Amnesty Report Vereinigte Staaten von Amerika 29. März 2022

USA 2021

Auf einer Wiese versucht ein Mann auf einem Pferd mit Lasso und Hut einen Mann am T-Shirt festzuhalten, der versucht zu entkommen. Eine weitere Person läuft daneben.

Die Regierung von Joe Biden kündigte 2021 an, die Menschenrechtsbilanz der USA wieder verbessern zu wollen. Was die politische und praktische Umsetzung dieses Vorhabens betraf, bot sich jedoch ein gemischtes Bild. Zwar engagierte sich die US-Regierung wieder in den internationalen Menschenrechtsinstitutionen der Vereinten Nationen und bei den multilateralen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels, doch gelang es ihr weder, eine menschenrechtskonforme Einwanderungs- und Asylpolitik an der Grenze zu Mexiko zu verfolgen noch ihre Menschenrechtsagenda im eigenen Land umzusetzen.

Hintergrund

Innenpolitische Faktoren verhinderten auch 2021 ein entschiedenes Vorgehen der Regierung gegen den Klimawandel, die Aushöhlung des Wahlrechts und unrechtmäßige Einschränkungen z. B. des Rechts auf Versammlungsfreiheit oder reproduktiver Rechte durch einzelne Bundesstaaten. Einige Oppositionspolitiker_innen stellten weiterhin das Ergebnis der Präsidentschaftswahl aus dem Jahr 2020 infrage, indem sie den unbegründeten Vorwurf erhoben, es habe bei der Wahl Unregelmäßigkeiten gegeben, und schürten damit gewaltsame politische Proteste, die eine friedliche Machtübergabe im Januar 2021 zu gefährden drohten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Die Regierung Biden unternahm 2021 Schritte, um die diskriminierende Politik der Vorgängerregierung gegenüber LGBTI+ rückgängig zu machen. So hob sie z. B. eine Anordnung auf, die transgeschlechtliche Menschen vom Militärdienst ausgeschlossen hatte, und setzte Bestimmungen wieder in Kraft, die Studierende gegen Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität schützten. Auf der Ebene der Bundesstaaten wurden 2021 gleichwohl Hunderte Gesetzentwürfe eingebracht, die darauf abzielten, die Rechte von LGBTI+ einzuschränken. Mehrere Bundesstaaten erließen entsprechende Gesetze. So trat z. B. in Arkansas ein Gesetz in Kraft, das geschlechtsangleichende Maßnahmen für trans Jugendliche verbot.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Die Regierung Biden setzte 2021 die sogenannte Global Gag Rule außer Kraft, der zufolge ausländische Organisationen, die Informationen, Empfehlungen oder Dienstleistungen zum legalen Schwangerschaftsabbruch anbieten, keine staatlichen Entwicklungshilfegelder bekommen.

Die Regierungen einiger Bundesstaaten verstärkten ihre Bemühungen, sexuelle und reproduktive Rechte zu beschneiden, indem sie Schwangerschaftsabbrüche kriminalisierten und den Zugang zu Dienstleistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit einschränkten. Insgesamt wurden 2021 mehr Maßnahmen gegen Schwangerschaftsabbrüche ergriffen als je zuvor.

Texas erließ ein Gesetz, wonach ein Abbruch bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche strafbar ist, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die meisten Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Außerdem ermöglichte das Gesetz Privatpersonen, zivilrechtlich gegen alle vorzugehen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornahmen oder "im Verdacht standen", einer Person bei einem Schwangerschaftsabbruch zu helfen. Nachdem der Oberste Gerichtshof einen Eilantrag der US-Regierung gegen dieses Gesetz abgelehnt hatte, trat es im September 2021 in Kraft. Im Dezember begann eine Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof zu einem Gesetz des Bundesstaats Mississippi, das die meisten Abbrüche ab der 15. Schwangerschaftswoche verbietet und im Widerspruch steht zum Grundsatzurteil des Obersten Gerichts aus dem Jahr 1973 im Fall Roe gegen Wade, in dem das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch verankert wurde.

Gewalt gegen Frauen

Indigene Frauen wurden auch 2021 unverhältnismäßig oft Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt und erhielten nach diesen Taten keine medizinische Versorgung. Darüber hinaus waren sie weiterhin in hohem Maße von Verschwindenlassen und Mord betroffen. Die genaue Zahl der indigenen Frauen, die Gewalt erlitten oder dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen, war immer noch unbekannt, weil die US-Regierung keine Daten erhob und nicht ausreichend mit den indigenen Selbstverwaltungen zusammenarbeitete.

Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt, die während der Coronapandemie und der daraufhin verhängten Lockdowns angestiegen war, ging nicht zurück. Die wichtigste gesetzliche Grundlage, um Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt zu finanzieren, der Violence Against Women Act, konnte ihre Wirkung nicht entfalten, da der Kongress sie 2021 nicht neu genehmigte.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Die US-Behörden schränkten den Zugang zu Asyl an der Grenze zu Mexiko weiterhin drastisch ein und fügten damit Tausenden Menschen, die Schutz vor Verfolgung oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen in ihren Herkunftsländern suchten, irreparablen Schaden zu, darunter auch Minderjährigen.

An der Grenze zu Mexiko wurden 2021 fast 1,5 Mio. Flüchtlinge und Migrant_innen Opfer unnötiger und unrechtmäßiger Pushbacks – sowohl an den offiziellen Grenzübergängen als auch jenseits davon. Die Grenzkontrollbehörden beriefen sich hierfür auf die von Ex-Präsident Trump als angebliche Gesundheitsschutzmaßnahme während der Coronapandemie erlassene Richtlinie Title 42. Die Aufgegriffenen wurden ohne Zugang zu Asylverfahren und Rechtsmitteln und ohne individuelle Risikobewertung kollektiv abgeschoben. Ein hochrangiger Rechtsberater des US-Außenministeriums trat zurück und kritisierte dabei die massenhafte Abschiebung haitianischer Asylsuchender, die unrechtmäßig sei.

Obwohl die Regierung Biden unbegleitete Minderjährige von Abschiebungen unter Title 42 ausnahm, schob die US-Grenzpolizei weiterhin Tausende unbegleitete mexikanische Minderjährige, die 95 Prozent der aufgegriffenen Minderjährigen ausmachten, kollektiv ab, ohne ihnen einen angemessenen Zugang zu Asylverfahren zu gewähren oder gründlich zu untersuchen, ob ihnen bei einer Rückkehr Gefahr drohte. Zur Rechtfertigung der Abschiebungen missbrauchten die Behörden ein Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels.

Willkürliche Inhaftierungen

Unter Verstoß gegen das Völkerrecht hielt das US-Militär 2021 weiterhin 39 muslimische Männer willkürlich und auf unbestimmte Zeit auf dem Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba fest. Trotz der erklärten Absicht der Regierung Biden, das Gefangenenlager zu schließen, gab es diesbezüglich 2021 kaum Fortschritte.

Im Oktober 2021 genehmigte das Regelmäßige Überprüfungsgremium (Periodic Review Board) die Verlegung von zwei in Guantánamo Bay festgehaltenen Gefangenen. Damit stieg die Zahl derjenigen, deren Verlegung vorgesehen, aber immer noch nicht erfolgt war, auf zwölf. Einige von ihnen warteten schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf ihre Verlegung.

Seit Januar 2017 waren nur zwei Personen aus dem Gefangenenlager verlegt worden, darunter eine seit dem Amtsantritt von Joe Biden. Keiner der verbliebenen Gefangenen hatte Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung, und diejenigen, die Folter und andere Misshandlungen durch US-Militärangehörige überlebt haben, erhielten keine angemessenen Rehabilitationsmaßnahmen.

Zehn Männer waren vor einer Militärkommission angeklagt, was gegen internationales Recht und die Standards für faire Verfahren verstieß. Im Fall einer Verurteilung drohte ihnen die Todesstrafe. Sollte diese in einem Verfahren verhängt werden, das nicht den internationalen Standards entspricht, käme dies einem willkürlichen Entzug des Lebens gleich.

Die Prozesse gegen die Männer, die im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 angeklagt waren, hätten ursprünglich am 11. Januar 2021 beginnen sollen. Doch da die Vorverhandlungen im Jahr 2020 vollständig ausgesetzt worden waren und auch im Jahr 2021 weitgehend ausfielen, waren die Fälle auch nach neunjährigen Vorverhandlungen noch lange nicht reif für die Hauptverhandlung.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Nachdem die Sicherheitskräfte auf die landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt im Jahr 2020 in vielen Fällen mit exzessiver Gewalt reagiert hatten, versprach die Regierung Biden Maßnahmen, um die Polizei zu kontrollieren und bei Verstößen zur Rechenschaft zu ziehen. Ende des Jahres waren jedoch noch keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen oder umgesetzt worden.

Vielmehr wurden im Jahr 2021 in mindestens 36 Bundesstaaten und auf Bundesebene mehr als 80 Gesetzentwürfe eingebracht, die darauf abzielten, die Versammlungsfreiheit einzuschränken, und in neun Bundesstaaten traten zehn entsprechende Gesetze in Kraft. Zum Jahresende standen in 18 Staaten noch Entscheidungen über weitere 44 Gesetzentwürfe mit dieser Zielrichtung aus.

Zu den geplanten Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zählten verschärfte Strafen für zivilen Ungehorsam im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten wie Pipelines, für die Errichtung von Straßenblockaden und für die Verunstaltung von Denkmälern. Andere Gesetze zielten z. B. darauf ab, Kürzungen des Polizeietats durch die Kommunen zu verhindern oder Autofahrer, die an Straßenblockaden mit Demonstrierenden zusammenstießen, von der zivilrechtlichen Haftung auszunehmen.

Im Gegensatz dazu traten in Kalifornien neue Gesetze in Kraft, um Journalist_innen, die über öffentliche Versammlungen berichteten und im Jahr 2020 häufig Opfer von Festnahmen und Gewalt seitens der Sicherheitskräfte geworden waren, umfassend zu schützen. Außerdem führte der Bundesstaat landesweite Vorschriften und Standards ein, was den Einsatz von kinetischen Projektilwaffen und chemischen Stoffen durch die Polizei bei öffentlichen Versammlungen betraf.

Exzessive Gewaltanwendung

Berichten zufolge starben 2021 mindestens 1.055 Menschen durch Schusswaffengebrauch der Polizei. Dies bedeutete einen leichten Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Die begrenzten öffentlich zugänglichen Daten aus den Jahren 2015 bis 2021 legten nahe, dass Schwarze Menschen unverhältnismäßig häufig Opfer tödlicher Polizeigewalt wurden. Das Vorhaben der US-Regierung, die jährliche Zahl dieser Todesfälle zu erfassen, wurde nicht umgesetzt.

Im April 2021 verabschiedete das Parlament des Bundesstaats Maryland ein Gesetz, das die Gewaltanwendung durch die Polizei beschränkte, und überstimmte damit das Veto des Gouverneurs. Damit gab es nur noch sechs Bundesstaaten, in denen es ein solches Gesetz nicht gab. Allerdings entsprach keines der bundesstaatlichen Gesetze, die die Anwendung tödlicher Gewalt durch die Polizei regelten, dem Völkerrecht und internationalen Standards.

Der George Floyd Justice in Policing Act, ein Gesetzentwurf, der Vorschläge enthielt, um bestimmte Aspekte der Polizeiarbeit zu reformieren, scheiterte im Senat.

Menschenrechtsverteidiger_innen

Bei der Vorstellung des Berichts über die internationale Menschenrechtslage, den das US-Außenministerium jährlich veröffentlicht, lobte der US-Außenminister öffentlich die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger_innen und wies auf die Risiken hin, denen sie ausgesetzt sind. Die Regierung legte auch eine jahrelang vernachlässigte Richtlinie zur innen- und außenpolitischen Unterstützung von Menschenrechtsverteidiger_innen neu auf.

Im Mai 2021 enthüllten Medien, dass die US-Behörden in den Jahren 2018 und 2019 Menschenrechtsverteidiger_innen, die im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko tätig waren, verfolgt und schikaniert hatten. Die Aktivist_innen wurden u. a. in einer rechtswidrigen Liste erfasst, die Amnesty International bereits 2019 in einem ausführlichen Bericht kritisiert hatte ("Saving Lives is not a Crime": Politically Motivated Legal Harassment against Migrant Human Rights Defenders by the USA).

Auch 2021 berichteten Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen, dass sie von den Behörden eingeschüchtert und schikaniert wurden, wenn sie die Grenze zu Mexiko überquerten oder in Mexiko tätig waren.

Im September 2021 veröffentlichte der Generalinspekteur des Heimatschutzministeriums einen Bericht, der bestätigte, dass Mitarbeiter_innen der Behörde Journalist_innen und Aktivist_innen, die im Grenzgebiet tätig waren, ohne entsprechende Rechtsgrundlage schikaniert hatten. Dem Bericht zufolge hatten Mitarbeiter_innen in einigen Fällen auch eigene Verstöße vertuscht, indem sie Beweise für ihre Kommunikation und Zusammenarbeit mit den mexikanischen Behörden bei diesen Übergriffen vernichteten.

Todesstrafe

Im März 2021 schaffte Virginia als 23. US-Bundesstaat die Todesstrafe ab.

In den letzten Tagen der Amtszeit von Präsident Donald Trump im Januar 2021 ließ die US-Regierung drei Hinrichtungen vollziehen, nachdem sie im Jahr 2020 ein Hinrichtungsmoratorium auf Bundesebene aufgehoben hatte, das 17 Jahre lang in Kraft gewesen war.

Im Juli verhängte das US-Justizministerium im Rahmen einer Überprüfung seiner Vorgehensweisen und Richtlinien zur Todesstrafe ein Moratorium für Hinrichtungen auf Bundesebene. Doch sprach sich die US-Regierung weiterhin für Todesurteile in bestimmten Fällen aus. In einigen Bundesstaaten, die 2020 wegen der Coronapandemie keine Todesurteile vollstreckt hatten, wurden Hinrichtungen 2021 wieder aufgenommen, nachdem Rechtsstreitigkeiten über bestimmte bundesstaatliche Todesstrafengesetze beendet waren.

Folter und andere Misshandlungen

Ein Jahrzehnt nach dem geheimen Inhaftierungs- und Verhörprogramm der CIA, das von 2001 bis 2009 autorisiert war und mit systematischen Menschenrechtsverletzungen wie Folter und anderen Misshandlungen sowie Verschwindenlassen einherging, war immer noch niemand zur Rechenschaft gezogen worden. Der Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats über die CIA-Folter blieb auch Jahre, nachdem die begrenzten Ermittlungen zu diesen Straftaten ohne Anklageerhebung abgeschlossen worden waren, weiter unter Verschluss.

Recht auf Leben und Sicherheit der Person

Der US-Kongress erließ 2021 keinerlei Bestimmungen, die den Zugang zu Schusswaffen betrafen. Da es der US-Regierung weiterhin nicht gelang, die Bevölkerung vor der weitverbreiteten Waffengewalt zu schützen, wurden den Bürger_innen noch immer Menschenrechte vorenthalten, darunter das Recht auf Leben und Sicherheit der Person und die Freiheit von Diskriminierung.

Der sprunghafte Anstieg der Waffenverkäufe während der Coronapandemie, der ungehinderte Zugang zu Schusswaffen, unzureichende Waffengesetze, mangelnde Bestimmungen zum Erwerb, Besitz und zur Verwendung von Schusswaffen sowie der fehlende politische Wille, angemessene Präventions- und Interventionsprogramme gegen Schusswaffengewalt zu finanzieren, sorgten dafür, dass die Waffengewalt nicht zurückging.

Schätzungen zufolge starben im Jahr 2020 in den USA mindestens 44.000 Menschen durch Waffengewalt. Die Behörden einiger Bundesstaaten trugen während der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021 noch zur Verstärkung der Waffengewalt bei, indem sie Waffenläden zu "unverzichtbaren Geschäften" erklärten.

Im Mai 2021 veröffentlichte das US-Justizministerium Vorschläge für eine Regulierung des Waffenhandels, die erstmals seit 1968 neu definieren würde, welche Waffen bzw. Waffenkomponenten als "Schusswaffe" gelten. Das Ministerium wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Polizei zwischen 2016 und 2020 mehr als 23.000 Schusswaffen ohne Seriennummer (sogenannte Geisterwaffen) an möglichen Tatorten beschlagnahmt habe.

Im November 2021 befasste sich der Oberste Gerichtshof der USA zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt mit einem Fall zum Waffenrecht. Dieser Fall könnte darüber entscheiden, ob Einzelpersonen in der Öffentlichkeit eine Schusswaffe tragen dürfen, ohne einen "triftigen Grund" dafür zu haben oder die entsprechende Erlaubnis zu besitzen.

Rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen

Die USA wandten 2021 in verschiedenen Ländern wiederholt tödliche Gewalt an, einschließlich des Einsatzes bewaffneter Drohnen, und verstießen damit gegen ihre Verpflichtungen gemäß internationalen Menschenrechtsnormen und – wo anwendbar – des humanitären Völkerrechts.

Dokumentationen von NGOs, UN-Expert_innen und Medien zeigten, wie bei solchen Attacken in Konfliktregionen, aber auch in anderen Gebieten, Menschen verletzt oder willkürlich ihres Rechts auf Leben beraubt wurden, darunter zahlreiche Zivilpersonen. In einigen Fällen konnte man von Kriegsverbrechen ausgehen.

Die US-Regierung verringerte den Schutz der Zivilbevölkerung bei tödlichen Einsätzen, erhöhte damit die Wahrscheinlichkeit rechtswidriger Tötungen und erschwerte die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Angriffe. Sie verhinderte damit auch, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden und dass den Opfern und Hinterbliebenen wirksame Rechtsmittel und angemessene Entschädigungen für rechtswidrige Tötungen und zivile Schäden zur Verfügung standen.

Die Regierung veröffentlichte weiterhin keine Informationen über die rechtlichen und politischen Standards und Kriterien, die für die US-Streitkräfte bei der Anwendung tödlicher Gewalt galten, obwohl UN-Menschenrechtsexpert_innen eine entsprechende Klarstellung gefordert hatten. Nach wie vor leisteten die US-Behörden auch keine Wiedergutmachung für die Tötung von Zivilpersonen.

Die Regierung Biden leitete zwar eine Überprüfung ihrer Politik zum Einsatz tödlicher Gewalt ein, machte aber keine konkreten Angaben darüber, ob und inwiefern das Vorgehen geändert wird. Gleichzeitig wurden die Drohnenangriffe, bei denen Zivilpersonen rechtswidrig getötet oder verwundet wurden, fortgesetzt.

Recht auf Wohnen

Im März 2021 nahm die Regierung Biden Empfehlungen an, die der UN-Menschenrechtsrat im Zuge der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung (UPR-Prozess) des Landes ausgesprochen hatte, um das Recht auf Wohnen zu gewährleisten und die Obdachlosigkeit zu bekämpfen.

Als jedoch in der zweiten Jahreshälfte die während der Coronapandemie auf Bundesebene und in einzelnen Bundesstaaten erlassenen Moratorien für Zwangsräumungen auszulaufen begannen, stoppte der Oberste Gerichtshof die Bemühungen der Regierung, das Moratorium auf Bundesebene während der Pandemie aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu verlängern. Gleichzeitig beendeten einige Bundesstaaten und Kommunen ihre zeitlich begrenzten Sondermaßnahmen zur Unterbringung von Obdachlosen, und in einigen Städten wurde die Räumung von Obdachlosenlagern wieder aufgenommen oder verstärkt.

Kongressabgeordnete brachten 2021 erneut einen Gesetzentwurf zum Recht auf Wohnen (Housing is a Human Right Act) ein, der zum Ziel hatte, die Ursachen der Obdachlosigkeit zu bekämpfen und die wachsende Zahl obdachloser Menschen in Wohnungen und anderen Unterkünften unterzubringen.

Klimakrise

Die Regierung Biden trat 2021 dem Pariser Abkommen wieder bei und bemühte sich, Hunderte von Gesetzen und politischen Maßnahmen rückgängig zu machen, die die Regierung Trump verabschiedet hatte, um den Umwelt- und Energiesektor zu liberalisieren. Dies betraf u. a. Regelungen zu Kohlenasche und Kohlekraftwerken. Allerdings gelang es der Regierung nicht, alle rückschrittlichen Maßnahmen der Vorgängerregierung rückgängig zu machen, und sie genehmigte auch weiterhin Ölbohrprojekte auf staatlichem Land.

Im Jahr 2021 ereigneten sich in den USA zahlreiche klimabedingte Naturkatastrophen, die zu Zerstörung und Toten führten, darunter Waldbrände in ungekanntem Ausmaß, Wirbelstürme und Überflutungen in Küstengebieten.

Internationale Menschenrechtsgremien und -verträge

Die Regierung Biden ergriff im ersten Jahr ihrer Amtszeit eine Reihe positiver Maßnahmen, um internationale menschenrechtliche Vereinbarungen und die entsprechenden Kontrollgremien zu unterstützen.

Im März 2021 akzeptierte die Regierung die meisten Empfehlungen, die der UN-Menschenrechtsrat bei seiner dritten Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung des Landes ausgesprochen hatte. Sie merkte jedoch an, einige Empfehlungen zwar grundsätzlich zu unterstützen, möglicherweise aber nicht umzusetzen, wie z. B. die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo Bay.

Im April 2021 hob die Regierung Biden die Sanktionen gegen Mitarbeiter_innen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf, die die Vorgängerregierung verhängt hatte, doch lehnte sie die Zuständigkeit des Gerichts für mutmaßliche Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan, im Irak und andernorts weiterhin ab.

Im Oktober 2021 traten die USA wieder in den UN-Menschenrechtsrat ein, nachdem die Vorgängerregierung ihren Sitz in diesem Gremium drei Jahre zuvor aufgegeben hatte. Zudem sprach die US-Regierung eine ständige Einladung für die UN-Verfahren aus. Im November besuchte der UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen die USA, es war der erste derartige Besuch im Rahmen eines UN-Sonderverfahrens seit 2017.

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