Amnesty Report Kroatien 24. April 2024

Kroatien 2023

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Auch 2023 kam es zu Kollektivabschiebungen an den Grenzen und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant*innen. Die Zahl der strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPPs) nahm zu, wodurch die Arbeit von Journalist*innen und den Medien bedroht war. Die Regierung versicherte, gegen diese Art von Klagen vorgehen zu wollen. Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen blieb eingeschränkt. Die Regierung kündigte Maßnahmen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt an. Frauen, die Opfer von Kriegsvergewaltigung geworden waren, hatten Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Rom*nja und Angehörige der serbischen Minderheit wurden weiterhin diskriminiert. 

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Laut Angaben der Behörden nahm die Anzahl der Menschen, die über Nachbarländer nach Kroatien zu gelangen versuchten, 2023 im Vergleich zu 2022 um 70 Prozent zu. Bis November 2023 waren mehr als 65.000 Personen ins Land eingereist. Hilfsorganisationen dokumentierten weiterhin Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtlinge und Migrant*innen, darunter rechtswidrige Kollektivabschiebungen sowie tätliche Gewalt, Demütigungen und Eigentumsdiebstahl durch Ordnungskräfte. 

Im Oktober 2023 forderte der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) Kroatien auf, Kollektivabschiebungen und Pushbacks zu beenden und Fälle von exzessiver Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant*innen zu untersuchen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Journalist*innen, die über organisiertes Verbrechen und Korruption berichteten, waren auch 2023 unvermindert Drangsalierungen ausgesetzt. Unter anderem wurden sie mit strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (Strategic Lawsuits against Public Participation – SLAPPs) überzogen. Nach Angaben des kroatischen Journalist*innenverbands wurden 2023 mindestens 945 SLAPPs gegen Herausgeber*innen und Journalist*innen angestrengt, meist von Staatsbediensteten. Verleumdung war weiterhin strafrechtlich geregelt.Im Dezember 2023 verabschiedete die Regierung den Nationalen Plan für die Entwicklung von Kultur und Medien 20232027, der konkrete Maßnahmen für die frühzeitige Erkennung und Abweisung von SLAPPs enthielt. 

Im Juli 2023 brachte das Ministerium für Kultur und Medien einen Vorschlag für ein Mediengesetz ein. Dieses würde es Herausgeber*innen und Redakteur*innen u. a. ermöglichen, die Veröffentlichung journalistischer Texte ohne Angabe von Gründen zu verweigern. Zudem wären Journalist*innen durch das Gesetz gezwungen, ihre Quellen offenzulegen. Der kroatische Journalist*innenverband erklärte, dass das Gesetz die journalistische Freiheit schwerwiegend beeinträchtigen und Medienzensur begünstigen würde. Die Internationale Journalist*innen-Föderation forderte die kroatische Regierung nachdrücklich auf, den Gesetzentwurf "zu überdenken".

Sexuelle und reproduktive Rechte

Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen war nach wie vor eingeschränkt, weil zahlreiche Ärzt*innen und Kliniken aus Gewissensgründen keine Schwangerschaftsabbrüche vornahmen und die Kosten für den Eingriff und die erforderlichen Medikamente überhöht waren. Insbesondere in ländlichen und wirtschaftlich schwachen Regionen war es nahezu unmöglich, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Häusliche Gewalt war auch 2023 weit verbreitet. Im September kündigte die kroatische Regierung eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen an. Dazu gehörten die Aufnahme von Femizid als separaten Straftatbestand in das Strafgesetzbuch, längere Strafen bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung sowie weitere Maßnahmen zur Stärkung der Rechte von Betroffenen. Frauenrechtsgruppen begrüßten die Maßnahmen und forderten die Regierung auf, einen umfassenden nationalen Plan zur Prävention und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen zu verabschieden, wie es das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) vorsieht. 

Ebenfalls im September 2023 begrüßte die Sachverständigengruppe zur Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) die Bemühungen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Allerdings forderte GREVIO die kroatische Regierung auf, noch weitere Schritte zu unternehmen und z. B. umfassende politische Maßnahmen zu ergreifen, um gegen alle Formen der Gewalt gegen Frauen vorzugehen. Außerdem sollten mehr Notunterkünfte und weitere Leistungen für Betroffene zur Verfügung gestellt werden.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Frauen, die Opfer von Kriegsvergewaltigungen geworden waren, hatten Schwierigkeiten bei der Beantragung des Status eines zivilen Opfers sexualisierter Gewalt während des Krieges. Die Einräumung dieses Status war jedoch Voraussetzung für den Erhalt bestimmter Sozialleistungen. Laut Bürgerrechtsorganisationen wurden überzogene und schwer zu erfüllende Dokumentationsanforderungen an die Betroffenen gestellt und Augenzeug*innenberichte eingefordert. Einige Antragstellerinnen wurden unrechtmäßig abgewiesen, weil man ihnen eine Verwandtschaft mit Angehörigen des serbischen Militärs unterstellte oder weil der Täter ein Angehöriger der kroatischen Streitkräfte war. 

Der CERD-Ausschuss äußerte sich besorgt darüber, dass einige Bestimmungen des Gesetzes über zivile Kriegsopfer auf diskriminierende Weise zum Nachteil von Angehörigen der ethnischen Minderheit der Serb*innen ausgelegt würden, was diese daran hinderte, ihre Rechte als Kriegsopfer wahrzunehmen.

Diskriminierung

LGBTI+

Im Juni 2023 versammelten sich mehr als 10.000 Menschen in der Hauptstadt Zagreb, um der jährlichen Pride-Parade beizuwohnen. Damit nahmen mehr Menschen an der Veranstaltung teil als je zuvor. Der Umzug selbst verlief ohne Zwischenfälle, in den Wochen zuvor war es jedoch sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den Sozialen Medien zu diskriminierenden Äußerungen, Drohungen und Drangsalierungen gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen gekommen. 

Konservative Gruppen schlugen ein Referendum vor, um darüber abzustimmen, ob die Ehe in der kroatischen Verfassung als lebenslange Verbindung zwischen einer Frau und einem Mann definiert werden sollte. Dies würde eine Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe unmöglich machen.

Rom*nja, Serb*innen und ethnische Minderheiten

Viele Rom*nja lebten auch 2023 in extremer Armut und wohnten unter schlechten Bedingungen in segregierten Vierteln und informellen Siedlungen, die nicht ausreichend an die öffentliche Infrastruktur angeschlossen waren.

Im Oktober 2023 zeigte sich der CERD-Ausschuss besorgt angesichts von Berichten über rassistische Diskriminierung gegen Rom*nja und Angehörige der serbischen Minderheit, insbesondere in den Bereichen Bildung und Arbeit. Zudem kritisierte der Ausschuss die diskriminierende Sprache, derer sich u. a. Politiker*innen und andere Personen des öffentlichen Lebens in Bezug auf Minderheiten und ausländische Staatsangehörige bedienten.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Trotz des in jüngster Zeit erfolgten Ausbaus erneuerbarer Energien und des großen Potenzials in diesem Bereich war Kroatien 2023 bei der Energieerzeugung nach wie vor von fossilen Brennstoffen abhängig. Das Land hat sich jedoch das ambitionierte Ziel gesteckt, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 36,4 Prozent zu erhöhen, was sogar über dem EU-Ziel von 32 Prozent liegt.

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