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Feministische Außenpolitik: Hoffnung für die Menschenrechte?
Demonstration am Weltfrauentag in der pakistanischen Stadt Lahore (Archivaufnahme)
© Amnesty International
Am 1. März stellte Außenministerin Annalena Baerbock die Leitlinien feministischer Außenpolitik öffentlich vor. Dieser im Kern menschenrechtsbasierte Politikansatz, der menschliche Sicherheit ins Zentrum setzt und bestehende Machstrukturen hinterfragt, weckt große Hoffnungen. Amnesty-Mitarbeiter*innen aus Ländern, deren Regierung ihre Außenpolitik als feministisch bezeichnen, zeigen auf, wie wichtig es ist, dass der eigene Anspruch tatsächlich auch umgesetzt wird.
Die 80 Seiten, auf denen die Leitlinien feministischer Außenpolitik des Auswärtigen Amtes stehen, konkretisieren den im Koalitionsvertrag formulierten Vorsatz der Bundesregierung: "Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern." Auch wenn die "drei Rs (Rechte, Repräsentanz, Ressourcen)" als die Hauptziele definiert werden, findet sich im Fließtext auch die Förderung von Vielfalt als durchgehendes Prinzip.
Die Leitlinien machen damit deutlich, dass es sich bei feministischer Außenpolitik nicht nur um eine Politik für Frauen handelt, sondern um eine Außenpolitik für alle Menschen, einschließlich derjenigen, "die aufgrund von Geschlechtsidentität, Herkunft, Religion, Behinderung, sexueller Orientierung oder aus anderen marginalisiert werden." Dabei sollen laut der Leitlinien "historisch gewachsene Machtstrukturen" benannt und überwunden werden.
Denn während Außenpolitik traditionell auf die Sicherheit von Staaten fokussiert, setzt feministische Außenpolitik die Bedürfnisse von Menschen in den internationalen Beziehungen in den Mittelpunkt. Der Schutz von Menschen, die besonders stark von Menschenrechtsverletzungen und struktureller Diskriminierung betroffen sind, bildet dabei den Kern von feministischer Außenpolitik. Gleichzeitig erkennt sie die Handlungsfähigkeit von marginalisierten Menschen an und fördert sie.
Tarah Demant, Expertin von Amnesty International in den USA, sagt dazu: "Feministische Außenpolitik priorisiert Geschlechtergerechtigkeit, Antidiskriminierung und die Menschenrechte aller Menschen. Sie strebt an, koloniale, rassistische, patriarchale und männlich dominierte Machtstrukturen, aufzubrechen. Denn sie tragen dazu bei, dass unsere Welt ungleich und unsicher ist. Feministische Außenpolitik macht uns alle stärker und sicherer. Es macht die Welt zu einem faireren und sicheren Ort für uns alle."
Eine feministische Außenpolitik muss die Machtstrukturen, die Menschen unterdrücken und ihre Menschenrechte verletzen, klar benennen und angehen. Dazu gehören neben patriarchalen Gewaltstrukturen auch die kolonialen Kontinuitäten vergangener Menschenrechtsverletzungen. Allerdings wird die Übernahme "historischer Verantwortung auch für unsere koloniale Vergangenheit" leider nur im Vorwort der Ministerin thematisiert.
Dieser neue Politikansatz, der die Notwendigkeit strukturelle Veränderung anerkennt, soll im ganzen Ministerium verankert werden. Neben vier nach innen gerichteten Leitlinien für die Arbeitsweise im Auswärtigen Dienst, werden mit sechs Leitlinien für das außenpolitische Handeln folgende Politikfelder benannt: Friedens- und Sicherheitspolitik, humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Menschenrechtspolitik, Klima- und Energieaußenpolitik, Außenwirtschaftspolitik sowie auswärtige Kultur- und Gesellschaftspolitik. Parallel wurde im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine Strategie feministischer Entwicklungszusammenarbeit entwickelt, die zusammen mit den Leitlinien feministischer Außenpolitik am 1. März im Bundeskabinett vorgestellt wurde.
Da Politik außerhalb der deutschen Grenzen nicht nur vom Auswärtigen Amt und BMZ betrieben wird, sollte es eine einheitliche Strategie zur Umsetzung feministischer Außenpolitik geben. Das betrifft die gesamte Regierung – auch und gerade das Bundeskanzleramt. Nur so kann die Bundesregierung ihrem eigenen Anspruch aus dem Koalitionsvertag, "ressortübergreifend" deutsche Außenpolitik "aus einem Guss" zu machen, gerecht werden.
Darüber hinaus müssen für eine kohärente Politik sowohl feministische Außenpolitik als auch Innenpolitik zusammen gedacht und umgesetzt werden. Eine Regierung, die sich auf internationaler Ebene für Rechte, Ressourcen und Repräsentation von marginalisierten Menschen sowie für Vielfalt einsetzt, muss das Gleiche auch konsequent im eigenen Land umsetzen, um glaubwürdig zu sein.
Die Erfahrung von Amnesty in Ländern, in denen bereits eine feministische Außenpolitik ausgerufen wurde, zeigt, wie wichtig es ist, dem eigenen Anspruch tatsächlich gerecht zu werden. Wenn sich ein Staat beispielsweise international für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzt, sollte er auch im eigenen Land eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet einnehmen. Feministische Proteste mit Gewalt zu unterdrücken und gleichzeitig von einer feministischen Außenpolitik zu sprechen, zeigte in Mexiko auf, dass glaubhafte feministische Außenpolitik anders aussehen muss.
"Wir erwarten, dass eine feministische Außenpolitik in Aktionen innerhalb des Landes umgesetzt wird. Man kann nicht nach außen hin feministisch sein, während im eigenen Land der Staat weiterhin die Rechte von Frauen verletzt", sagt Edith Olivares Ferreto, Direktorin von Amnesty International in Mexiko.
Die Zivilgesellschaft wird die deutsche Regierung daran messen, ob sie ihrem eigenen Anspruch einer feministischen Außenpolitik auch in der Praxis gerecht wird.
Von anderen Staaten wissen wir, wie wichtig eine strukturelle Verankerung der Ziele feministischer Außenpolitik ist, wenn sie langfristig weiterverfolgt werden sollen. Schweden, das 2014 angekündigt hatte, eine feministische Regierung zu führen und sich dabei auf Frauenrechte konzentrierte, nennt seit Herbst 2022 die eigene Außenpolitik nicht mehr feministisch.
Ellen Thorell, Expertin bei Amnesty International in Schweden, sagt dazu: "Da Schweden dazu beigetragen hat, dass einige andere Länder ihre Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit zu vertiefen (und ihre eigene feministische Außenpolitik zu starten), ist es enttäuschend zu sehen, dass die neue Regierung damit nicht weitermachen will. Auch wenn sie die Arbeit zu Frauenrechten fortführen, die symbolische Wirkung, dass nicht mehr von feministischer Außenpolitik gesprochen wird, ist nicht zu unterschätzen."