Pressemitteilung Aktuell 08. April 2020

Afrika 2019: Menschen trotzen staatlicher Unterdrückung und bewaffneten Konflikten

Ein Raum voller Menschen, die größtenteils sitzen. In der Mitte eine Person mit einer Regenbogenflagge, die sie mit beiden Händen weit aufspannt
  • Amnesty International veröffentlicht Afrika-Regionalbericht 2019 / 2020
  • Unverhältnismäßiges Vorgehen von Sicherheitskräften droht zum Risiko im Kampf gegen Covid-19 in der Region zu werden 
  • Staatliche Repressionen, bewaffnete Gruppierungen und staatliche Sicherheitskräfte größte Gefahren für die Zivilgesellschaft auf dem afrikanischen Kontinent 
  • Die Menschen insbesondere in Äthiopien und im Sudan lassen sich ihr Recht auf friedlichen Protest nicht nehmen
  • EU muss in Unterstützungsmissionen Schutz der Zivilgesellschaft vor Migrationskontrolle stellen

Der Mut der Menschen, die im Jahr 2019 und aktuell in Afrika auf die Straße gehen, ist bemerkenswert. Protestierende trotzen Kugeln und Schlägen, um ihre Rechte gegen staatliche Repressionen, bewaffnete Gruppierungen und staatliche Sicherheitskräfte zu verteidigen, sagt Amnesty International heute bei der Veröffentlichung ihres Jahresberichts über die Menschenrechte in der Region. 

Der Bericht "Regionalbericht Afrika 2019" analysiert die wichtigsten Entwicklungen des vergangenen Jahres: Regierungen in mehreren afrikanischen Staaten, etwa Nigeria, versuchten im Jahr 2019 den Raum für zivilgesellschaftliches Engagement einzuschränken. Gleichzeitig gingen Menschen in diversen Ländern auf die Straße, um ihre Rechte einzufordern. Immer mehr afrikanische Staaten sehen sich zudem mit Angriffen durch bewaffnete Gruppierungen konfrontiert, insbesondere Burkina Faso, Kamerun, Mali, Mosambik und Somalia. 

"In vielen Ländern Afrikas sehen sich die Menschen einer doppelten Bedrohung gegenüber: Einerseits müssen sie grausame Übergriffe durch bewaffnete Gruppen wie Boko Haram fürchten und andererseits das gewaltsame Vorgehen von Sicherheitskräften im Kampf gegen den Terror. Das unverhältnismäßige Vorgehen der Sicherheitskräfte in vielen afrikanischen Ländern droht nun auch zum größten Risiko im Kampf gegen Covid-19 zu werden," sagt Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrika-Expertin bei Amnesty International in Deutschland.

Kraftvolle Proteste trotz staatlicher Repressionen

In mehr als 20 afrikanischen Staaten wurde durch rechtswidrige Verbote, exzessiven Gewalteinsatz, Schikanen, willkürliche Inhaftierungen und andere Maßnahmen das Recht auf friedlichen Protest eingeschränkt. Im Sudan wurden bei Protesten 177 Menschen durch Sicherheitskräfte getötet und über 300 verletzt. 

In mindestens 25 afrikanischen Staaten und damit in mehr als zwei Dritteln der von Amnesty International untersuchten Länder war 2019 festzustellen, dass die Medienfreiheit eingeschränkt war und Journalisten kriminalisiert wurden. So dokumentiert Amnesty International in Nigeria 19 Fälle von Journalisten, die angegriffen, willkürlich festgenommen oder inhaftiert wurden.

Dennoch lassen sich Aktivisten und Bürger in Afrika nicht einschüchtern und gehen auf die Straße. "Die politischen Veränderungen in Äthiopien und im Sudan führten zwar zu Verbesserungen der Menschenrechte. Für einen dauerhaften Frieden muss die sudanesische Regierung jedoch endlich den ehemaligen Präsidenten Omar al-Bashir an den internationalen Gerichtshof überstellen. Die äthiopische Regierung muss sich an der Wahrung der Menschenrechte bei den kommenden Parlamentswahlen messen lassen, auch wenn die Wahlen wegen Covid-19 verschoben sind", so Ulm-Düsterhöft. 

Bedrohung durch bewaffnete Gruppierungen nimmt zu: EU muss Schutz der Zivilgesellschaft vor Migrationskontrolle stellen

Bewaffnete Gruppierungen dehnten ihre Aktivitäten auf zahlreiche Länder aus. In Mali und Burkina Faso töteten bewaffnete Gruppen zahlreiche Menschen. Im Nordosten Nigerias war die Zivilbevölkerung mehr als 30 Angriffen der bewaffneten Gruppe Boko Haram schutzlos ausgeliefert. Mindestens 378 Zivilpersonen wurden dabei getötet, Tausende mussten fliehen. In Kamerun wurden bei einer Welle von Angriffen durch Boko Haram mindestens 275 Menschen getötet und viele weitere verstümmelt oder entführt.

In Somalia wurden bis Mitte November 2019 mehr als 1150 Zivilpersonen getötet. Für die meisten gezielten Angriffe war die bewaffnete Gruppe Al-Shabaab verantwortlich. Sie dehnte ihre Anschläge auch auf Mosambik aus. 

"Ebenso erschreckend wie die Ausweitung der Aktivitäten bewaffneter Gruppierungen ist das Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte, die im Namen des Kampfes gegen den Terror Menschen willkürlich verhaften, foltern und töten und somit zu einer doppelten Bedrohung für die Bevölkerung werden", so Ulm-Düsterhöft. "Gleichzeitig versagt auch die internationale Gemeinschaft bei der Unterstützung der afrikanischen Staaten gegen bewaffnete Gruppen. Statt den Schwerpunkt von EU-Missionen auf Migrationskontrolle zu verlegen, muss die EU in ihren Unterstützungsmissionen den Schutz der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellen."

Herausforderung für die Menschenrechte: Covid-19

Die Sicherheitskräfte drohen im Kampf gegen Covid-19 zum Menschenrechtsrisiko zu werden. In diversen afrikanischen Staaten gehen Sicherheitskräfte mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Menschen vor. In Südafrika wurden Gummigeschosse gegen Obdachlose eingesetzt, in Uganda wurde Covid-19 zum Vorwand genommen, um Homosexuelle zu verhaften. In Niger wurde ein Journalist verhaftet, weil er über einen Verdachtsfall von Covid-19 berichtete. 

"Die Regierungen müssen mit aller Entschiedenheit die Achtung der Menschenrechte im Zuge der Bekämpfung von Covid-19 gewährleisten, um eine Verunsicherung der Bevölkerung zu vermeiden und das Vertrauen in die ergriffenen Maßnahmen unter Beweis zu stellen. Covid-19 darf nicht zusätzlich zu einer Menschenrechtskrise in einzelnen afrikanischen Ländern führen", sagt Ulm-Düsterhöft.

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