufgabe annehmen und dürfen Missstände nicht immer wieder unter den Teppich kehren."
Um die Forderung nach einer Polizei als effektivem Akteur gegen Rassismus zu unterstreichen, veröffentlicht Amnesty International in Deutschland heute unter dem Titel "Einsatzbereit gegen Rassismus" sechs Forderungen:
- Der Bund sowie die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland müssen eine individuelle Kennzeichnungspflicht einführen.
- Bund und Länder müssen verpflichtende Antirassismus-Trainings einführen.
- Unabhängige Studien zu Racial Profiling und rassistischen Einstellungen müssen das Ausmaß des Problems sowie Gegenmaßnahmen ermitteln.
- Für ein konsequentes Vorgehen gegen Rassismus sind anonyme Meldemöglichkeiten für Whistleblower aus der Polizei nötig. Bekanntgewordene Vorfälle müssen schnell und effektiv aufgeklärt und sanktioniert werden.
- Bund und Bundesländer müssen zur Vermeidung von Racial Profiling die Rechtsgrundlagen für anlasslose und verdachtsunabhängige Kontrollen abschaffen.
- Bund und Bundesländer müssen Beschwerde- und Untersuchungsmechanismen für rechtswidriges Polizeiverhalten etablieren, die unabhängig von den Innenbehörden agieren und eigene Ermittlungsbefugnisse haben.