Pressemitteilung Aktuell 12. Oktober 2023

Handel mit sogenannten weniger tödlichen Waffen führt zu Menschenrechtsverletzungen bei Protesten

Das Bild zeigt im Vordergrund eine Person mit ausgebreiteten Armen im Hintergrund viele Polizisten mit Schildern.

Sicherheitskräfte in der peruanischen Haupstadt Lima gehen am 24. Januar 2023 mit Waffengewalt gegen regierungskritische Protestierende vor.

Ausrüstung und Munition wie Tränengas, Gummigeschosse, Schlagstöcke und Blendgranaten werden an Staaten verkauft, die sie zur gewaltsamen Unterdrückung von Protesten einsetzen, so Amnesty International in einer heute veröffentlichten Recherche. Verantwortlich sind unter anderem Unternehmen aus Frankreich/Italien, China, Südkorea und den USA. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert den Einsatz von derartiger Ausrüstung sowie die fehlende globale Regulierung des Handels.

Amnesty International fordert Staaten dazu auf, den Handel mit sogenannten weniger tödlichen Waffen mit Ländern zu stoppen, die sie zur Unterdrückung von Protesten missbrauchen. Staaten, die diese Exporte genehmigen, tragen zur weltweiten Menschenrechtskrise bei, so die Menschenrechtsorganisation.

Für den Bericht "The Repression Trade: Investigating the Transfer of Weapons Used to Crush Dissent" hat Amnesty International Aufnahmen von Protesten der vergangenen zehn Jahre analysiert. Die Menschenrechtsorganisation hat nachgewiesen, dass in allen Teilen der Welt sogenannte weniger tödliche Waffen auf missbräuchliche und unverhältnismäßige Weise eingesetzt wurden, in manchen Fällen sogar mit tödlichen Folgen.

Der Bericht identifiziert 23 Hersteller von sogenannten weniger tödlichen Waffen, deren Produkte rechtswidrig bei Protesten in 25 Ländern eingesetzt wurden. Diese Rüstungsgüter – darunter Tränengas, Gummigeschosse, Schlagstöcke und Blendgranaten – kamen regelmäßig zum Einsatz, um Protestierende und Gefangene zu foltern oder anderweitig zu misshandeln. China, Südkorea, die USA sowie Italien/Frankreich dominieren den Handel mit weniger tödlichen Waffen, aber auch Unternehmen in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien, Indien und der Türkei produzieren Waffen zum großflächigen Export sowie für den heimischen Markt.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Cheddite ist ein französisch-italienisches Unternehmen, das Granaten und Patronen herstellt. Patronen von Cheddite, die mit Bleischrot gefüllt werden können und für die Jagd gedacht sind, wurden im Iran rechtswidrig gegen Demonstrierende eingesetzt. Auch aus Myanmar und dem Senegal tauchten in den Sozialen Medien verifizierte Fotos von verbrauchten Schrotpatronen der Marke Cheddite auf, als dort Proteste stattfanden.

Auch zwei südkoreanische Unternehmen waren Gegenstand der Untersuchung. Amnesty International hat in Bahrain, Myanmar und Sri Lanka den rechtswidrigen Einsatz von Tränengas und anderer weniger tödlicher Waffen der DaeKwang Chemical Corporation dokumentiert. Die Menschenrechtsorganisation hat zudem Filmmaterial und Fotos erhalten und überprüft, die zeigen, dass die Polizei in Sri Lanka und Peru Tränengasgranaten der südkoreanischen Firma CNO Tech zur Unterdrückung von Protesten einsetzte.

Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "In den vergangenen Jahren wurden immer wieder sogenannte weniger tödliche Waffen eingesetzt, um Demonstrierende einzuschüchtern und zu bestrafen, was weltweit zu tausenden Verletzten und zahlreichen Toten bei Protesten geführt hat. Es ist unverantwortlich, dass Unternehmen Waffen in Länder exportieren, deren Menschenrechtsbilanz sehr schlecht ist. Die fehlende staatliche Regulierung des Handels mit diesen Waffen ist inakzeptabel und führt vielerorts zur Aushöhlung des Rechts auf friedlichen Protest.

Regierungen, die derartige Exporte genehmigen, leisten schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen Vorschub – wie Folter und anderen Misshandlungen – und müssen diesen Handel dringend regulieren. Sie müssen deshalb die Empfehlungen des heute in New York veröffentlichten Berichts der UN-Sonderberichterstatterin über Folter unterstützen, um ein verbindliches Völkerrechtsinstrument zur Regulierung dieses Handels zu entwickeln und so das Recht, sich friedlich zu versammeln, zu schützen."

Das Bild zeigt, wie ein Polizist Tränengas in die Himmel schießt

Ein Polizist in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo beschießt regierungskritische Demonstrierende mit Tränengas (9. Mai 2023). 

Ein solches internationales Abkommen würde den Handel mit Ausrüstung, deren Anwendung grundsätzlich eine Menschenrechtsverletzung darstellt, untersagen. Zudem würde ein solches Übereinkommen strenge menschenrechtsbasierte Kontrollen für den Handel mit Ausrüstungsgegenständen für Sicherheitsbehörden einführen. In der zurzeit beratenen EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie darf es zudem keine Ausnahmeregelung für Rüstungsfirmen geben.

Hintergrund

Unternehmen, die Ausrüstungsgegenstände exportieren, die von Polizei- bzw. Sicherheitskräften missbraucht werden könnten, sollten im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vor dem Verkauf eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen. Wenn es nicht möglich sein sollte, die potenziellen negativen Auswirkungen der Nutzung ihrer Produkte oder Dienstleistungen auf die Menschenrechte zu verhindern oder abzumildern, sollte das Unternehmen die Lieferung in verantwortungsvoller Weise aussetzen oder einstellen.

Ein völkerrechtlicher Vertrag, der den Handel mit solchen Waffen verbietet, wie das von der UN geforderte Handelsverbot mit Folterwerkzeugen, fehlt bislang. Erst ein solcher wäre jedoch rechtlich verbindlich.

Die Bundesregierung unterstützt bereits das geplante globale Handelsverbot für Folterwerkzeuge. Die entsprechenden Exporte aus Deutschland unterliegen sowohl der EU-Anti-Folter-Verordnung als auch der üblichen einzelfallbezogenen Rüstungsexportkontrolle.

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