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Ägypten: Inhaftierter in Lebensgefahr
Alaa Abdel Fattah (Archivaufnahme). Der Aktivist ist seit 2. April 2022 im Hungerstreik.
Die Sorge um das Leben und das Wohlergehen des Aktivisten Alaa Abdel Fattah nimmt zu, nachdem die Familie und Rechtsbeistände von seinen Selbsttötungsgedanken erfahren haben. Verursacht werden sie durch seine unfaire Inhaftierung und die grauenvollen Zustände im Gefängnis. Am 29. September jährt sich die willkürliche Haft von Alaa Abdel Fattah und Mohamed al-Baqer zum zweiten Mal. Sie sind ohne Anklage oder Verfahren allein wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert. Amnesty International fordert ihre umgehende und bedingungslose Freilassung.
Appell an
Staatsanwalt
Hamada al-Sawi
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab
Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S.E. Herrn Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie höflich auf, Alaa Abdel Fattah und Mohamed el-Baqer umgehend und bedingungslos freizulassen und alle Anklagen gegen die beiden Männer fallenzulassen, da sie nur wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.
- Sorgen Sie bitte auch dafür, dass ihre Haftbedingungen internationalen Standards entsprechen. Dazu gehört, dass sie reguläre Betten und, falls nötig, fachärztliche Behandlung auch außerhalb des Gefängnisses erhalten und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden sowie regelmäßig mit ihren Familien Kontakt haben können.
Sachlage
Der Anwalt Mohamed el-Baqer und der Aktivist Alaa Abdel Fattah befinden sich wegen unbegründeter Terrorvorwürfe seit dem 29. Oktober 2019 in willkürlicher Untersuchungshaft, nur weil sie friedlich ihre Menschenrechte wahrgenommen haben. Sie werden unter grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen, die gegen das absolute Folterverbot verstoßen, im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 in der Hauptstadt Kairo festgehalten.
Am 13. September äußerten sich der Rechtsbeistand und die Familie von Alaa Abdel Fattah öffentlich besorgt darüber, dass er in Gefahr sei, sich das Leben zu nehmen. In einer am 14. September veröffentlichten Erklärung prangert die Familie an, dass die Gefängnisbehörden ihm verbieten, Bücher oder Zeitungen zu lesen, und er keinen Zugang zu Sonnenlicht und sauberem Wasser hat. Seine Angehörigen weisen darauf hin, dass diese furchtbaren Umstände eine schädliche Wirkung auf seine psychische Verfassung haben. Sie schreiben: "Nach zwei Jahren sorgfältiger Planung und grausamer Umsetzung des Innenministeriums und des Geheimdienstes gibt seine psychische Verfassung nach. Sein Leben ist in Gefahr, in einem Gefängnis, das völlig außerhalb des Rechtsraums und unter völliger Missachtung durch die Behördenvertreter_innen, allen voran des Staatsanwalts, des Innenministers, des Justizministers und natürlich des Präsidenten, arbeitet." Seine Mutter, Leila Souef, fährt seit dem 19. September fast täglich zum Gefängnis und wartet vor dessen Toren. Dennoch verweigern die Gefängnisbehörden ihr die Übergabeeines Brief ihres Sohnes, wodurch die Sorge um sein Wohlergehen weiter zunimmt. Die Gefängnisbehörden halten Mohamed Baker unter ähnlich unmenschlichen Bedingungen fest. Er ist rund um die Uhr in einer kleinen, schlecht belüfteten Zelle eingesperrt und hat weder ein Bett noch Bücher oder Zeitungen.
Beide Männer befinden sich unter konstruierten Terrorvorwürfen und unter Verstoß gegen die ägyptische Strafprozessordnung, die eine maximale Dauer der Untersuchungshaft von zwei Jahren für Verbrechen, die mit der Todesstrafe oder lebenslanger Haft geahndet werden, vorsehen, in Untersuchungshaft. Sie stehen weder unter Anklage, noch wurden Beweise vorgelegt, die sie mit einem Verbrechen in Verbindung bringen, noch wird ihnen gestattet, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten.
Hintergrundinformation
Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah befinden sich seit dem 29. September 2019 in Haft, da gegen sie wegen "Beitritts zu einer terroristischen Vereinigung", "Finanzierung einer terroristischen Vereinigung", "Verbreitung falscher Nachrichten, die die nationale Sicherheit untergraben" und "Nutzung sozialer Medien zur Begehung eines Veröffentlichungsdelikts" ermittelt wird (Fall Nr. 1356/2019 der Obersten Staatsanwaltschaft SSSP, einer auf die Untersuchung von Bedrohungen der nationalen Sicherheit spezialisierten Abteilung der Staatsanwaltschaft). Obwohl seine Bewährungsauflagen es vorsahen, durfte Alaa Abdel Fattah am 29. September 2019 die Dokki-Polizeistation im Großraum Kairo nicht verlassen. Dort hatte er nach seiner Haftentlassung am 29. März 2019 nach Verbüßung einer ungerechtfertigten fünfjährigen Haftstrafe wegen der friedlichen Teilnahme an einer Demonstration jede Nacht zwölf Stunden verbringen müssen. Die Polizei teilte seiner Mutter mit, dass er von Angehörigen der Polizeisondereinheit National Security Agency (NSA) zur Obersten Staatsanwaltschaft für nationale Sicherheit gebracht wurde. Später an diesem Tag betrat Mohamed al-Baqer das SSSP-Gebäude, um ihn zu vertreten. Nach Angaben ihrer Familien und Freund_innen war der Aufenthaltsort von Alaa Abdel Fattah und Mohamed al-Baqer bis zum 1. Oktober 2019, als sie im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 erschienen, unbekannt.
Die beiden werden unter unmenschliche Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 in Kairo festgehalten. Vom 1. Oktober 2019 bis zum 9. Mai 2021 mussten sich Mohamed al-Baqer, Alaa Abdel Fattah und zwei weitere Gefangene eine kleine, schlecht belüftete Zelle von 3,5 x 5 Meter Durchmesser teilen. Die Gefängnisbehörden verweigern ihnen Bett und Matratze. Sie müssen auf rauen Decken auf dem Boden schlafen. Anders als andere Gefangene dürfen Mohamed el-Baqer und Alaa Abdel Fattah weder Sport im Gefängnishof treiben noch die Gefängnisbibliothek nutzen oder Bücher und Zeitungen auf eigene Kosten im Gefängnis erhalten. Auch angemessene Kleidung, ein Radio, eine Uhr, Zugang zu warmem Wasser und jedwede persönlichen Gegenstände, wie z.B. Familienfotos, werden ihnen verweigert. Am 11. Mai 2021 berichtete Mohamed al-Baqer seiner Frau bei einem Besuch, dass er in eine andere Zelle mit ähnlichen Bedingungen verlegt worden sei. Er erzählte ihr, dass er aufgrund der schlechten Haftbedingungen und begrenzten Bewegungsmöglichkeiten inzwischen Schmerzen in Muskeln und Gelenken habe.
Die Familien von Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah haben offizielle Beschwerde wegen deren Behandlung im Gefängnis eingereicht. Dazu gehört auch, dass sie nicht für eine Corona-Impfung vorgesehen sind, obwohl Sorge darüber besteht, dass Gefangene in sehr beengten und unhygienischen Bedingungen untergebracht sind und ohne persönliche Schutzausrüstung und unter beengten unhygienischen Bedingungen aus den Gefängnissen in die Gerichte gebracht werden. Es wurden keine Informationen über den Stand ihrer Beschwerden veröffentlicht.
Am 30. August 2020 wurde Mohamed al-Baqer vor die Anklagebehörde gebracht, um im Rahmen von Ermittlungen in einem neuen Fall (Nr. 855/2020) verhört zu werden. Nach Informationen von Amnesty International beruhen die Anschuldigungen der Staatsanwält_innen gegen sie vor allem auf Ermittlungsakten des Geheimdienstes (Abteilung für Innere Sicherheit), die weder von den Angeklagten noch von ihren Rechtsbeiständen eingesehen werden durften. In den letzten Monaten hat die SSSP in zunehmendem Maße gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Entscheidungen über die Freilassung von Gefangenen, die sich seit längerer Zeit in Untersuchungshaft befinden, umgangen, indem sie neue Haftanordnungen für ähnliche Anklagepunkte erließ, eine Praxis, die gemeinhin als "Rotation" bezeichnet wird. Am 14. September 2021 wurde Alaa Abdel Fattah aus dem Gefängnis zum Gericht gebracht, aber nicht dem_r Richter_in vorgeführt, der_die seine Untersuchungshaft in seiner Abwesenheit um weitere 45 Tage verlängerte.
November 2020 wurde im Amtsblatt die Entscheidung des Kairoer Strafgerichts veröffentlicht, Mohamed al-Baqer und Alaa Abdel Fattah im Rahmen des Falls Nr. 1781/2019 der SSSP ohne ordnungsgemäßes Verfahren für fünf Jahre auf die "Terroristenliste" zu setzen. Al-Baqer und seine Rechtsbeistände wussten bis zur Veröffentlichung des Beschlusses nicht, dass gegen ihn auch Verfahren Nr. 1781/2019 ermittelt wurde, und er wurde von der SSSP nie in Bezug auf diese Anschuldigung befragt oder über die genauen Vorwürfe gegen ihn informiert. Die Entscheidung hat unter anderem ein Einreiseverbot und ein fünfjähriges Verbot der politischen oder staatsbürgerlichen Tätigkeit zur Folge. Das Berufungsverfahren ist für den 23. November 2021 vor dem Kassationsgerichtshof angesetzt.
Alaa Abdel Fattah, ein bekannter politischer Aktivist und Regierungskritiker, wurde in den letzten Jahren wiederholt festgenommen, unter anderem wegen seiner Rolle beim Aufstand von 2011. Mohamed al-Baqer ist Menschenrechtsanwalt und Direktor des Adalah Center for Rights and Freedoms, das er 2014 gegründet hat. Sie gehören zu den Tausenden von Menschen, die in Ägypten willkürlich inhaftiert sind, nur weil sie ihre Menschenrechte wahrgenommen haben, oder auf der Grundlage grob unfairer Verfahren, einschließlich Massen- und Militärprozessen.