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70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention: Unentbehrlich für den Flüchtlingsschutz
Amnesty-Aktion in Berlin für die Aufnahme von Flüchtlingen (Archivaufnahme)
© Amnesty International, Foto: Jan Petersmann
Heute vor 70 Jahren, am 28. Juli 1951, wurde in Genf das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", besser bekannt als Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), unterzeichnet. Die GFK war damals ein erheblicher Fortschritt für den Schutz von Flüchtlingen: Sie gab ihnen erstmals Rechtsansprüche gegenüber Staaten, sie definierte, wer die Flüchtlingseigenschaft erfüllt, welchen Rechtsschutz Flüchtlinge gegenüber Staaten haben und welche sozialen Rechte ihnen im Aufnahmeland zustehen. Aktuell haben 149 Staaten die Konvention, das Protokoll oder beide Dokumente unterzeichnet.
Die GFK ist entstanden als Lehre aus den Menschenrechtsverbrechen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Damals hatten viele Länder Flüchtlinge oft an den Grenzen zurückgewiesen, obwohl sie Schutz vor Verfolgung benötigt hätten.
Mit Unterzeichnung der GFK verpflichteten sich die Vertragsstaaten, Flüchtlinge nicht an den Landesgrenzen zurückzuweisen. Dieses Zurückweisungsverbot (Refoulement-Verbot) ist in Artikel 33 der GFK verankert. Um festzustellen, ob jemand Flüchtling ist, muss ein faires Verfahren durchgeführt werden, das geeignet ist, festzustellen, ob die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft im Einzelfall erfüllt sind.
Im Gegensatz zu anderen Menschenrechtsabkommen gibt es in der GFK allerdings nicht die Möglichkeit, Verstöße gegen die Konvention zu ahnden. Diese fehlende Kontrollinstanz führt leider dazu, dass immer mehr Vertragsstaaten gegen die GFK verstoßen, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zieht.
Auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union verstoßen gegen die GFK. So kommt es zu Zurückweisungen an den Außengrenzen der EU, ohne dass das Anliegen der Asylsuchenden in einem fairen Verfahren überprüft wird – klare Verstöße gegen das Refoulement-Verbot.
Neue Recherchen von Amnesty International zeigen, dass griechische Grenzbeamte Schutzsuchende systematisch an den See- und Landgrenzen in die Türkei zurückdrängen. Im vergangenen Jahr wurden zahlreiche dieser "Push Backs" dokumentiert, wobei Beweise für eine Beteiligung der EU-Grenzschutzagentur Frontex an diesen Rückschiebungen vorliegen.
In den libyschen Internierungslagern für Flüchtlinge, wie hier im Lager Tarik Al Sika in Tripolis, herrschen unmenschliche Zustände. (Archivaufnahme vom September 2017)
© Taha Jawashi
Im Mittelmeer fängt die libysche Küstenwache Menschen, die versuchen, über Libyen nach Europa zu gelangen, in vielen Fällen ab und bringt sie unter Zwang zurück in libysche Haftzentren. Amnesty International hat jüngst in einem Bericht dokumentiert, dass dort Männer, Frauen und Kinder schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Dazu gehören systematische Folter, sexualisierte Gewalt und Zwangsarbeit. Trotz überwältigender Belege für das rechtswidrige Verhalten der libyschen Küstenwache auf See und systematische Menschenrechtsverletzungen in den Haftzentren in Libyen hält die Europäische Union weiterhin an der Kooperation mit Libyen fest. Erst kürzlich hat das italienische Parlament zugestimmt, militärische Unterstützung und Ressourcen für die libysche Küstenwache weiterhin bereitzustellen.
Im September 2020 hat die EU-Kommission Vorschläge für einen neuen Asyl- und Migrationspakt vorgelegt. Die Umsetzung einer Reihe dieser Vorschläge würde das System des Flüchtlingsschutzes erheblich schwächen. Dies gilt auch für den Vorschlag, an den Außengrenzen der EU für bestimmte Flüchtlingsgruppen ein Vorverfahren, ein sogenanntes "Screening-Verfahren" einzuführen. Asylsuchende sollen im Grenzbereich festgesetzt werden. Innerhalb weniger Tage soll über die Einreise und einen Zugang zum Asylverfahren entschieden werden. Amnesty International bezweifelt, dass eine fachlich qualifizierte Überprüfung der Asylgründe so möglich ist.
Weltweit sind laut dem UNHCR 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Damit bleibt die GFK auch nach 70 Jahren ein wichtiges Schutzinstrument für Asylsuchende und Flüchtlinge. Zur Stärkung der GFK sollte Deutschland deutlich die Verstöße gegen die GFK ansprechen und die betreffenden EU-Mitgliedstaaten als auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex auffordern, ihren Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen nachzukommen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und der Entstehungsgeschichte der GFK hat Deutschland hier eine besondere Verantwortung. Die Bundesregierung muss mit gutem Beispiel vorangehen und sich entschieden gegen Versuche wenden, die Schutzbestimmungen der GFK zu unterlaufen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 28. Juli 2021 als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.