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Italien 2023

© Amnesty International
- Folter und andere Misshandlungen
- Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
- Gewalt gegen Frauen und Mädchen
- Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
- Diskriminierung
- Sexuelle und reproduktive Rechte
- Recht auf eine gesunde Umwelt
- Unverantwortliche Rüstungsexporte
- Veröffentlichungen von Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Es gab erneut Berichte über Folter und andere Misshandlungen durch Gefängnisangestellte und Polizist*innen. Klimaaktivist*innen waren unverhältnismäßigen Einschränkungen bei der Wahrnehmung des Rechts auf friedliche Versammlung ausgesetzt. Nach wie vor war ein äußerst hohes Maß an geschlechtsspezifischer Gewalt zu verzeichnen. Der Zugang zu Asyl wurde, auch durch rechtswidrige Maßnahmen, erheblich eingeschränkt. Hassreden und Hassverbrechen gaben weiterhin Anlass zur Sorge, und die bestehenden Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung waren unzureichend. Schwangere hatten in einigen Landesteilen noch immer Schwierigkeiten, einen Abbruch zu erhalten. Italien lief Gefahr, seine Ziele zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen zu verfehlen.
Folter und andere Misshandlungen
Im Juni 2023 wurden in Verona fünf Polizisten unter Hausarrest gestellt, gegen die wegen der mutmaßlich rassistisch motivierten Folterung von hauptsächlich ausländischen Staatsangehörigen ermittelt wurde. Gegen weitere Polizist*innen der Stadt wurde wegen Gewaltdelikten ermittelt. Zahlreiche andere wurden versetzt, weil sie von Kolleg*innen begangene Misshandlungen nicht gemeldet hatten, darunter auch die Präsidentin der Stadtpolizei (Polizia Municipale). Im März 2023 wurden mehr als 20 Gefängnisangestellte vom Dienst suspendiert, weil gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Folterungen im Gefängnis von Biella lief. Der Prozess gegen 105 Gefängnisangestellte und andere Staatsbedienstete wegen verschiedener Straftaten, darunter Folter, im Zusammenhang mit der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten in der Haftanstalt von Santa Maria Capua Vetere im April 2020 wurde fortgesetzt. Zwei weitere Staatsbedienstete, die ein beschleunigtes Verfahren beantragt hatten, wurden im Juni 2023 freigesprochen.
Ein Gesetzentwurf zur Abschaffung des Straftatbestands der Folter ließ befürchten, dass Italien vorhatte, sich seiner internationalen Verpflichtungen zum Schutz vor Folter zu entziehen.
Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Ein von der Regierung unterstützter Gesetzentwurf zur Einführung des Straftatbestands der Verunstaltung oder Beschädigung von historischen Gebäuden und Artefakten bei Demonstrationen wurde 2023 im Parlament diskutiert. Der UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützende kritisierte den Gesetzentwurf im April 2023 und forderte die italienischen Behörden auf, gewaltfreien zivilen Ungehorsam von Klimaaktivist*innen nicht länger unverhältnismäßig einzuschränken. Im November wurden in einem anderen, ebenfalls von der Regierung unterstützten Gesetzentwurf unter bestimmten Umständen härtere Strafen für die Beteiligung von Protestteilnehmenden an Straßenblockaden vorgeschlagen.
Es kam zu Vorfällen, bei denen die Polizei mit übermäßiger Gewalt gegen Demonstrierende vorging. Im Juli 2023 setzte die Polizei in der Region Piemont bei einer weitgehend friedlichen Demonstration gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse unnötig und wahllos Tränengas ein.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Im Jahr 2023 wurden 97 Frauen durch häusliche Gewalt getötet, 64 von ihnen von Partnern oder Ex-Partnern. Unter anderem als Reaktion auf die Ermordung einer jungen Frau durch ihren Ex-Freund im November in der Stadt Pordenone (Region Friaul-Julisch Venetien) wurden verbesserte Schutzmaßnahmen zur Verhinderung derartiger Taten vorgeschlagen. Nach ihrem Besuch im Juni 2023 kritisierte die Menschenrechtskommissarin des Europarats im Dezember den Mangel an Notunterkünften für Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, und die knappen Mittel für entsprechende Dienstleistungen.
Das italienische Parlament brachte die Rechtsvorschriften zu Vergewaltigung nicht mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Einklang.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Die zentrale Mittelmeerroute war nach wie vor die gefährlichste Migrationsroute der Welt: 2.498 Menschen, die 2023 versuchten, über den Seeweg nach Europa zu gelangen, ertranken oder galten als vermisst. Dies stellte einen dramatischen Anstieg gegenüber 1.417 im Jahr 2022 dar. Die meisten von ihnen waren von Libyen oder Tunesien aus aufgebrochen. Mehr als 157.600 Menschen reisten 2023 ohne offizielle Erlaubnis auf dem Seeweg nach Italien ein (gegenüber etwa 105.000 im Vorjahr), darunter mehr als 17.300 unbegleitete Minderjährige.
Tausende Menschen, die in Italien an Land gingen, waren auf See von den italienischen Behörden gerettet worden. Es gab jedoch Bedenken, dass Italien seinen Such- und Rettungsverpflichtungen nicht immer nachkam. Im Februar 2023 ertranken in italienischen Hoheitsgewässern nahe dem Strand von Steccato di Cutro in Kalabrien mindestens 94 Menschen, darunter 34 Kinder. Sechs Stunden vor dem Bootsunglück hatte die Europäische Grenzschutzagentur Frontex den italienischen Behörden Informationen zu dem Boot übermittelt. Dennoch hatten die Behörden keine umgehende Rettungsaktion gestartet. Es wurden strafrechtliche Ermittlungen zur Klärung der Verantwortlichkeiten eingeleitet, die Ende 2023 noch nicht abgeschlossen waren.
NGOs, die Menschen aus Seenot retteten, mussten nach wie vor unnötige Vorschriften erfüllen. So waren sie z. B. verpflichtet, einen Ausschiffungshafen zu beantragen und diesen nach jedem Rettungseinsatz unverzüglich anzusteuern. Dadurch konnten pro Einsatz weniger Menschen gerettet werden. In einigen Fällen wiesen die Behörden den NGO-Rettungsschiffen Ausschiffungshäfen zu, die mehr als 1.000 Kilometer vom Ort der Rettung entfernt lagen, obwohl es in der Nähe geeignete Häfen gegeben hätte. Im Januar 2023 und erneut im Dezember 2023 forderte die Menschenrechtskommissarin des Europarats die italienische Regierung auf, diese Maßnahmen zurückzunehmen.
Im März 2023 nahm die Regierung Nigeria in die Liste der "sicheren Herkunftsländer" auf und bestätigte diesen Status auch für Tunesien, obwohl in beiden Ländern nachweislich großflächig Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Im Mai stimmte das Parlament für die Abschaffung der Aufenthaltserlaubnis aus besonderen Schutzgründen, die eine ergänzende Form des Schutzes für Asylsuchende und andere Personen darstellte, denen bei einer Rückführung in ihr Heimatland Gefahr drohen würde. Auch schränkte das Parlament die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus anderen Gründen erheblich ein. Zudem wurden beschleunigte Grenzverfahren zur Prüfung der Asylanträge von Personen aus als "sicher" eingestuften Ländern eingeführt. Einige der neuen Bestimmungen verstießen gegen internationale Standards. Im Oktober 2023 ordneten Gerichte die Freilassung mehrerer Personen an, die im Rahmen des neuen beschleunigten Grenzverfahrens inhaftiert worden waren. Sie begründeten die Freilassungen damit, dass Asylsuchenden nicht allein deshalb die Freiheit entzogen werden dürfe, weil sie aus als sicher geltenden Ländern stammten. Die Regierung legte Rechtsmittel gegen die Urteile ein. Ebenfalls im Oktober verabschiedete das Parlament weitere Maßnahmen, die auf eine Einschränkung des Zugangs zu Asyl und eine Ausweitung der Abschiebemöglichkeiten abzielten.
Im November beschlossen die Ministerpräsidentin Italiens und ihr albanischer Amtskollege den Bau von zwei Haftzentren für Asylsuchende und Migrant*innen auf albanischem Hoheitsgebiet, die unter italienischer Gerichtsbarkeit stehen sollen. Dies führte zu Bedenken im Hinblick auf willkürliche Inhaftierungen und die Rückführung von Menschen in Länder, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen (Refoulement). Zudem war zu befürchten, dass der wirksame Zugang zu Asyl beeinträchtigt werden könnte.
Zusammenarbeit mit Libyen
Italien unterstützte die libyschen Behörden auch 2023 dabei, Flüchtlinge und Migrant*innen in Libyen festzuhalten, obwohl es erdrückende Beweise für großflächige Menschenrechtsverstöße gab, die gegen in Libyen an Land gebrachte Personen begangen wurden. Unter anderem wurde das Migrationsabkommen zwischen den beiden Ländern um weitere drei Jahre verlängert. Im März 2023 machte ein Schiffsunglück mit 30 Todesopfern in der libyschen Such- und Rettungszone erneut deutlich, dass die libyschen Behörden nicht in der Lage waren, ihrer Such- und Rettungspflicht nachzukommen. Dennoch weitete das italienische Parlament im Juni die Unterstützung für die libysche Küstenwache aus, um deren Kapazitäten zum Abfangen von Schiffen auf See zu verbessern.
Kriminalisierung von Solidarität
Ende 2023 lief im sizilianischen Trapani noch immer das Gerichtsverfahren gegen die Besatzungen der Iuventa und anderer NGO-Rettungsschiffe wegen mutmaßlicher "Beihilfe zur irregulären Einreise" im Zusammenhang mit Rettungsaktionen in den Jahren 2016 und 2017. Dieses Vorverfahren lief bereits seit18 Monaten.
Diskriminierung
Im August 2023 äußerte sich der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) besorgt über rassistische Hassreden, rassistische Äußerungen in der Politik – auch von Regierungsmitgliedern –, die Zunahme rassistisch motivierter Vorfälle und die zahlreichen Fälle rassistisch motivierter Beleidigungen und Misshandlungen gegen Angehörige ethnischer Minderheiten und Migrant*innen durch Ordnungskräfte.
Im November 2023 berichtete eine jüdische Beobachtungsstelle über einen deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle seit Beginn des neuen Konflikts zwischen Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten im Oktober.
Auch 2023 wurden keine Rechtsvorschriften verabschiedet, um LGBTI+, Frauen sowie Menschen mit Behinderungen denselben Schutz zu gewähren wie Opfern von Hassreden bzw. Hassverbrechen aus rassistischen, religiösen, ethnischen und nationalistischen Motiven.
In Italien geborene und/oder aufgewachsene Kinder ausländischer Staatsangehöriger hatten weiterhin keinen wirksamen Zugang zur italienischen Staatsbürgerschaft. Dadurch waren mehr als 1,5 Mio. Kinder weiterhin mit Diskriminierung und mit Hindernissen beim Zugang zu ihren Rechten konfrontiert.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen war in vielen Regionen des Landes weiterhin erschwert. Der Hauptgrund dafür war, dass sich eine große Zahl von Ärzt*innen und anderen Gesundheitsdienstleister*innen weigerte, derartige Eingriffe durchzuführen. Die Zahl nationaler und regionaler Gesetzentwürfe, die auf den Schutz des Fötus abzielten, nahm zu.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Rekordtemperaturen, wie sie durch den Klimawandel immer häufiger auftraten, führten im Juli 2023 in Süditalien dazu, dass die Sterblichkeitsrate 7 Prozent über dem Durchschnitt lag.
Im Juni 2023 veröffentlichte die Regierung einen neuen Energie- und Klimaplan, der nach Ansicht einiger Expert*innen unzureichende Emissionsreduktionen vorsah und eine Verschiebung des Kohleausstiegs bis 2028 bedeuten könnte. Darüber hinaus ließ der Plan den Expert*innen zufolge erkennen, dass Italien Probleme hatte, die EU-Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 zu erreichen. Die Regierung investierte weiterhin in Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe im Ausland, obwohl sie 2021 zugesagt hatte, dies nicht länger zu tun. Zudem subventionierte sie die Nutzung fossiler Brennstoffe in erheblichem Umfang.
Unverantwortliche Rüstungsexporte
Im November 2023 setzte die Regierung neue Bewilligungen für den Export von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Israel aus. Ausfuhren auf der Grundlage früherer Genehmigungen wurden jedoch fortgesetzt, obwohl es immer mehr Anzeichen für rechtswidrige Angriffe Israels auf Zivilpersonen und zivile Objekte im besetzten Gazastreifen gab.
Veröffentlichungen von Amnesty International
- Italy: Withdraw measures that hinder the work of search and rescue NGOs and increase the risk of drownings, 1 February
- Italy: Avoidable loss of life at sea calls for swift review of search and rescue procedures and visa policies, 17 March
- Italy: Backtracking on guaranteeing freedom from torture, 3 November