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Ägypten: vier und fünf Jahre Haft

Der Aktivist Alaa Abdel Fattah und der Anwalt Mohamed el-Baqer aus Ägypten
© privat
Am 20. Dezember 2021 verurteilte das Staatssicherheitsgericht den Menschenrechtsverteidiger Alaa Abdel Fattah zu fünf Jahren und den Menschenrechtsanwalt Mohamed al-Baqer zu vier Jahren Gefängnis. Sie wurden wegen der fadenscheinigen Anklage der "Verbreitung falscher Nachrichten" über ihre Beiträge in den Sozialen Medien verurteilt. Beide sind mittlerweile schon 28 Monate willkürlich inhaftiert, und das nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte. Amnesty International fordert ihre umgehende und bedingungslose Freilassung.
Appell an
Präsident
Abdel Fattah al-Sisi
Al Ittihadia Palace
Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S.E. Herrn Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7, 10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie höflich auf, Alaa Abdel Fattah und Mohamed Baker umgehend und bedingungslos freizulassen, das Urteil gegen sie für nichtig zu erklären und alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen, da sie nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.
- Bis zu ihrer Freilassung fordere ich Sie nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass sie unter Bedingungen festgehalten werden, die den internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen entsprechen. Dazu zählt, sie vor Folter und anderen Misshandlungen zu schützen und ihnen den regelmäßigen Kontakt zu ihren Familienangehörigen und Rechtsbeiständen zu gewähren.
Sachlage
Am 20. Dezember 2021 wurden der Menschenrechtsverteidiger Alaa Abdel Fattah und der Menschenrechtsanwalt Mohamed al-Baqer durch ein Staatssicherheitsgericht für die "Verbreitung falscher Nachrichten, die die nationale Sicherheit untergraben" zu einer Strafe von fünf bzw. vier Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl sie nur friedlich ihre Menschenrechte ausgeübt hatten.
Alaa Abdel Fattah, ein bekannter politischer Aktivist und Regierungskritiker, wurde in den letzten Jahren wiederholt festgenommen, unter anderem wegen seiner Rolle beim Aufstand von 2011. Mohamed al-Baqer ist Menschenrechtsanwalt und Direktor des Adalah Center for Rights and Freedoms, das er 2014 gegründet hat. Sie gehören zu den Tausenden von Menschen, die in Ägypten nach grob unfairen Verfahren, einschließlich Massen- und Militärprozessen, willkürlich inhaftiert sind, oder weil sie ihre Menschenrechte wahrgenommen haben.
Verfahren vor den Staatssicherheitsgerichten sind grundsätzlich nicht fair, denn ihre Urteile können nicht vor einem höheren Gericht angefochten werden. Den Angeklagten wurde ihr Recht auf angemessene Verteidigung verweigert, da ihre Rechtsbeistände daran gehindert wurden, vertraulich mit ihnen zu kommunizieren und ihre Fallakten, Anklageschriften, und Urteilssprüche zu kopieren. Die Rechtsbeistände reichten Beschwerden bei der Behörde ein, die für die Bestätigung der Urteile von Staatssicherheitsgerichten zuständig ist. Das Ziel ist hier, Präsident Abdel Fattah al-Sisi dazu zu bewegen, diese Urteile gemäß Artikel 14 des Notstandsgesetzes für nichtig zu erklären.
Alaa Abdel Fattah und Mohamed al-Baqer sind seit September 2019 willkürlich inhaftiert und werden im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 in Kairo unter grausamen, unmenschlichen, und erniedrigenden Bedingungen festgehalten. Dies verstößt gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen. Am 9. Januar 2022 wurde ihre Untersuchungshaft in einem separaten Strafverfahren (Nr. 1356/ 2019) um weitere 45 Tage verlängert. In diesem Verfahren wurden ihnen unbegründete Terrorismus-Vorwürfe gemacht. Während der Anhörung sprach Alaa Abdel Fattah mit dem Vorsitzenden Richter über die Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung und über die schlechten Haftbedingungen. Dazu zählt, dass ihm Lesematerial, Sport im Gefängnishof, ein Bett und eine Matratze verweigert werden. Außerem äußerte er Bedenken bezüglich der Menschenrechtsverletzungen gegenüber anderen Inhaftierten, deren Zeuge er wurde, und darüber, dass ein Sicherheitsbeamter ihm schwerwiegende Folgen angedroht hatte, sollte er nicht schweigen. Auch seine Isolierung von anderen Inhaftierten bei der Fahrten vom Gefängnis zum Gericht erwähnte er dabei.
Am 18. Januar 2022 lehnte das Kassationsgericht die Rechtsmittel, die Alaa Abdel Fattah, Mohamed al-Baqer und 27 andere gegen ihre willkürliche Aufnahme in die "Terroristenliste" im November 2020 einlegten, endgültig ab. Bei diesem Verfahren mit der Nummer 1781/2019 wurde ebenfalls gegen rechtsstaatliches Vorgehen verstoßen. Die Entscheidung hat unter anderem ein Reiseverbot, das Einfrieren der Vermögenswerte und ein fünfjähriges Verbot der politischen oder staatsbürgerlichen Tätigkeit zur Folge.
Hintergrundinformation
Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah befinden sich seit dem 29. September 2019 in Haft, da gegen sie wegen "Beitritts zu einer terroristischen Vereinigung", "Finanzierung einer terroristischen Vereinigung", "Verbreitung falscher Nachrichten, die die nationale Sicherheit untergraben" und "Nutzung sozialer Medien zur Begehung eines Veröffentlichungsdelikts" ermittelt wird. Dies geschieht unter der Fallnummer 1356/2019 der Obersten Staatsanwaltschaft SSSP, einer auf die Untersuchung von Bedrohungen der nationalen Sicherheit spezialisierten Abteilung der Staatsanwaltschaft. Die SSSP leitete unter der neuen Fallnummer 1228/2021 Ermittlungen wegen ähnlicher Anschuldigungen gegen sie ein. Dies ist Teil einer von den Behörden zunehmend angewandten Strategie, die als "Rotation" bezeichnet wird, um die nach ägyptischem Recht zulässige zweijährige Untersuchungshaft zu umgehen und die Inhaftierung von Aktivist_innen auf unbestimmte Zeit verlängern zu können.
Am 28. Oktober 2021 begann das Gerichtsverfahren von Alaa Abdel Fattah und Mohamed al-Baqer im Fall Nr. 1228/2021 zeitgleich mit dem Verfahren gegen einen anderen Angeklagten: Der Blogger und Aktivist Mohamed Ibrahim Radwan "Oxygen" wurde ebenfalls wegen Anklagen der "Verbreitung falscher Nachrichten" im Zusammenhang mit Beiträgen in den Sozialen Medien zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Der Urteilsspruch wurde vom Richter/der Richterin nicht der Norm entsprechend in Anwesenheit der Angeklagten, deren Familienangehörigen und Rechtsbeiständen verlesen, sondern, ein Justizangestellter verlas den Urteilsspruch kurzerhand nur in Anwesenheit der wenigen Rechtsbeistände, die sich zu dem Zeitpunkt noch im Gerichtssaal befanden. Seit Oktober 2021 haben die Behörden mindestens 20 Aktivist_innen, Journalist_innen, und Politiker_innen vor ein Staatssicherheitsgericht zitiert. Am 22. Juni wurde der wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktorand Ahmed Samir Santawy wegen der "Verbreitung falscher Nachrichten über die landesinterne Situation aus dem Ausland" verurteilt. Sein Strafmaß von vier Jahren Gefängnis, welches durch ein Staatssicherheitsgericht verhängt wurde, geht ebenfalls auf Beiträge in den Sozialen Medien zurück, doch Ahmed Samir Santawy stritt ab, diese verfasst zu haben. Außerdem wurde am 17. November 2021 der ehemalige Parlamentarier Zyad el-Elaimy zu fünf Jahren Gefängnis, die Journalisten Hisham Fouad und Hossam Moanis jeweils zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Auch bei ihnen geschah dies aufgrund einer Anklage, die sich auf ihre Verbreitung von Beiträgen und anderen Inhalten in den Sozialen Medien bezog, die sich kritisch zur ägyptischen Menschenrechtsbilanz und Wirtschaftspolitik positionierten. Sie wurden wegen der "Verbreitung falscher Nachrichten, die die nationale Sicherheit untergraben" verurteilt. Am 23. August 2021 zitierte der SSSP die Menschenrechtsanwältin und Gründerin der Egyptian Coordination for Rights and Freedoms Hoda Abdelmoniem, sowie Ezzat Ghoniem und 29 weitere Personen zu einem Gerichtsverfahren vor einem Staatssicherheitsgericht. Die Anklagen, die gegen sie vorgebracht wurden, waren das Verbreiten von "falschen Nachrichten" bezüglich Menschenrechtsverstößen durch Sicherheitskräfte über eine Facebook-Seite, sowie verschiedene andere Terrorismus-Anklagen.
Alaa Abdel Fattah und Mohamed al-Baqer sind unter menschenunwürdigen Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 in Kairo inhaftiert. Die Gefängnisbehörden halten sie in kleinen, schlecht belüfteten Zellen fest und verweigern ihnen Betten und Matratzen. Anders als andere Gefangene dürfen Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah weder Sport im Gefängnishof treiben noch die Gefängnisbibliothek nutzen oder Bücher und Zeitungen auf eigene Kosten im Gefängnis erhalten. Auch angemessene Kleidung, ein Radio, eine Uhr, Zugang zu warmem Wasser und jedwede persönlichen Gegenstände, wie z.B. Familienfotos, werden ihnen verweigert. Mohamed al-Baqer erzählte seiner Ehefrau während eines Gefängnisbesuchs, dass er aufgrund der schlechten Haftbedingungen und begrenzten Bewegungsmöglichkeiten inzwischen Schmerzen in Muskeln und Gelenken habe. Die Familien von Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah haben offizielle Beschwerde wegen deren Behandlung im Gefängnis eingereicht. Dazu gehört auch, dass sie keine Corona-Impfung erhalten, obwohl Sorge darüber besteht, dass die Gefangenen in sehr beengten und unhygienischen Bedingungen untergebracht sind und ohne persönliche Schutzausrüstung aus den Gefängnissen in die Gerichte gebracht werden. Es wurden keine Informationen über den Stand ihrer Beschwerden veröffentlicht. Die erschreckenden Bedingungen wirken sich sehr stark auf seine psychische Gesundheit aus, denn am 13. September äußerten sich der Rechtsbeistand und die Familie von Alaa Abdel Fattah öffentlich besorgt darüber, dass er in Gefahr sei, sich das Leben zu nehmen.
Am 23. November 2020 wurde im Amtsblatt die Entscheidung des Kairoer Strafgerichts veröffentlicht, Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah im Rahmen des Falls Nr. 1781/2019 der SSSP ohne rechtsstaatliches Verfahren für fünf Jahre auf die "Terroristenliste" zu setzen. Mohamed al-Baqer und seine Rechtsbeistände wussten bis zur Veröffentlichung des Beschlusses nicht, dass gegen ihn auch in Verfahren Nr. 1781/2019 ermittelt wurde, und er wurde von der SSSP nie in Bezug auf diese Anschuldigung befragt oder über die genauen Vorwürfe gegen ihn informiert.