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Slowenien 2022

© Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022
Zahlreiche Menschen erhielten 2022 Geldstrafen, weil sie gegen das Demonstrationsverbot verstoßen hatten. Politische Einflussnahme gefährdete weiterhin die Medienfreiheit. Der Staatspräsident entschuldigte sich dafür, dass vor 30 Jahren mehr als 25.000 Personen verfassungswidrig aus dem Melderegister gelöscht worden waren. Das Parlament legalisierte die gleichgeschlechtliche Ehe und Adoption. Ukrainische Flüchtlinge hatten große Schwierigkeiten, staatliche Leistungen zu erhalten.
Hintergrund
Nach zahlreichen gegen die Regierung gerichteten Protesten in den vergangenen Jahren wurde die von Robert Golob angeführte Partei Gibanje Svoboda ("Freiheitsbewegung") bei der Parlamentswahl im April 2022 stärkste Kraft. Die neue Regierung versprach, einige der "schädlichen" Gesetze und Maßnahmen der Vorgängerregierung rückgängig zu machen und den Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise einzudämmen.
Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Die Behörden verhängten im Jahr 2022 hohe Geldstrafen gegen Personen, die gegen das während der Coronapandemie erlassene generelle Demonstrationsverbot verstießen. Der Aktivist und Theaterregisseur Jaša Jenull, der 2020 und 2021 an Demonstrationen teilgenommen hatte, wurde von den Behörden aufgefordert, für die damit verbundenen Polizeieinsätze insgesamt 40.000 Euro zu bezahlen. Nach dem Regierungswechsel wurde das Verfahren gegen ihn jedoch eingestellt und die Zahlungsaufforderung fallen gelassen. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats forderte Slowenien auf, die "finanzielle und behördliche Drangsalierung zivilgesellschaftlich engagierter Personen" umgehend einzustellen. Im Oktober 2022 ließ die neue Regierung alle Anklagen gegen Jaša Jenull fallen und sicherte zu, alle Fälle gegen Protestierende mit noch ausstehenden Geldstrafen zu überprüfen.
Im März 2022 erklärte ein Zusammenschluss europäischer NGOs (Coalition against SLAPPs in Europe), dass Slowenien zu den EU-Ländern zähle, in denen am häufigsten strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (Strategic Lawsuits against Public Participation – SLAPPs) erhoben würden, um Journalist*innen und Aktivist*innen mundtot zu machen.
Die ständige politische Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Radiotelevizija Slovenija (RTV SLO) erschwerte eine unparteiische Berichterstattung. Die neue Regierung reformierte im Juli 2022 die Gesetzgebung bezüglich des RTV SLO, um die Unabhängigkeit des Senders zu gewährleisten, doch diese Gesetze wurden im Dezember von den scheidenden Führungskräften des Senders mit einer Verfassungsklage angefochten.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Die Behörden beschlossen eine Reihe von Maßnahmen, um die steigenden Lebenshaltungskosten infolge der hohen Energiepreise zu bekämpfen. Dazu zählten Finanzhilfen für wirtschaftlich schwache Personen, eine zeitweilige Erhöhung des Kindergelds, einmalige Energiekostenzuschüsse sowie höhere Beihilfen für lokale Lebensmittelerzeuger, um weitere Preissteigerungen zu verhindern.
Im Juli 2022 verschob die Regierung die Umsetzung des Gesetzes über die Langzeitpflege für ältere Menschen auf Januar 2024. Das Gesetz, das die Versorgungssituation der wachsenden Gruppe älterer Menschen verbessern soll, war 2021 verabschiedet worden und sollte ursprünglich im Januar 2023 in Kraft treten.
Diskriminierung
"Ausgelöschte" Personen
Im Februar 2022 entschuldigte sich Staatspräsident Borut Pahor öffentlich bei mehr als 25.000 Menschen, die vor 30 Jahren verfassungswidrig aus dem Melderegister gelöscht worden waren und damit faktisch keine slowenische Staatsangehörigkeit besaßen. Trotz dieser Entschuldigung hatten mehr als die Hälfte der "Ausgelöschten" bislang weder die Staatsbürgerschaft noch eine staatliche Entschädigung erhalten.
LGBTI+
Im Oktober 2022 nahm das Parlament eine Gesetzesänderung vor, um gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung und das Adoptieren von Kindern zu ermöglichen. Zuvor hatte das Verfassungsgericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt, wonach lediglich heterosexuelle Paare heiraten und Kinder adoptieren durften.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Die Zahl der Flüchtlinge und Migrant*innen, die über die sogenannte Balkanroute nach Slowenien kamen, stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr erheblich an. Nach offiziellen Angaben reisten mehr als 27.000 Menschen ohne gültige Papiere in das Land ein.
Im Juni 2022 kündigte die neue Regierung an, den 155 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Kroatien abzubauen, der 2015 errichtet worden war, um Menschen ohne gültige Papiere an der Einreise zu hindern. Zur Begründung hieß es, der Zaun habe "sein erklärtes Ziel nicht erreicht". Zudem erließ die Regierung verbindliche Richtlinien für die Grenzpolizei, um zu gewährleisten, dass das Recht auf Asyl uneingeschränkt respektiert wird.
Offiziellen Angaben zufolge kamen ab Februar 2022 Zehntausende geflüchtete Menschen aus der Ukraine nach Slowenien, von denen die meisten in andere EU-Länder weiterreisten. Mehr als 8.200 Menschen beantragten in Slowenien vorübergehenden Schutz, der in etwa 7.500 Fällen gewährt wurde. Damit hatten sie Anspruch auf Zugang zu Bildungseinrichtungen, gesundheitlicher Notfallversorgung und zum Arbeitsmarkt. Lokale Organisationen berichteten jedoch über zahlreiche Schwierigkeiten bei der Integration der Geflüchteten. So war beispielsweise ihre Gesundheitsversorgung eingeschränkt, es mangelte an staatlichen Angeboten zur Überwindung von Sprachproblemen, und ukrainische Kinder hatten Schwierigkeiten, dem Schulunterricht auf Slowenisch zu folgen.