Sudan: Amnesty-Researcher Abdullahi Hassan über die Dokumentation von Kriegsverbrechen
Vor der Gewalt in der sudanesischen Stadt Al-Faschir geflüchtete Menschen suchen Schutz in einem Flüchtlingscamp im Norden des Landes (9. November 2025).
© IMAGO / Anadolu Agency
Amnesty beschäftigt Hunderte engagierter Mitarbeiter*innen, die weltweit Ungerechtigkeiten aufdecken. Einer von ihnen ist Abdullahi Hassan. Er untersucht Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Sudan.
Könnte man den bewaffneten Konflikt im Sudan als einen der schrecklichsten Konflikte unserer Zeit bezeichnen?
Es ist schwer, Tragödien miteinander zu vergleichen. Kein Krieg ist schlimmer als der andere – sie sind alle schrecklich. Aber im Sudan leben 50 Millionen Menschen. Mehr als 30 Millionen benötigen dringend humanitäre Hilfe, die Hälfte davon sind Kinder. Es mangelt an Nahrung und medizinischer Versorgung. 14 Millionen Sudanes*innen wurden vertrieben: etwa zehn Millionen innerhalb des Landes, vier Millionen flohen in Nachbarländer. Das sind erschütternde Zahlen, allein das macht diesen Konflikt zu einem der schlimmsten derzeit. Hinzu kommt, dass die Menschenrechtsverletzungen, die wir dokumentieren, extrem schwerwiegend sind.
Abdullahi Hassan, Researcher von Amnesty International, dokumentiert Kriegsverbrechen im Sudan.
© Amnesty International
Dennoch droht der Sudan vergessen zu werden.
Bislang wurden keine konkreten Maßnahmen ergriffen, um die Gewalt zu beenden – weder von der UNO noch von der EU oder der Afrikanischen Union. Viele afrikanische Länder sind selbst mit Krisen konfrontiert, daher hat die Hilfe für ein anderes Land für die meisten von ihnen keine Priorität. Europa konzentriert sich auf die Ukraine, und in der UNO blockieren Russland und China auf der einen und der Westen auf der anderen Seite Resolutionen im Sicherheitsrat. Die Menschen, die wie die Sudanes*innen in Konfliktgebieten leben, leiden unter diesen politischen Spielchen und der Untätigkeit.
Worin besteht Ihre Arbeit für Amnesty International?
Meine Hauptaufgabe ist, Beweise für Menschenrechtsverletzungen im Sudan zu sammeln. Ich spreche mit Zeug*innen und Opfern und analysiere Informationen, darunter Videos und Bilder. Ich lebe und arbeite in Kenia, reise für meine Recherchen aber regelmäßig. Derzeit ist es schwierig, in den Sudan einzureisen, wegen der Gewalt und weil Ermittler*innen dort nicht willkommen sind. Ich reise deshalb in Nachbarländer, in denen sudanesische Flüchtlinge leben. Durch Interviews mit ihnen erhalten wir Berichte darüber, was sie im Sudan erlebt haben, aus erster Hand. Wir führen auch Ferninterviews mit Überlebenden und Zeug*innen, die noch im Sudan leben.
26. Januar 2024, Flüchtlingscamp Gorom in Dschuba, Südsudan: Frauen und Mädchen sind in bewaffneten Konflikten, wie aktuell im Sudan, weiterhin systematischer Gewalt ausgesetzt.
© IMAGO / photothek
Wie gehen Sie mit der Gewalt um, von der Sie erfahren?
Manchmal muss ich eine Pause einlegen. Anfang 2025 veröffentlichten wir einen Bericht über sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen durch die Miliz Rapid Support Forces. Es gab viele Aussagen von Zeug*innen, die Untersuchung war extrem belastend. Nachdem der Bericht veröffentlicht worden war, musste ich mir eine Auszeit nehmen, um mich zu erholen. Freund*innen fragen mich: "Warum machst du diesen Job?" Ganz einfach: Menschenrechtsarbeit kann zu Veränderungen führen. Der Wunsch, den Überlebenden beizustehen und eines Tages mitzuerleben, wie Kriegsverbrecher*innen und Täter*innen solcher Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden, motiviert mich, diese Arbeit weiterzumachen.
Wie können Unterstützer*innen von Amnesty den Menschen im Sudan helfen?
Behalten Sie den Krieg im Sudan im Blick. Teilen Sie die Berichte von Amnesty, senden Sie Briefe an die Machthaber, unterschreiben Sie die Petitionen, um Gerechtigkeit zu fordern. Zeigen Sie Solidarität mit der sudanesischen Bevölkerung. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Sudan in Vergessenheit gerät – dann hätten die Täter freie Hand. Das dürfen wir nicht zulassen.