Asien: Große Modekonzerne profitieren von Menschenrechtsverletzungen
© Amnesty International
Neue Recherchen von Amnesty International belegen: Große Modekonzerne, darunter die deutsche Otto-Gruppe sowie Adidas, profitieren von der systematischen Verletzung von Arbeits- und Menschenrechtsstandards in Zulieferbetrieben in Bangladesch, Indien, Pakistan und Sri Lanka.
Die neuen Berichte "Stitched Up" und "Abandoned by Fashion" zeigen deutlich, wie Einschüchterung, Gewalt, Entlassungen und bürokratische Barrieren gezielt genutzt werden, um das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung am Arbeitsplatz zu unterlaufen. Die Profiteure sind die großen Modemarken, die durch ihr Einkaufsverhalten und fehlende Transparenz das Verhalten von Arbeitgebern und staatlichen Stellen vor Ort aufrechterhalten oder gar verschlimmern.
Yasmin Khuder, Expertin für Klimagerechtigkeit und Wirtschaft & Menschenrechte kritisiert dieses Verhalten: "Viel zu lange schon versprechen die großen Modeunternehmen, sie würden auf freiwilliger Basis Verantwortung übernehmen. Dies dient nur dazu, ein Geschäftsmodell zu kaschieren, das auf bewusst einkalkulierter Ausbeutung und systematischer Entrechtung von Arbeitskräften im Globalen Süden basiert. Nur verbindliche gesetzliche Regelungen können sicherstellen, dass die Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten auch wirklich wahrnehmen. Wir fordern ein Ende der systematischen Missstände und echte Mitbestimmung für Beschäftigte in der Modeindustrie in Südasien."
Abbau von menschenrechtlichen Standards ist der falsche Weg
Die zwei neuen Berichte unterstreichen die Notwendigkeit verbindlicher Regelungen – und das in einer Zeit, in der die Rückabwicklung menschenrechtlicher Errungenschaften vorangetrieben wird: Auf deutscher Ebene forciert die Bundesregierung die Aufweichung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Mitte November hat zudem das Europaparlament die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CRSD) massiv abgeschwächt.
Systematische Verweigerung von Arbeitsrechten
Amnesty International führte zwischen September 2023 und August 2024 Recherchen in 20 Fabriken in den vier Ländern durch und sprach mit 88 Beschäftigten, die meisten davon Frauen.
In allen vier Ländern gaben die Befragten an, dass sie es wegen der Androhung von Konsequenzen seitens des Arbeitgebers nicht wagten, einer Gewerkschaft beizutreten. Alle Gewerkschafter*innen, mit denen Amnesty International gesprochen hat, beschrieben ein Klima der Angst: Die Arbeiter*innen würden durch Aufseher*innen und Fabrikbesitzer*innen regelmäßig schikaniert, bedroht oder gar entlassen, weil sie eine Gewerkschaft gründeten oder Gewerkschaftsmitglieder waren. Dies verstößt eindeutig gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit.
"Wenn Arbeiter*innen ihre Stimme erheben, werden sie ignoriert. Wenn sie sich organisieren, werden sie bedroht und entlassen", so ein NGO-Mitarbeiter aus Bangladesch.
Frauen besonders betroffen
Die meisten Angestellten in den Textilfabriken Südasiens sind Frauen, die häufig aus ländlichen Gebieten stammen oder marginalisierten Kasten angehören. Sie berichten von Belästigung und sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz. In den von Männern geleiteten Fabriken fehlt es an wirksamen, unabhängigen Beschwerdemechanismen.
"Ich wurde begrapscht und verbal angegriffen. Niemand wollte meine Beschwerden hören", sagte eine Gewerkschafterin aus Pakistan.
Die globale Modeindustrie funktioniert bis heute nach kolonialen Mustern: Sie schöpft billige Arbeitskraft aus dem Globalen Süden ab, um Gewinne im Globalen Nordern zu maximieren. Armut, Unsicherheit und gefährliche Arbeitsbedingungen sind kein unerwartetes Nebenprodukt, sondern integraler Bestandteil der Arbeitsteilung innerhalb der Modebranche.
Amnesty fordert:
- Echte Gewerkschaftsbeteiligung, Schutz der Vereinigungsfreiheit und Sanktionen bei Verstößen: Nur so können Armutslöhne, Überstunden und geschlechtsspezifische Diskriminierung wirksam bekämpft werden.
- Verbindliche Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette: Der Gesetzgeber muss verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einführen, die Unternehmen zu Transparenz, Prävention und Wiedergutmachung verpflichten. Modeunternehmen müssen proaktiv, transparente und verbindliche Maßnahmen ergreifen, inklusive globaler Rahmenabkommen und langfristiger Zusammenarbeit mit unabhängigen Gewerkschaften.