Amnesty Report Kuba 24. April 2024

Kuba 2023

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Die Unterdrückung Andersdenkender ging auch 2023 weiter. So wurden Aktivist*innen, politische Gegner*innen und Journalist*innen drangsaliert, verfolgt und inhaftiert. Menschenrechtsverteidiger*innen waren bei ihrer Arbeit mit Hindernissen konfrontiert und wurden angegriffen. Einige befanden sich weiterhin ohne ordnungsgemäßes Verfahren in Haft. Die wirtschaftliche und humanitäre Krise hielt weiter an; es kam zu Lebensmittel- und Treibstoffknappheit sowie zu Stromausfällen. Diskriminierung gegen Afrokubaner*innen, Frauen und Mädchen, lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+), politische Dissident*innen und Angehörige religiöser Gemeinschaften war noch immer weit verbreitet.

Hintergrund

In Kuba gab es auch 2023 keine nationale Menschenrechtsinstitution, wie sie die 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Pariser Grundsätze vorsahen. Internationalen Menschenrechtsorganisationen wurde der Zugang zum Land weiterhin verweigert und internationalen Medien die Beobachtung von Gerichtsverfahren gegen politische Dissident*innen erschwert. 

Die EU und Kuba hielten im November 2023 ihren vierten Menschenrechtsdialog ab. Dabei drückte die EU ihre Sorge darüber aus, dass im Rahmen der Proteste vom Juli 2021 zahlreiche Menschen inhaftiert und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden (siehe "Unterdrückung Andersdenkender").

2023 wurde ein neues Strafgesetzbuch eingeführt, das weiterhin die Verhängung der Todesstrafe erlaubte. Auch Bestimmungen, welche die Menschenrechte einschränkten, blieben bestehen und wurden benutzt, um Aktivist*innen zum Schweigen zu bringen und zu inhaftieren.

Unterdrückung Andersdenkender

Aktivist*innen, politische Gegner*innen, Journalist*innen und Künstler*innen wurden auch 2023 überwacht und drangsaliert. Es kam immer wieder zu willkürlichen Inhaftierungen und strafrechtlichen Prozessen, bei denen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren nicht gewahrt wurde. Menschen in Gewahrsam waren schlechten Haftbedingungen ausgesetzt.

Nach Angaben der Organisation Justicia11J befanden sich Ende 2023 mindestens 793 Menschen weiterhin wegen ihrer Beteiligung an den landesweiten Protesten vom 11. Juli 2021 in Haft.

Am 6. Mai 2023 ging die Regierung mit exzessiver Gewalt gegen Menschen vor, die gegen die schlechten Lebensbedingungen und die Nichteinhaltung der Menschenrechte im Municipio Caimanera in der Provinz Guantánamo protestierten. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die die systematische Unterdrückung scharf verurteilte, berichtete von tätlicher Gewalt durch Ordnungskräfte und zählte mindestens fünf willkürlich inhaftierte Demonstrierende.

Am 26. Mai bewilligte die kubanische Legislative ein "Gesetz über soziale Kommunikation", welches das Verbot von privat geführten Medien beibehielt und den Zugang zu öffentlichen Informationen sowie die Nutzung des Internets völkerrechtswidrig einschränkte. Das Gesetz gab der Regierung die Befugnis, Telekommunikationsanbieter anzuweisen, bestimmte Nutzer*innen von ihren Diensten auszuschließen, wenn diese Informationen veröffentlicht hatten, die als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Moral betrachtet wurden.

Dem politischen Aktivisten und Oppositionsführer José Daniel Ferrer García, der sich bereits seit 2021 in Haft befand, wurde ab Mitte März 2023 der Kontakt zur Außenwelt untersagt. Er befand sich in einem zunehmend schlechten Gesundheitszustand. Der gewaltlose politische Gefangene war im Juli 2021 Opfer des Verschwindenlassens geworden und befand sich seitdem in Haft.

Die kubanische Polizei lud immer wieder Journalist*innen und Aktivist*innen im Zusammenhang mit ihren rechtmäßigen Tätigkeiten zum Verhör vor. Im Mai 2023 wurde der Reporter Yeris Curbelo Aguilera von Angehörigen der Staatssicherheit verhört, nachdem er über die Proteste in Caimanera berichtet hatte.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen wurden auch 2023 drangsaliert, angegriffen und strafrechtlich verfolgt. Am 14. Februar nahmen Angehörige der Staatssicherheit Josiel Guía Piloto bei sich zu Hause in Havanna fest. Er war bereits 2011 wegen seiner abweichenden politischen Ansichten willkürlich inhaftiert worden. Zum Zeitpunkt seiner erneuten Festnahme befand er sich im Hungerstreik, um gegen seine andauernde Überwachung und Schikanierung zu protestieren. 

Ende 2023 befanden sich der Künstler Luis Manuel Otero Alcántara und der Musiker Maykel "Osorbo" Castillo Pérez noch immer in Haft. Die beiden gewaltlosen politischen Gefangenen waren 2022 in einem unfairen Verfahren zu fünf bzw. neun Jahren Haft verurteilt worden. Sie wurden unter schlechten Bedingungen festgehalten, waren Gewalt durch andere Inhaftierte ausgesetzt und erhielten keine angemessene medizinische Versorgung. In der Folge war ihre körperliche und geistige Unversehrtheit in Gefahr. 

Die kubanischen Behörden kamen der ärztlichen Empfehlung, Loreto Hernández García aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands aus der Haft zu entlassen, nicht nach. Das Schwarze Ehepaar Donaida Pérez Paseiro und Loreto Hernández García befand sich seit 2021 wegen seiner friedlichen Teilnahme an den landesweiten Protesten in Haft. Donaida Pérez Paseiro war Aktivistin und Priesterin sowie Präsidentin der unabhängigen religiösen Gruppe Asociación de Yorubas Libres de Cuba. Ihr Ehemann Loreto Hernández García war ebenfalls Aktivist und Priester und fungierte als Vizepräsident der Asociación de Yorubas Libres de Cuba. Im Laufe des Jahres 2023 verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand, zudem wurde dem Ehepaar der Kontakt zu seinen Angehörigen erschwert.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die wirtschaftliche und humanitäre Krise hielt 2023 weiter an, und es kam immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit grundlegenden Gütern. Es fehlte an Lebensmitteln, Treibstoffknappheit führte zu Einschränkungen im Verkehr, und Stromausfälle waren an der Tagesordnung. Im Mai 2023 erklärte die kubanische Regierung, dass sich die Wirtschaftskrise negativ auf den Import von grundlegenden Produkten wie Treibstoff, Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Produkten auswirke. Im Zusammenhang mit der Vorhersage weiterer Stromausfälle im September wies die Regierung erneut auf die kritische Lage hin.

Die Wirtschaftskrise hatte auch Folgen für das Gesundheitssystem. Es gab Berichte über Engpässe bei Arzneimitteln und medizinischen Gütern. Zudem gab es weniger medizinisches Personal.

Im April 2023 äußerte sich die Interamerikanische Menschenrechtskommission in einem Bericht zu Arbeits- und Gewerkschaftsrechten in Kuba besorgt über die großen Herausforderungen in diesem Bereich. Die Kommission wies u. a. auf die Arbeitsplatzunsicherheit, das Fehlen von Arbeitsschutzmaßnahmen, ungerechtfertigte Entlassungen aufgrund von politischen Ansichten, Verletzungen der Vereinigungsfreiheit und die fehlende Anerkennung des Streikrechts hin.

Diskriminierung

Die Diskriminierung von Afrokubaner*innen, Frauen und Mädchen, LGBTI+, politischen Dissident*innen und Angehörigen religiöser Gemeinschaften war auch 2023 an der Tagesordnung.

Afrokubaner*innen litten weiterhin unter systemischem und fest verwurzeltem Rassismus. Laut Aktivist*innen gab es noch immer Ungleichheiten aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, die u. a. zu einem Ungleichgewicht bei der politischen Repräsentation sowie zu einer Ungleichbehandlung beim Zugang zu angemessenen Unterkünften und Arbeitsplätzen führten. Zahlen über gesellschaftliche Ungleichheit, die nach ethnischer Zugehörigkeit aufgeschlüsselt waren, wurden von den Behörden nicht erhoben.

Es kam weiterhin zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung. Kubanische NGOs und Journalist*innen dokumentierten 2023 mindestens 86 Fälle, in denen Frauen offenbar durch geschlechtsspezifische Gewalt getötet wurden. Dennoch wurde der Straftatbestand des Femizids auch 2023 nicht ins Strafgesetzbuch aufgenommen.

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