Tag der Menschenrechte: Bundesregierung muss Zivilgesellschaft stärken, statt sie unter Druck zu setzen
© Amnesty International / Jens Liebchen
Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember, an dem sich die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum 77. Mal jährt, weist Amnesty International auf die zunehmende Diffamierung und Delegitimierung zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland hin. Diese reihen sich ein in Angriffe auf unabhängigen Journalismus und die Unabhängigkeit der Justiz.
"Zivilgesellschaftliches Engagement und freie Meinungsäußerung sind nicht nur die Basis freier Gesellschaften, sie gehören auch zu den grundlegenden Menschenrechten. Aktuell werden Organisationen und Initiativen, die sich für Menschenrechte, Chancengleichheit und Vielfalt einsetzen, jedoch unter Generalverdacht gestellt – nicht nur über parlamentarische Anfragen zur Finanzierung von NGOs, sondern auch von der Bundesregierung, die vom Bundesprogramm 'Demokratie leben!' geförderte und bereits umfassend geprüfte Projekte nun noch vom Verfassungsschutz durchleuchten lassen will", sagt Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "Gleichzeitig übernimmt die Bundesregierung menschenrechtsfeindliche Narrative, gießt sie teils in Gesetze, setzt sich über Gerichtsentscheidungen hinweg und diskreditiert friedliche Demonstrierende. Das entspricht autoritären Praktiken, die einzig und allein diejenigen gesellschaftlichen und politischen Akteure stärken, die die vielfältige Gesellschaft in Deutschland ablehnen und abschaffen wollen".
Dies hat reale Folgen. Gewalt insbesondere gegen von Rassismus betroffene Personen, Geflüchtete, Frauen, LBGTI+ und andere marginalisierte Communities ist massiv angestiegen. Genau hier setzen zivilgesellschaftliche Initiativen an: bei der Unterstützung von Betroffenen von menschenverachtender Gewalt online und offline, durch Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus oder Bildungsprojekten an Schulen. Gerade lokale Organisationen bieten in strukturschwachen Gebieten ohne ausreichende öffentliche Angebote oft den letzten Zugang zu Hilfen und gesellschaftlichem Austausch.
Diese werden jedoch auf kommunaler Ebene – beispielsweise im sächsischen Wurzen auch mit Stimmen der CDU – immer häufiger an ihrer Arbeit gehindert. Auch auf Landesebene werden massiv Gelder gekürzt. Das aktuelle Gemeinnützigkeitsrecht führt zusätzlich zu Rechtsunsicherheit, was bewusst ausgenutzt wird. Insbesondere die AfD zeigt Vereine beim Finanzamt an, wodurch der Entzug der Gemeinnützigkeit drohen kann.
"Statt die essenziellen Projekte überall im Land zu stärken und endlich eine langfristige Unterstützung sicherzustellen, trägt die Bundesregierung mit ihrem Vorgehen zu einer weiteren Destabilisierung bei. Es braucht umgehend eine langfristige Finanzierung und Planungssicherheit von zivilgesellschaftlichem Engagement mit gesetzlicher Grundlage. Unter anderem muss die Förderung von Menschenrechten und Demokratie im Gemeinnützigkeitsrecht explizit als gemeinnütziger Zweck anerkannt werden – und es braucht die gesetzliche Klarstellung, dass sich NGOs selbstverständlich an der politischen Willensbildung beteiligen dürfen", sagt Julia Duchrow.