Aktuell Vereinigte Staaten von Amerika 04. Dezember 2025

USA: Amnesty deckt Menschenrechtsverletzungen in den Hafteinrichtungen "Alligator Alcatraz" und Krome auf

Das Foto zeigt ein großes Zelt, in dem mehrere Käfige mit Betten aufgestellt wurden. Weit hinten am Ende des Zeltes steht Donald Trump im Eingang mit einer weiteren Person.

US-Präsident Donald Trump werden bei einem Rundgang durch das Abschiebegefängnis "Alligator Alcatraz" in Florida Käfige für die Inhaftierung von Migrant*innen gezeigt (1. Juli 2025).

Folter, systematische Vernachlässigung, unhygienische Bedingungen und mangelnde medizinische Versorgung: Amnesty International hat heute einen neuen Bericht zu zwei Hafteinrichtungen für Migrant*innen im US-Bundesstaat Florida veröffentlicht. Er liefert Beweise für die grausame, unmenschliche und erniedrigender Behandlung der Inhaftierten in den Haftanstalten "Alligator Alcatraz" und Krome.

Wenn Migrant*innen in den USA inhaftiert werden, sind sie oftmals Schikanen oder sogar Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat seit Beginn seiner zweiten Amtszeit fast 70 Prozent mehr Migrant*innen inhaftieren lassen als die Vorgängerregierung. 

Zugleich haben sich die Haftbedingungen drastisch verschlechtert. Von mindestens 24 Personen, die seit Oktober 2024 in Gewahrsam der US-Einwanderungsbehörde ICE gestorben sind, traten sechs Todesfälle in Einrichtung in Florida auf – vier davon im "Krome North Service Processing Center" (Krome).

Der Amnesty-Bericht "Torture and enforced disappearances in the Sunshine State: Human rights violations at 'Alligator Alcatraz’ and Krome" in Florida deckt Menschenrechtsverletzungen auf, die in den Haftanstalten Everglades Detention Facility ("Alligator Alcatraz") und Krome begangen wurden. Zum Teil erfüllen sie den Tatbestand der Folter. 

Diese Menschenrechtsverletzungen erfolgen vor dem Hintergrund eines zunehmend migrationsfeindlichen Klimas unter Gouverneur Ron DeSantis. Unter seiner Regierung wurden die Kriminalisierung und massenhafte Inhaftierung von Migrant*innen und Menschen auf der Suche nach Schutz und Sicherheit verstärkt. Die Ergebnisse des Berichts stammen von einer Amnesty-Recherchereise Anfang September 2025.  

"Unsere Recherche-Ergebnisse bestätigen, dass es sich um ein bewusst geschaffenes System handelt, das darauf abzielt, Menschen in Haft zu bestrafen, zu entmenschlichen und ihr Leiden zu verbergen", so Ana Piquer, Regionaldirektorin für Amerika bei Amnesty International. "Die Durchsetzung der Einwanderungsbestimmungen darf nicht außerhalb der Rechtsstaatlichkeit erfolgen oder sich über Menschenrechtsstandards hinwegsetzen."

Das Foto zeigt vier junge Frauen mit Protestplakaten in den Händen unter einem großen Verkehrsschild, auf dem steht: Alligator Alcatraz.

Amnesty-Protestaktion für die Schließung des Abschiebegefängnisses "Alligator Alcatraz" im US-Bundesstaat Florida (undatiertes Foto).

"Alligator Alcatraz": eine vom Bundesstaat Florida betriebene Menschenrechtskatastrophe

 Im Juli 2025 wurde im Sumpfgebiet Everglades im US-Bundesstaat Florida das  Abschiebegefängnis "Alligator Alcatraz" errichtet. Es befindet sich auf einem ehemaligen Flughafengelände in dünn besiedeltem Gebiet. Sein Name ist eine Anspielung auf die weit verbreiteten Alligatoren in dem Gebiet und auf das berüchtigte ehemalige Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz in der Bucht von San Francisco, das als ausbruchssicher galt. 

Die Recherche-Teams von Amnesty kamen zu dem Schluss, dass Menschen, die willkürlich in "Alligator Alcatraz" inhaftiert sind, unter unmenschlichen und unhygienischen Bedingungen leben. Dazu gehören: 

  • überlaufende Toiletten, aus denen Fäkalien in die Schlafbereiche sickern
  • ein eingeschränkter Zugang zu Duschen
  • fehlender Schutz vor Insekten
  • rund um die Uhr eingeschaltetes Licht
  • schlechtes Essen und Wasser
  • das Fehlen jeglicher Privatsphäre, einschließlich Kameras über den Toiletten 

Die von Amnesty befragten Personen gaben an, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung unregelmäßig, unzureichend oder gar nicht vorhanden ist. Dadurch sind diese Menschen der ernsthaften Gefahr körperlicher und psychischer Schäden ausgesetzt. Einige Personen berichteten, außerhalb ihrer Käfigzelle stets gefesselt zu sein. Andere Behandlungen, denen die Inhaftierten ausgesetzt waren, kommen Folter gleich. Dazu gehört auch die Unterbringung in der "Box": Eine Art Käfig, der etwa 60 mal 60 Zentimeter groß ist. Darin werden Menschen zur Strafe eingesperrt, manchmal stundenlang, ohne Schutz vor der Witterung und nahezu ohne Wasser. Ihre Hände und Füße sind währenddessen mit Fesseln am Boden fixiert. 

"Alligator Alcatraz" unterliegt nicht der Aufsicht der US-Bundesbehörden und verfügt auch nicht über die grundlegenden Tracking-Systeme, wie sie in Einrichtungen der US-Einwanderungsbehörde ICE verwendet werden. Das Fehlen von Registrierungs- oder Tracking-Mechanismen für die in "Alligator Alcatraz" inhaftierten Personen erleichtert die Isolationshaft. Es erfüllt den Tatbestand des Verschwindenlassens, wenn den Familienangehörigen Informationen zum Verbleib einer dort inhaftierten Person verweigert werden und wenn diese Person keine Möglichkeit erhält, ihren Rechtsbeistand zu kontaktieren. 

"Die verabscheuungswürdigen und widerwärtigen Zustände in 'Alligator Alcatraz’ sind Ausdruck einer bewussten, systematischen Vernachlässigung, die darauf abzielt, die dort Inhaftierten zu entmenschlichen und zu bestrafen", sagt Amy Fischer, Direktorin für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen bei Amnesty International USA. "Das ist unfassbar – wo bleibt die Aufsicht?"

Donald Trump steht mit mehreren Personen vor einer Käfigzelle. Er trägt einen Anzug und eine "Make America great again"-Baseballkappe.

US-Präsident Donald Trump inspiziert am 1. Juli 2025 in Florida das Abschiebegefängnis "Alligator Alcatraz" vor dessen Inbetriebnahme.

Krome: überfüllt, chaotisch und gefährlich  

Die Hafteinrichtung Krome der Einwanderungsbehörde ICE liegt in Miami. Sie wird von einem privaten, gewinnorientierten Unternehmen betrieben. 

Die Amnesty-Recherchen bestätigten, dass in Krome zwar medizinische Einrichtungen vorhanden sind. Die dort inhaftierten Personen berichten aber dennoch über schwerwiegende medizinische Versäumnisse. So wurden unter anderem Behandlungen und medizinische Untersuchungen nicht durchgeführt. In Krome inhaftierte Personen bestätigten frühere Berichte über Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehören: 

  • Überbelegung
  • verlängerte und willkürliche Einzelhaft
  • das Fehlen einer angemessenen medizinischen Versorgung
  • überlaufende Toiletten
  • fehlender Zugang zu einer Dusche
  • Dauerbeleuchtung
  • defekte Klimaanlagen 

Inhaftierte erzählten von Gewalt und Misshandlung durch das Wachpersonal. Mitarbeitende von Amnesty International wurden Zeug*innen, wie ein Wärter eine Metallklappe in einer Tür zu einer Einzelzelle gewaltsam gegen die verletzte Hand eines Mannes schlug. Andere Personen berichteten, von Wachleuten geschlagen und mit den Fäusten traktiert worden zu sein. Menschen erzählten auch, dass sie Schwierigkeiten hatten, einen Rechtsbeistand zu konsultieren. Sie wussten auch nicht, wie lange sie inhaftiert bleiben würden und wie es für sie weitergehen würde. 

"Die extreme Überbelegung, die medizinische Vernachlässigung und die Berichte über erniedrigende und entwürdigende Behandlung in Krome zeichnen ein Bild von erschreckenden Menschenrechtsverletzungen", kritisiert Amnesty-Direktorin Fischer.

Diese Luftaufnahme zeigt ein großes Zelt auf einem Gelände mit mehreren Gebäuden.

Diese Luftaufnahme der Hafteinrichtung Krome im US-Bundesstaat Florida vom 4. Juli 2025 zeigt ein großes Zelt, das erst kurz zuvor auf dem Gelände errichtet wurde für die Inhaftierung von Migrant*innen.

"Alle, die sich in einer Hafteinrichtung befinden, leiden:" Einwanderungskontrolle und Inhaftierung in Florida  

Im Februar 2025 hat Florida extreme und diskriminierende Einwanderungsgesetze verabschiedet, die migrantische Gemeinschaften einem hohen Risiko aussetzen. Die Bestimmung 287(g) des US-Einwanderungsgesetzes wurde ausgeweitet. Sie ermächtigt die lokalen Strafverfolgungsbehörden, die US-Einwanderungsgesetze durchzusetzen und Personen in diesem Zusammenhang festzunehmen. Dies hat zu rechtswidrigen Festnahmen, diskriminierenden Personenkontrollen (Racial Profiling) und weit verbreiteter Angst geführt. Zudem hindert diese Bestimmung Familien daran, Schulen, Krankenhäuser und andere wichtige Dienste in Anspruch zu nehmen.  

Florida ist zu einem Versuchslabor für eine missbräuchliche Einwanderungspolitik geworden, die eng an der migrationsfeindlichen und rassistischen Agenda der Trump-Regierung ausgerichtet ist. Unter Gouverneur Ron DeSantis hat Florida die Kriminalisierung der Migration verschärft und die Zahl der Masseninhaftierungen mithilfe weitreichender Notstandsbefugnisse enorm gesteigert. 

Seit Januar 2005 hat sich die Zahl der Inhaftierten in Hafteinrichtungen für Migrant*innen in Florida um mehr als 50 Prozent erhöht. Allein zwischen Juni und August 2025 vergab der Bundesstaat ohne Ausschreibung 34 Aufträge im Gesamtwert von mehr als 360 Millionen US-Dollar (etwa 300 Millionen Euro) für "Alligator Alcatraz", dessen jährliche Betriebskosten auf 450 Millionen Dollar veranschlagt werden. Gleichzeitig wurden Kürzungen in Milliardenhöhe bei grundlegenden Programmen für Gesundheit, Ernährungssicherheit, Notfallhilfe und Wohnraum vorgenommen.  

"Die Entscheidung, Bestrafung, Entmenschlichung und Grausamkeit über das öffentliche Wohl zu stellen, ist ebenso kurzsichtig wie erschreckend", meint Amnesty-Direktorin Fischer.

Das Foto zeigt eine Gruppe von 19 Personen, die sitzend und stehend vor einem mit Stacheldraht versehenen Tor protestieren mit Plakten und Bannern.

Protestaktion in Miami im US-Bundesstaat Florida vor dem Abschiebegefängnis Krome für die Abschaffung der Hafteinrichtung und der Einwanderungsbehörde ICE (22. November 2025).  

Was fordert Amnesty International? 

Amnesty International fordert sowohl die Regierung von Florida als auch die US-Regierung auf, sich mit den systematischen Menschenrechtsverletzungen in Hafteinrichtungen für Migrant*innen zu befassen. Die Behörden in Florida müssen "Alligator Alcatraz" schließen und den Betrieb bundesstaatlicher Hafteinrichtungen für Migrant*innen verbieten. 

Florida muss den Missbrauch von Notstandsbefugnissen beenden, alle Beschaffungsmaßnahmen ohne Ausschreibungsverfahren einstellen und die Mittel für die Inhaftierung in wichtige Programme für medizinische Versorgung, Wohnraum und Katastrophenhilfe umleiten. 

Weitere Empfehlungen beinhalten: 

  • ein Verbot von Fesselung, Einzelhaft und Außenhaft als Strafe,
  • die Gewährleistung des vertraulichen Zugangs zu einem Rechtsbeistand und zu Dolmetschdiensten
  • die Durchführung transparenter und unabhängiger Untersuchungen zu Folter und medizinischer Vernachlässigung
  • die Einrichtung einer sinnvollen, unabhängigen Aufsicht für alle Haftanstalten.  

Auf Bundesebene muss die US-Regierung ihre grausame Maschinerie zur massenhaften Inhaftierung von Migrant*innen stoppen, der Kriminalisierung der Migration ein Ende setzen und der Nutzung bundesstaatlicher Einrichtungen für die Ingewahrsamnahme von Migrant*innen durch Bundesbehörden ein Ende setzen. 

Sie muss eine gründliche Untersuchung aller Todesfälle, Vorwürfe von Folter in Haft und anderen Misshandlungen sicherstellen und internationale Menschenrechtsstandards einhalten. 

Außerdem muss die US-Bundesregierung: 

  • die Verträge von ICE mit bundesstaatlichen und privaten Akteuren umfassend überprüfen
  • die Einhaltung der Menschenrechte sicherstellen
  • den Schutz für "sensible Orte" wie Schulen, Krankenhäuser und Kirchen wiederherstellen
  • die Bundesmittel zur Unterstützung einer für alle Menschen zugänglichen Rechtsvertretung und für Dolmetschdienste bei Einwanderungsverfahren aufstocken. 

"Die Bedingungen, die wir in "Alligator Alcatraz" und Krome dokumentiert haben, sind keine Einzelfälle – sie sind vielmehr Ausdruck einer bewussten, systematischen Grausamkeit, die darauf abzielt, Menschen zu bestrafen, die sich in den USA ein neues Leben aufbauen wollen", sagt Amnesty-Direktorin Fischer. "Wir müssen aufhören, migrantische Mitglieder unserer Gemeinschaft und Menschen auf der Suche nach Schutz und Sicherheit zu Inhaftieren. Stattdessen müssen wir auf eine humane und rechtebasierte Migrationspolitik hinarbeiten."

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