Pressemitteilung Aktuell Litauen 20. April 2023

Litauen: Parlament erlaubt völkerrechtswidrige Pushbacks

Das Bild zeigt eine Zeichnung mit mehreren Menschen, die sich hinter einem Gitter befinden und ängstlich schauen

Zeichnung "Thirsty for Freedom", angefertigt von Juliet Hassan. Die 25-jährige Irakerin wird in einem Flüchtlingslager in Litauen festgehalten.  

Das litauische Parlament hat heute einem eklatant rechtswidrigen Gesetzesentwurf zugestimmt, der summarische Rückführungen von Schutzsuchenden nach litauischem Recht erlaubt. Dieser Versuch, Pushbacks zu legalisieren, erlaubt ein Vorgehen, das vom Europarat als Folter eingestuft wurde.

 

Die Änderung des litauischen "Gesetzes zur Staatsgrenze und deren Schutz" verankert die anhaltende Praxis der Pushbacks an der Grenze, bei denen Menschen an Orte abgeschoben werden, an denen ihnen Folter und andere Misshandlungen drohen, im litauischen Recht. Das Völkerrecht verbietet jedoch Sammelabschiebungen und die Rückführung von Personen in Länder, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Sophie Scheytt, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Statt menschenrechtswidrige Pushbacks sofort einzustellen, erklärt die litauische Regierung sie kurzerhand per Gesetz für legal. Die Europäische Kommission sollte sofort ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Litauen einleiten. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich gemäß des Koalitionsvertrags entschieden gegen die Pushbacks in Litauen positioniert und gegenüber der Kommission die Notwendigkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Litauen betont."

"Alleine im letzten Jahr hat Amnesty International mehrere Berichte zu menschenrechtswidrigen Pushbacks an den EU-Außengrenzen veröffentlicht. Diese Menschenrechtsverletzungen können nicht einfach für rechtmäßig erklärt werden, sondern müssen geahndet und unterbunden werden", so Sophie Scheytt.

Das Bild zeigt eine Zeichnung, mit zwei Händen an Gitterstäben

Zeichnung von Muthuke Ara. Der Asylsuchende aus der Demokratischen Republik Kongo wird in einem Flüchtlingslager in Litauen festgehalten.

Hintergrund

Das litauische Parlament nahm den Änderungsantrag heute mit 69 zu 7 Stimmen bei 24 Enthaltungen an. Am kommenden Dienstag wird es eine endgültige formelle Zustimmung durch das Parlament geben.

Die Gesetzesänderung erfolgt nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung eines Berichts des Ausschusses zur Verhütung von Folter des Europarats. Darin kommt der Ausschuss zu dem Schluss, dass Länder wie Litauen mit ihrem Vorgehen gegen schutzsuchende Menschen an der europäischen Grenze Praktiken angewendet haben, die den Tatbestand der Folter erfüllen.

Wie von Amnesty International im Juni 2022 veröffentlichte Recherchen zeigen, ist das Verhalten der litauischen Grenzbeamt*innen gegenüber Schutzsuchenden klar menschenrechtswidrig. Amnesty International dokumentierte unter anderem grausame und grundlose Angriffe mit Schlagstöcken oder Elektroschockgeräten. Darüber hinaus wurden Geflüchtete mit Steinen beworfen, mit Gummigeschossen angegriffen sowie geschlagen, nachdem sie in einem geschlossenen Raum Tränengas ausgesetzt worden waren und halb bewusstlos am Boden lagen.

Nicht nur Litauen versucht, Pushbacks zu legalisieren: Auch in anderen Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Spanien, Polen, Lettland und Ungarn dokumentiert Amnesty International ähnliche Bestrebungen und teilweise bereits erfolgte Legalisierungen von Pushbacks.  

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