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Pakistan: Masseninhaftierungen und Abschiebungen von afghanischen Flüchtlingen stoppen
Von pakistanischen Behörden vertriebene afghanische Geflüchtete suchen Zuflucht in einem provisorischen Camp in der Nähe des Torkham-Grenzübergangs zu Afghanistan (2. November 2023).
© IMAGO / ABACAPRESS
Die pakistanischen Behörden haben seit September 2023 mehr als 170.000 afghanische Schutzsuchende nach Afghanistan zurückgeschickt. Den Flüchtlingen drohen bei ihrer Ankunft Schikane und Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban. Die pakistanische Regierung muss die anhaltenden Inhaftierungen, Abschiebungen und weit verbreiteten Schikanen gegen afghanische Flüchtlinge unverzüglich beenden.
Nach Angaben der pakistanischen Regierung mussten seit dem 17. September mehr als 170.000 Afghan*innen, von denen viele seit Jahrzehnten in Pakistan leben, das Land verlassen. Die Regierung hatte allen "nicht registrierten ausländischen Staatsangehörigen" zuvor ein Ultimatum gestellt, Pakistan zu verlassen. Seit dem Ablauf der Frist am 1. November ist die pakistanische Polizei dazu übergegangen, die als "illegal" eingestuften Flüchtlinge direkt in Abschiebezentren zu inhaftieren. Bis zu diesem Datum waren Schutzsuchende nach dem "Ausländergesetz" von 1946 registriert worden, das unter anderem die illegale Einreise nach Pakistan unter Strafe stellt.
Amnesty International kritisiert das völlige Fehlen von Transparenz, von ordnungsgemäßen Verfahren und Rechenschaftspflicht bei den Inhaftierungen und Abschiebungen der vergangenen Woche. Dies wurde durch die zunehmenden Schikanen und Anfeindungen gegen afghanische Flüchtlinge in Pakistan noch verschärft.
"Tausende von afghanischen Flüchtlingen werden in das von den Taliban beherrschte Afghanistan zurückgeschickt, wo ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit inmitten eklatanter Menschenrechtsverletzungen und einer anhaltenden humanitären Katastrophe gefährdet sein könnten. Niemand sollte Massenabschiebungen ausgesetzt werden, und Pakistan täte gut daran, sich an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erinnern, einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung", sagte Livia Saccardi, stellvertretende Regionaldirektorin für Kampagnen in Südasien bei Amnesty International. "Wenn die pakistanische Regierung die Abschiebungen nicht sofort stoppt, verwehrt sie Tausenden von gefährdeten Afghan*innen, insbesondere Frauen und Mädchen, den Zugang zu Sicherheit, Bildung und Lebensunterhalt."
Nach Angaben der pakistanischen Regierung wurden in ganz Pakistan 49 Abschiebezentren (auch als "Transit"-Zentren bezeichnet) eingerichtet. Es besteht die Möglichkeit, dass weitere hinzukommen. Diese Abschiebezentren entbehren jeder gesetzlichen Grundlage und laufen parallel zum Rechtssystem. Amnesty International hat festgestellt, dass den Inhaftierten ihre ihnen zustehenden Rechte, wie etwa das Recht auf einen Rechtsbeistand oder auf Kontakt mit Familienangehörigen, in mindestens sieben Abschiebezentren verwehrt werden. Solche Zentren verstoßen gegen das Recht auf Freiheit und ein faires Verfahren. Außerdem werden keine Informationen veröffentlicht, so dass es für die Familien schwierig ist, ihre Angehörigen ausfindig zu machen.
Maryam (Name geändert), eine afghanische Aktivistin in Islamabad, berichtete Amnesty International, dass am 2. November mehrere afghanische Flüchtlinge auf der Shalimar-Polizeistation inhaftiert wurden: "Diejenigen, die keine Papiere hatten, wurden zur Abschiebung geschickt, während ihre Familienangehörigen keine Informationen darüber erhielten, wohin sie gebracht wurden oder wann sie abgeschoben werden sollten."
Bei einem anderen Vorfall wurde am 3. November ein 17-jähriger Junge bei einer Razzia in Sohrab Goth in Karatschi festgenommen. Obwohl er in Pakistan geboren wurde, eine vom UNHCR ausgestellte Registrierungskarte (POR - Proof of Registration) besaß und minderjährig war, wurde seiner Familie kein Zutritt zur Haftanstalt gewährt. Er wurde am nächsten Tag abgeschoben, und sein genauer Aufenthaltsort ist nach wie vor unbekannt.
Von pakistanischen Behörden vertriebene afghanische Geflüchtete suchen Zuflucht in einem provisorischen Camp in der Nähe des Torkham-Grenzübergangs zu Afghanistan (2. November 2023).
© IMAGO / ABACAPRESS
Amnesty International wurden auch mehrere Fälle von Schikanen und Drangsalierungen gemeldet. Mindestens 12 Kleinunternehmer*innen, die im Besitz einer gültigen "Afghan Citizen Card" waren, wurden am 1. November auf den Polizeistationen Nishtar Colony und Garden Town in Lahore mehr als 24 Stunden lang festgehalten. Sie wurden keinem Gericht vorgeführt, Anklage wurde nicht gegen sie erhoben. Am 24. Oktober wurden afghanische Händler*innen in Akbari Mandi in Lahore von Personen in Zivil, die sich als Polizeibeamt*innen ausgaben, nach Unterlagen durchsucht und 500.000 Rupien in bar beschlagnahmt.
Seit der Ankündigung der Frist wurden Warnungen in Form von Flugblättern, Lautsprechern in örtlichen Moscheen und Erklärungen verbreitet, dass jede Person, die afghanischen Flüchtlingen ohne Papiere Unterkunft gewährt, mit einer Geldstrafe oder Festnahme rechnen muss. Farah (Name geändert), eine in Peschawar lebende Journalistin, erklärte, dass zwar die meisten Afghan*innen auf der Suche nach einer Unterkunft abgewiesen werden: "Die Vermieter*innen, die jedoch Zugeständnisse machen, verlangen das Fünffache der Miete, die sie normalerweise verlangen würden".
Seit Anfang Oktober wurden mehrere katchi abadis (informelle Siedlungen), in denen afghanische Flüchtlinge leben, von Behördenvertreter*innen der Capital Development Authority (CDA) in Islamabad abgerissen. Diese Abrisse wurden ohne ordnungsgemäßes Verfahren oder Vorwarnung durchgeführt, da für informelle Siedlungen nur begrenzt Eigentumsrechte gelten. Dies führte dazu, dass Häuser zerstört wurden, in denen sich noch persönliche Gegenstände befanden.
Der afghanische Journalist Asad (Name geändert) und seine Familie flohen 2021 aus Afghanistan, als seine Freund*innen und Kolleg*innen nach der Machtübernahme durch die Taliban ermordet wurden. "Ich stehe auf mehreren Listen, die von den Taliban geführt werden, und ich bin sicher, dass man mich töten wird, wenn ich zurückkehre", sagte er. Er selbst habe kein gültiges Visum, das er den pakistanischen Behörden bei einer Kontrolle vorzeigen könnte.
"Pakistan muss seinen Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen nachkommen, um die Sicherheit der afghanischen Flüchtlinge innerhalb seiner Grenzen zu gewährleisten, und die Abschiebungen sofort stoppen, um eine weitere Eskalation dieser Krise zu verhindern", sagte Livia Saccardi.