Aktuell Kultur China 05. Oktober 2023

"Total Trust": Willkür durch Überwachung

Das Bild zeigt ein Kind und eine Frau, die nebeneinander sitzen. Das Kind hält ein Tablet in der Hand, darauf zu sehen das Foto eines Mannes. Die Frau nimmt gleichzeitig ein Video von sich mit dem Smartphone auf.

"Überwachen, um gesellschaftliche Kontrolle zu erlangen:" Szene aus dem Film aus "Total Trust".

Wenn das die Gegenwart ist, wie sieht dann die Zukunft aus? Der Film "Total Trust" zeigt, wohin die Digitalisierung in China führen kann – und was sie für die Menschenrechte weltweit bedeutet.

Von Jürgen Kiontke

Der Anwalt Weiping Chang berichtet davon, dass er Menschen verteidigt hat, deren Häuser abgerissen wurden, Kläger*innen in Prozessen vertrat, in denen es um sexuelle Belästigung ging. Er sitzt seit langer Zeit im Gefängnis, sein Sohn kennt ihn nicht mehr und seine Frau Zijuan Chen wird rund um die Uhr überwacht: Sie schreibt Petitionen, dreht Videos, um Öffentlichkeit zu schaffen.

Die Journalistin Sophia Huang erzählt, sie habe kritische Artikel zu sexuellen Übergriffen hochgestellter Personen geschrieben und erwarte nun einen Prozess wegen Anstiftung zum Umsturz. "Früher war es in China kein Problem, kritische Artikel zu schreiben, man nahm dies zum Anlass, Gesetze zu überdenken", sagt sie. So sei es aber nicht mehr. 

Und Quanzhang Wang gehört zu einer großen Gruppe von Anwält*innen und Aktivist*innen, die 2015 nach einer Verhaftungswelle eingesperrt wurden. Er berichtet von Folter und erzwungenen Selbstanklagen. Nach fünfjähriger Haft kann er zu seiner Familie, doch die Überwachung geht weiter, im Treppenhaus werden Kameras installiert.

Menschen wie ihnen widmet Regisseurin Jialing Zhang ihren Film "Total Trust", in dem sie ausführlich zu Wort kommen. Anhand der Schicksale ihrer Protagonist*innen schildert er, welche Überwachungsmethoden die staatlichen Stellen Chinas anwenden, um vermeintliche politische Gegner*innen mundtot zu machen. "Die Überwachung ist allgegenwärtig und dient als ein Mittel, um gesellschaftliche Kontrolle zu erlangen", sagt Zhang. "Letztlich führt sie zur Einschränkung grundlegender Freiheiten. Die Covid-Pandemie hat die Situation weiter verschärft."

Trailer von "Total Trust":

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Überwachung, dazu gehören hier: Gegenüber den Wohnungen werden hoch hängende Kameras installiert, anhand von Handydaten und Kontobewegungen werden Bewegungsprofile erstellt, man bekommt Besuch von der Polizei und wird faktisch in der eigenen Wohnung eingesperrt. Wenn Zijuan Chen ihren Mann im Gefängnis anlässlich einer Anhörung besuchen will, wissen Mitarbeiter*innen an Autobahnkontrollstellen bereits, dass sie unterwegs ist und setzen sie fest. Und vor Quanzhang Wangs Wohnung haben sich Beamt*innen postiert, um den Einlass zu kontrollieren. 

In sehr privater Umgebung protokolliert die Filmkamera Zhangs das Leben der Porträtierten, manches geht sehr weit, insbesondere wenn es um den Alltag der Kinder in den Familien geht. Es ist jedoch in höchstem Maße bedrückend anzusehen, mit welchen Drangsalierungen die Menschen in diesem Film zu kämpfen haben. 

Zu Wort kommen auch Quartiersbeauftragte, die jeden Schritt der Anwohner*innen in den Wohnblocks der Siedlungen mithilfe eines ausgefeilten Punktesystems der sozialen Kontrolle protokollieren. 

"In diesem Film geht es um eine globale Frage - auf welche Art von Gesellschaft wir zusteuern wollen", sagt Zhang. Dass Zuschauer Wut und Entsetzen empfänden, sei durchaus gewollt: "Wut darüber, was ihre Regierungen mit dem Leben der Einzelnen machen können. Schrecken darüber, wie genau die Behörden die Bürger beobachten und die Daten nutzen können."

"Wenn das die Gegenwart ist, wie sieht dann unsere Zukunft aus?" heißt es im Film. Wie werden Daten in heutigen Gesellschaften genutzt? Regisseurin Zhang sieht das Verhalten chinesischer Behörden als paradigmatisch für einen weltweiten Trend, moderne Kommunikation und Digitalisierung zur Kontrolle einzusetzen. Insbesondere die Corona-Maßnahmen hätten zu einem Digitalisierungsschub der Überwachungsindustrie geführt. 

Ob Auswertung von Gesundheitsdaten, Einsatz von Gesichtserkennungssoftware im öffentlichen Raum oder flächendeckender Installation von Mikrofonen: In vielen Ländern werden diese Methoden angedacht oder bereits umgesetzt. Big Data mache Totalitarismus um einiges einfacher, sagt Anwalt Wang.

"Total Trust" ist ein aufrüttelnder und auch sehr trauriger Film. Die Menschen, die er begleitet, lassen sich jedoch nicht entmutigen und zeigen durchaus Wege, wie man der allumfassenden Kontrolle mutiges Engagement entgegensetzen kann.

"Totel Trust". D/NL 2023. Regie: Jialing Zhang. Kinostart: 5. Oktober 2023

 

Die Termine: 

Hamburg: Deutschland-Premiere beim Filmfest Hamburg. 29. September, 19 Uhr, Metropolis - mit Gästen.

Stuttgart: 2. Oktober, 18 - Atelier am Bollwerk - mit Gast.

Nürnberg: Internationales Human Rights Film Festival. 3. Oktober. - Cinecitta, 18 Uhr - mit Gast

Berlin (in Kooperation mit dem Human Rights Film Festival Berlin): 4. Oktober - Hackesche Höfe Kino, 20 Uhr - mit Gästen.

Münster: 5. Oktober - Cinema - mit Gast.

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