Amnesty Report Kamerun 24. April 2024

Kamerun 2023

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war ernsthaft gefährdet. Zwei Journalisten wurden ermordet. Oppositionspolitiker*innen und Menschen in den englischsprachigen Regionen North-West und South-West wurden weiterhin willkürlich festgenommen. Die kamerunische Armee und bewaffnete separatistische Gruppen waren in den beiden Regionen für rechtswidrige Tötungen und Morde verantwortlich. In der Region Extrême-Nord verübten bewaffnete Gruppierungen, die aus der bewaffneten Gruppe Boko Haram hervorgegangen waren, nach wie vor Tötungen und Entführungen.

Hintergrund

Neun der zehn Regionen Kameruns waren von drei großen humanitären Krisen betroffen. Erstens gab es den bewaffneten Konflikt in der Region des Tschadsees, an dem die bewaffneten Gruppen Islamischer Staat Provinz Westafrika (Islamic State West Africa Province – ISWAP) und Jama'tu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (JAS) beteiligt waren. Zweitens übten bewaffnete Gruppen in den englischsprachigen Regionen North-West und South-West Gewalt aus. Die dritte Krise war die Lage der 335.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik, die nur eingeschränkten Zugang zu Arbeit, Nahrung, Bildung, Wasser, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen hatten. In der Region Extrême-Nord waren mehr als 380.000 Binnenvertriebene von Überschwemmungen und einer Choleraepidemie betroffen. Aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen in den englischsprachigen Regionen des Landes waren mehr als 630.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Journalist*innen waren im Jahr 2023 bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit Angriffen ausgesetzt.

Am 17. Januar 2023 wurde Martinez Zogo, Journalist und Leiter des privaten Radiosenders Amplitude FM, von unbekannten Männern entführt. Fünf Tage später fand man seine verstümmelte Leiche in einem Vorort von Jaunde, der Hauptstadt Kameruns. Er hatte Recherchen zu einer mutmaßlichen Veruntreuung von Hunderten Milliarden CFA-Francs durch regierungsnahe Politiker*innen und Geschäftsleute angestellt und darüber berichtet. Der Leiter von Kameruns Spionageabwehrbehörde (Direction générale de la recherche extérieure) und ein prominenter Medienmogul und Wirtschaftsmagnat wurden wegen der Beihilfe zur Folterung von Martinez Zogo angeklagt und in Untersuchungshaft genommen. Am 3. Februar 2023 wurde die Leiche von Jean-Jacques Ola Bébé, Priester, Radiomoderator und ehemaliger Kollege von Martinez Zogo, unweit seines Hauses in Mimboman, einem Vorort von Jaunde, gefunden. Kurz vor seinem Tod hatte er sich öffentlich zum Mord an Martinez Zogo geäußert. Es gab keine offiziellen Informationen dazu, ob in diesem Mordfall Ermittlungen eingeleitet wurden.

Willkürliche Inhaftierungen

Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen erklärte im März 2023, dass die Inhaftierung des englischsprachigen Journalisten Thomas Awah Junior willkürlich sei, und forderte die kamerunischen Behörden auf, ihn "sofort freizulassen und ihm das Recht auf Entschädigung zu gewähren". Ein Militärgericht hatte den Journalisten im Mai 2018 wegen "Terrorismus, Feindschaft gegen das Vaterland, Sezession, Revolution, Aufstand, Verbreitung falscher Nachrichten und Missachtung ziviler Gerichte" zu elf Jahren Haft verurteilt.

Zahlreiche weitere Personen aus den englischsprachigen Regionen, darunter Mancho Bibixy, Tsi Conrad und Penn Terence Khan, die in den Jahren 2016 und 2017 friedliche Proteste angeführt hatten, befanden sich auch 2023 weiterhin willkürlich in Haft. Ein Militärgericht in Jaunde hatte sie zu Freiheitsstrafen von 15 Jahren verurteilt, nachdem sie 2017 bzw. 2018 im Zusammenhang mit der bewaffneten Gewalt in den englischsprachigen Regionen North-West und South-West wegen "terroristischer Handlungen, Sezession, Verbreitung falscher Informationen sowie Missachtung öffentlicher Einrichtungen und Staatsbediensteter" für schuldig befunden worden waren.

Der englischsprachige Aktivist Abdul Karim Ali befand sich noch immer in Untersuchungshaft. Er war am 11. August 2022 festgenommen worden, nachdem er dem kamerunischen Militär in einem Video Folter vorgeworfen hatte. Gegen ihn und zwei seiner Kollegen wurde vor einem Militärgericht Anklage wegen "Feindschaft gegen das Vaterland", "Meldeverweigerung", "Sezession" und "Rebellion" erhoben.

Ende des Jahres befanden sich 43 Aktivist*innen und führende Oppositionspolitiker weiterhin willkürlich in Haft, nachdem sie von einem Militärgericht wegen der Teilnahme an einem von der Oppositionspartei MRC (Mouvement pour la renaissance du Cameroun) organisierten Protestmarsch am 22. September 2022 verurteilt worden waren.

Recht auf Leben

Regionen North-West und South-West

In den beiden englischsprachigen Regionen des Landes waren 2023 sowohl Verteidigungs- und Sicherheitskräfte – teilweise in Zusammenarbeit mit lokalen Milizen – als auch bewaffnete separatistische Gruppen für rechtswidrige Tötungen und Morde verantwortlich.

Nach Angaben des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden im Juni 2023 im Dorf Kedjom Keku (Region North-West) bei gewaltsamen Angriffen mindestens 25 Menschen getötet, 20 Häuser niedergebrannt und 2.500 Menschen vertrieben. Bewaffnete separatistische Gruppen nahmen Menschen ins Visier, denen sie vorwarfen, nicht auf ihrer Seite zu stehen, mit der Armee zusammenzuarbeiten oder die "Befreiungssteuer" nicht zu zahlen, eine Abgabe zur finanziellen Unterstützung des Kampfes gegen den Staat.

Am 6. August 2023 exhumierten die Behörden die Leichen von neun Personen, darunter die sterblichen Überreste von fünf Regierungsmitgliedern, die im Juni 2021 von bewaffneten separatistischen Gruppen entführt worden waren.

Am 4. Oktober trieben bewaffnete Separatisten Einwohner*innen der Stadt Guzang (Region North-West) zusammen und erschossen zwei Männer.

Am 6. November töteten mutmaßliche bewaffnete Separatist*innen im Dorf Egbekaw unweit der Stadt Mamfe (Region South-West) Berichten zufolge 25 Menschen.

Menschenrechtsverstöße bewaffneter Gruppen

Region Extrême-Nord

Bewaffnete Gruppen, die mit ISWAP und JAS verbündet waren – in die sich Boko Haram aufgespalten hatte – verübten weiterhin Angriffe auf Dörfer entlang der Grenze zu Nigeria und auf Inseln im Tschadsee. Nach Angaben von OCHA töteten bewaffnete Gruppen zwischen dem 1. Dezember 2022 und dem 30. November 2023 mehr als 280 Zivilpersonen und entführten mehr als 210 Menschen.

Recht auf Bildung

Zwischen Januar und Juli 2023 wurden aus den Regionen North-West und South-West mindestens 13 gewaltsame Angriffe auf Bildungseinrichtungen gemeldet, für die mutmaßlich bewaffnete separatistische Gruppen verantwortlich waren. Dabei kam es auch zur Entführung von Schüler*innen und Lehrkräften. Nach Angaben von OCHA zwangen bewaffnete Separatisten im September 2023 die Schulen dazu, zwei Wochen lang geschlossen zu bleiben. Mehrere Personen, die sich nicht an die Schließungen hielten, wurden laut OCHA tätlich angegriffen, entführt oder getötet. In beiden Regionen blieben 2.245 Schulen wegen der gewaltsamen Auseinandersetzungen dauerhaft geschlossen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Am 9. September 2023 verurteilte ein französisches Gericht das Unternehmen Société Financière des Caoutchoucs zur Zahlung von 140.000 Euro an 145 Dorfbewohner*innen, denen ihr Land weggenommen worden war und die unter der Verschmutzung der Umwelt litten. Das Unternehmen, dessen Tochtergesellschaft der Palmölproduzent Société Camerounaise de Palmeraies ist, ist in der Gummiindustrie tätig und betreibt Kautschukplantagen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Am 12. Juni 2023 drohte die Medienaufsichtsbehörde (Conseil national de la communication) damit, Medienkanäle zu suspendieren, sollten sie weiterhin "Programme zur Förderung homosexueller Praktiken" ausstrahlen. Ebenfalls im Juli sagte der französische Botschafter für LGBTQ-Rechte seinen Besuch in Kamerun ab, nachdem die kamerunischen Behörden das von ihm geplante Aktivitätenprogramm abgelehnt hatten.

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