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Ägypten: Geheimdienst schüchtert Aktivist_innen massiv ein
Strafverfolgung, Inhaftierung und Folter: Der ägyptische Inlandsgeheimdienst bedroht und schikaniert Menschenrechtsverteidiger_innen, um sie zum Schweigen zu bringen.
© Amnesty International
Der ägyptische Inlandsgeheimdienst schikaniert zunehmend Menschenrechtsverteidiger_innen, um sie zum Schweigen zu bringen. Dies dokumentiert Amnesty International in einem neuen Bericht. Die Menschenrechtsorganisation fordert von der Bundesregierung ein, Druck auf die ägyptische Regierung auszuüben, die Repression zu beenden.
Der ägyptische Inlandsgeheimdienst (National Security Agency – NSA) schikaniert zunehmend Menschenrechtsverteidiger_innen und politische Aktivist_innen, um sie zum Schweigen zu bringen und damit ihr Leben zu zerstören. In ihrem neuen Bericht "This will only end when you die" dokumentiert Amnesty International, wie der Geheimdienst Menschenrechtsaktivist_innen systematisch zu rechtswidrigen Zwangsverhören vorlädt. Diese Praxis kommt einer grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Strafe gleich.
Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Die neue Taktik der NSA, Menschenrechtsverteidiger_innen zu schikanieren und zu belästigen, verfolgt offenkundig das klare Ziel, diese mutigen Aktivist_innen einzuschüchtern und den ohnehin schon schwierigen Einsatz für Menschenrechte in Ägypten endgültig zu unterdrücken."
Der Bericht dokumentiert, wie der Geheimdienst das Leben von 19 Männern und sieben Frauen zwischen 2020 und 2021 massiv beeinträchtigt hat. Die befragten Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen berichteten, dass sie regelmäßig vom Geheimdienst vorgeladen wurden. Bei den Verhören wurde ihnen mit Inhaftierung, Strafverfolgung, Folter und anderer grausamer Behandlung gedroht, sollten sie Vorladungen nicht Folge leisten oder sich weigern, dem Geheimdienst Informationen mitzuteilen. Telefone und Social-Media-Konten wurden ohne rechtliche Grundlage ausgelesen. Bei denjenigen, die nicht zum Verhör erschienen, wurden die Wohnungen durchsucht.
Müller-Fahlbusch sagt: "Diese Einschüchterungen und Bedrohungen durch die NSA führen dazu, dass Aktivist_innen, Anwält_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen der Möglichkeit beraubt werden, ein normales Leben in Freiheit und Sicherheit zu führen. Nachdem sie teilweise mehrere Jahre im Gefängnis saßen, werden sie nun ein zweites Mal für ihren friedlichen Einsatz für die Menschenrechte bestraft. Amnesty International fordert vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi ein, diese Form der außergerichtlichen Drangsalierung sofort zu beenden."
Doppelt bestraft: Außergerichtliche Bewährungsmaßnahmen
Die befragten Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen waren in der Vergangenheit bereits bis zu drei Jahre lang inhaftiert, weil sie friedlich ihre Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten. Die Polizei forderte sie nach ihrer Freilassung auf, sich regelmäßig beim Geheimdienst zu melden. Bei den Verhören, die entweder in den NSA-Büros einer Polizeiwache oder in separaten Räumen des Geheimdienstes stattfanden, wurde ihnen stunden- oder tagelang ohne rechtliche Grundlage die Freiheit entzogen. Dieses Vorgehen wurde weder von den Justizbehörden überwacht noch hatten die Betroffenen die Möglichkeit, Rechtsmittel dagegen einzulegen oder Entschädigungen zu beantragen.
Diese außergerichtlichen polizeilichen Bewährungsmaßnahmen, die vom Geheimdienst als "Kontrolle" bezeichnet werden, kommen einer willkürlichen Freiheitsberaubung gleich. Das Völkerrecht, die ägyptische Verfassung und das Strafgesetzbuch verbieten Folter und andere Misshandlungen sowie willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, die Familie, die Wohnung oder die Post einer Person.
Amnesty International fordert von der ägyptischen Staatsanwaltschaft ein, gründliche und unabhängige Ermittlungen zu den missbräuchlichen Praktiken des Geheimdienstes einzuleiten. Die Verantwortlichen müssen umgehend zur Rechenschaft gezogen werden. Präsident Abdel Fattah al-Sisi sollte den Innenminister anhalten, die außergerichtlichen Schikanen und Vorladungen von Menschenrechtsverteidiger_innen und anderen Aktivist_innen unverzüglich zu beenden, und diese Praxis öffentlich anprangern.
Müller-Fahlbusch sagt: "Die dokumentierten Einschüchterungen und Bedrohungen sind ein Beispiel dafür, wie Mitarbeiter_innen des NSA ihre Macht missbrauchen, um grundlegende Freiheits- und Menschenrechte mit den Füßen zu treten. Da Verantwortliche offenbar der politische Wille fehlt, die grassierende Straflosigkeit zu beenden, fordert Amnesty International von den Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrats ein, die Einrichtung eines Überwachungs- und Berichterstattungsmechanismus zu Ägypten einzuleiten."
10 Jahre nach dem Arabischen Frühling ist die Menschenrechtslage in Ägypten an einem Tiefpunkt angelangt. Amnesty International fordert deshalb von der Bundesregierung ein, die ägyptische Zivilgesellschaft entschieden zu unterstützen und sich für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen einzusetzen. Die Bundesregierung darf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Ägypten nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder Sicherheitsinteressen ausblenden, sondern muss von der ägyptischen Regierung einfordern, die Praxis der Unterdrückung zu beenden.