Amnesty Report 07. April 2021

Eritrea 2020

Geographische Karte des Landes Eritrea in Gelb

Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020

Der Aufenthaltsort von Regierungskritiker_innen und prodemokratischen Aktivist_innen, die in Eritrea seit ihrer willkürlichen Festnahme im Jahr 2001 "verschwunden" sind, blieb auch 2020 ungeklärt. Nach wie vor schränkten die Behörden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit und Freizügigkeit ein. Gefangenen wurde das Recht auf Gesundheit vorenthalten. Tausende Eritreer_innen suchten weiterhin im Ausland Zuflucht, um der Unterdrückung und dem zeitlich unbefristeten Militärdienst zu entgehen. Auch nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Eritrea und dem vormaligen Erzfeind Äthiopien hielt die Regierung unverändert an dieser Politik fest.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Seitdem die Behörden 2001 alle nichtstaatlichen Medien verboten haben, gibt es in Eritrea keine unabhängige Presse mehr. Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (Komitee zum Schutz von Journalisten) stellte 2020 fest, dass Eritrea der Staat mit der weltweit stärksten Zensur sei und dass dort mehr Journalist_innen inhaftiert seien als in jedem anderem Land.

Willkürliche Inhaftierungen und Verschwindenlassen

Hunderte Politiker_innen, Religionsvertreter_innen, Journalist_innen und andere Kritiker_innen der Regierung waren noch immer in willkürlicher Haft und durften nach wie vor weder von ihren Familien noch von ihren Rechtsbeiständen besucht werden. Einige waren bereits seit mehr als zehn Jahren ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Gefängnis. Aufenthaltsort und Schicksal von elf prominenten Politiker_innen und 17 Journalistinnen, die 2001 Kritik an der Regierungsführung von Präsident Afwerki geäußert hatten, waren Ende 2020 weiterhin nicht bekannt.

Der 2018 in der eritreischen Hauptstadt Asmara festgenommene ehemalige Finanzminister Berhane Abrehe kam nicht aus dem Gefängnis frei. Ende 2020 war er noch nicht unter Anklage gestellt worden. Er wurde nach der Veröffentlichung eines Buches festgenommen, in dem er zu demokratischen Reformen aufgerufen hatte. Nach seiner Festnahme war er Opfer des Verschwindenlassens geworden.

Recht auf Gesundheit

Gefängnisse und Hafteinrichtungen

Gefängnisse und Hafteinrichtungen waren chronisch überfüllt. Die Gefangenen lebten unter unhygienischen Bedingungen. Im Adi-Abeto-Gefängnis nördlich von Asmara saßen etwa 2.500 Gefangene ein, obwohl es nur für 800 Gefangene ausgelegt war. Die unweit von Asmara gelegene Hafteinrichtung Mai Serwa Asmara Flowers, in der viele Zeugen Jehovas inhaftiert waren, hatte keine Toiletten für die ungefähr 700 Gefangenen. Die Männer und Frauen mussten ihre Notdurft im Freien verrichten. Im Hochsicherheitsgefängnis Mai Serwa, das ebenfalls in der Nähe von Asmara liegt, gab es nur 20 Toiletten für 500 Inhaftierte.

Die Gefängnisse und Hafteinrichtungen versorgten die Gefangenen nicht ausreichend mit Wasser, Nahrung und Hygieneprodukten wie Seife. Viele Gefangene im Hochsicherheitsgefängnis Mai Serwa, in der Hafteinrichtung Mai Serwa Asmara Flowers und dem Ala-Gefängnis, in dem nur Männer einsaßen, waren zur Ergänzung der mageren Essensrationen auf ihre Familien angewiesen. Am 2. April 2020 verhängten die Behörden einen Lockdown für Gefängnisse, um die Verbreitung von Covid-19 und anderen Krankheiten zu verhindern. Da keine Besuche mehr erlaubt waren, blieb die notwendige Versorgung durch Angehörige aus, sodass für die Gefangenen nun ein noch höheres Mangelernährungs- und Krankheitsrisiko bestand.

Zwangsarbeit

Wehrdienstleistende wurden nach wie vor gezwungen, auf unbestimmte Zeit – weit über den gesetzlich vorgesehenen Zeitraum von 18 Monaten hinaus – im obligatorischen Militärdienst zu bleiben. Es gab keine rechtliche Regelung, die es ermöglichte, den Militärdienst aus Gewissensgründen zu verweigern. Tausende Menschen waren auf unbestimmte Zeit zum Militärdienst eingezogen, viele von ihnen bereits seit Jahrzehnten. Die Regierung schickte Schüler_innen im letzten Schuljahr weiterhin in das militärische Ausbildungslager Sawa. Eine Zusicherung, dass sie nach Ableistung der 18 Monate aus dem Militärdienst entlassen würden, gab ihnen die Regierung nicht.

Die Wehrdienstleistenden erhielten einen monatlichen Sold von nur 800 Nakfa (etwa 45 Euro), der zur Deckung der Grundbedürfnisse nicht ausreichte. Die Regierung setzte sie bei Infrastrukturprojekten wie z. B. bei Bewässerungsanlagen, im Straßenbau und in der Landwirtschaft ein. Die Arbeitsbedingungen waren häufig erniedrigend und unmenschlich. In einigen Fällen kamen sie Folter gleich.

In der Hafteinrichtung Mai Serwa Asmara Flowers, bei der es sich in Wirklichkeit um ein Zwangsarbeitslager handelt, wurden Angehörige der Zeugen Jehovas und andere Inhaftierte gezwungen, auf den nahegelegenen Blumenfarmen zu arbeiten.

Recht auf Freizügigkeit

Das Recht der Menschen, das Land zu verlassen, blieb sehr stark eingeschränkt. Auslandsreisen waren nur mit Erlaubnis der Regierung möglich.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Nach wie vor flohen Tausende Eritreer_innen aus dem Land und suchten in anderen Ländern um Asyl nach. Einer der Hauptfluchtgründe war der zeitlich unbefristete Militärdienst. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) überquerten zwischen Januar und März 2020 insgesamt 9.463 Asylsuchende aus Eritrea die Grenze zu Äthiopien. Ab Mai 2020 ging die Zahl der Neuankömmlinge in Äthiopien wegen der pandemiebedingten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit deutlich zurück.

Flüchtlinge und Asylsuchende aus Eritrea waren auf dem Weg nach Europa auch 2020 schweren Übergriffen ausgesetzt. Viele wurden in den Durchgangsländern – vor allem in Libyen – inhaftiert, verschleppt, sexuell missbraucht, gefoltert und auf andere Weise misshandelt.

Veröffentlichung von Amnesty International

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