Pressemitteilung Aktuell 15. Dezember 2020

Corona-Krise: EU darf nicht weiter weltweite Impfstoffverteilung erschweren

WTO muss Patentschutz für Impfstoffe vorübergehend lockern
Das Foto zeigt einen Oberarm, der gerade mit einer Spritze injiziert wird.

Um einen raschen weltweiten Zugang zu COVID-19-Impfstoffen zu ermöglichen, darf die EU nicht weiter eine zeitweise Aufhebung des Patentschutzes bei den WTO-Verhandlungen verhindern. Amnesty International fordert für die anstehende Ratstagung der Welthandelsorganisation wohlhabende Staaten auf, nicht die Aussetzung des TRIPS-Abkommens zu blockieren.

Amnesty International unterstützt den Antrag von Staaten wie Indien und Südafrika, vorübergehend Regelungen zum geistigen Eigentum auszusetzen, um auch finanziell schwächeren Ländern Zugang zu COVID-19-Impfstoffen zu ermöglichen. Die Welthandelsorganisation (WTO) sollte bei ihrer Sitzung des Allgemeinen Rates in dieser Woche die entsprechenden Regelungen im TRIPS-Abkommen (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) zeitlich befristet aufheben. Mehr als 100 Mitgliedsstaaten der WTO unterstützen den Antrag, der jedoch bislang von Staaten wie den USA, Japan und der EU abgelehnt wird.

"Die Covid-19-Pandemie ist eine weltweite Notsituation, hunderte Millionen Menschen sind bedroht. Alle Staaten sind jetzt in der Verantwortung zu einer fairen weltweiten Impfstoffverteilung beizutragen – auch in Ländern mit niedrigem Einkommen, wo Menschen oft besonders betroffen sind. Aber obwohl öffentlich von internationaler Solidarität gesprochen wird, wird zu wenig getan, um ärmeren Staaten den Zugang zu Impfstoffen zu erleichtern", erklärt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.

Deutschland sollte jetzt in der EU darauf drängen, den Vorschlag von Südafrika und Indien bei der WTO zu unterstützen: Der Patentschutz für Covid-19-Impfstoffe, -Tests und -Behandlungen sollte so lange ausgesetzt werden, bis der Pandemienotstand beendet ist und alle geschützt sind.

Markus N.
Beeko
Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland

"Die Regierungen aller Länder und so auch die Bundesregierung sind nach Art. 2 UN-Sozialpakt dazu verpflichtet, für die Erreichung der darin garantierten Rechte wie dem Gesundheitsschutz international zusammenzuarbeiten. Sie sollten darauf hinwirken, dass die Covid-19-Impfstoffe zu einem "globalen öffentlichen Gut" erklärt werden – das allen Menschen gerecht, kostenlos und bedarfsorientiert zur Verfügung gestellt wird. Deutschland sollte jetzt in der EU darauf drängen, den Vorschlag von Südafrika und Indien bei der WTO zu unterstützen: Der Patentschutz für Covid-19-Impfstoffe, -Tests und -Behandlungen sollte so lange ausgesetzt werden, bis der Pandemienotstand beendet ist und alle geschützt sind", so Beeko.

Rund 70 ärmere Länder werden im kommenden Jahr voraussichtlich nur zehn Prozent ihrer Bevölkerung gegen Covid-19 impfen können, falls die Regierungen und die Pharmaindustrie nicht Gegenmaßnahmen ergreifen und die schnelle Herstellung von Impfdosen ermöglichen. Zu dieser Einschätzung kommt Amnesty International gemeinsam mit einer Reihe von Nichtregierungsorganisationen, die sich als People's Vaccine Alliance (PVA) zusammengeschlossen haben.

Die PVA setzt sich dafür ein, dass die Covid-19-Impfstoffe und ihre Herstellungsdetails nach Zulassung allen Menschen weltweit zur Verfügung stehen. Danach sieht es zurzeit nicht aus: Reiche Nationen, die zusammen nur 14 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, haben sich bis zu 53 Prozent der vielversprechendsten Coronavirus-Impfstoffdosen gesichert. 67 Länder mit geringem und mittlerem Einkommen sind in Gefahr, viel zu wenig Impfstoff zu bekommen. Das hat eine Auswertung von Datenmaterial durch das Analyseinstitut Airfinity ergeben.

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