Interview mit Tochter der inhaftierten Nahid Taghavi: "Es ist ein Horrortrip!"

Die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi (Archivbild)
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Die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi befindet sich seit Oktober 2020 im Iran in Isolationshaft – ohne Anklage und Kontakt zu einem Rechtsbeistand. Ihre Tochter Mariam Claren kämpft seitdem für ihre Freilassung. Amnesty unterstützt sie dabei und hat für ihre Mutter eine Appell-Aktion gestartet. Von der deutschen Bundesregierung fordert Mariam Claren ein entschlosseneres Vorgehen gegenüber den iranischen Behörden.
Ihre Mutter Nahid Taghavi wurde am 16. Oktober 2020 in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen. Haben Sie seitdem mit ihr gesprochen?
Nein, das letzte Mal haben wir am Vormittag des 16. Oktober 2020 telefoniert. Es war ein total banales Gespräch über einen persischen Eintopf und die Zutaten, die man dafür braucht. Sie sagte zu mir, lass uns morgen darüber sprechen, wenn du alle Zutaten besorgt hast. Nach diesem Telefonat brach der Kontakt ab.
Wissen Sie, wie es Ihrer Mutter geht?
Ihr geht es nicht besonders gut. Sie ist 66 Jahre alt, ist in Haft an Diabetes erkrankt und leidet unter Bluthochdruck. Mittlerweile kann sie zumindest einmal pro Woche mit ihrem Bruder telefonieren. Es gab aber auch Zeiten, da hörten wir wochenlang nichts von ihr. Ich hoffe, dass sie nicht auf die perfiden Tricks und falschen Versprechungen der Sicherheitsbeamten hereinfällt. Mal wird ihr versprochen, sie käme mittels Kaution frei, dann wiederum soll es ein Gerichtsverfahren geben. Über eine offizielle Anklage wissen wir immer noch nichts. Dann erfuhren wir vor kurzem, dass ihr Anwalt abgelehnt wurde. Stattdessen soll meine Mutter nun einen Anwalt auswählen, dem "das Justizministerium vertraut". Das ist doch absurd. Seit mehr als vier Monaten hat sie keinen Rechtsbeistand. Dass ihr Verfahren nicht fair ablaufen wird, ist offensichtlich.
Was hat sich in Ihrem Leben seit der Festnahme verändert?
Es ist ein Horrortrip. Man kann sich der Angst, der Ungewissheit, nicht entziehen. Nicht nur muss man von heute auf morgen verstehen, wie das Rechtssystem im Iran funktioniert. Hinzukommen die ständigen Zweifel: Wird genug über meine Mutter berichtet? Gerät ihr Fall in Vergessenheit? Habe ich wirklich alles dafür getan, dass sie freikommt? Wir reden von einem Staat, der Menschen- und Frauenrechte systematisch verletzt. Und genau dort ist meine Mutter eine politische Gefangene.
Wissen Sie ob Ihr Engagement bei den Behörden im Iran wahrgenommen wird?
Ja, das wird es. Jedes Mal, wenn ich mich öffentlich über meine Mutter geäußert habe, weil ich beispielsweise befürchte, dass sie gefoltert werden könnte, durfte sie einen Anruf tätigen. Die Behörden haben sich auch schon direkt bei meinem Onkel beschwert. Dass es eine Unverschämtheit von mir sei, überhaupt das Thema Menschenrechtsverletzungen im Iran in den Mund zu nehmen. Die Behörden beobachten das sehr genau.
Was fordern Sie von der iranischen bzw. deutschen Regierung?
Von der deutschen Bundesregierung erwarte ich, dass sie entschlossener gegen eine solche offensichtliche Willkür und Verletzung von Menschenrechten vorgeht und sich für die Freilassung meiner Mutter einsetzt. Vom 1. bis 3. März 2021 findet das "Europa-Iran Business Forum" statt, bei dem unter anderem der deutsche Botschafter anwesend sein wird. Wissen Sie, welches Signal eine solche Business-Konferenz an Menschen wie uns sendet, deren Familienmitglieder im Iran als politische Gefangene inhaftiert sind? Es ist ein Schlag ins Gesicht.
Fragen: Ralf Rebmann