DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Pakistan 2023
© Amnesty International
- Hintergrund
- Recht auf friedliche Versammlung
- Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
- Recht auf freie Meinungsäußerung
- Rechte von Frauen und Mädchen
- Verschwindenlassen
- Recht auf eine gesunde Umwelt
- Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
- Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
- Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit
- Veröffentlichungen von Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Die politische Lage war 2023 zunehmend instabil, und die Behörden gingen weiterhin gegen Andersdenkende, Oppositionelle und Kritiker*innen der Regierung und des Militärs vor. Nach wie vor kam es zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, übermäßiger Einschränkung von Protesten sowie Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Die Betroffenen hatten dabei kaum oder gar keine Aussicht auf Gerechtigkeit. Trans Menschen sahen sich Gewalt, Schikanen und Diskriminierung ausgesetzt, da Gesetze zu ihrem Schutz unter Beschuss kamen und böswillig Fehlinformationen verbreitet wurden. Pakistan war aufgrund des Klimawandels von immer extremeren Wetterereignissen und Naturkatastrophen betroffen.
Hintergrund
Die sich verschärfende Wirtschaftskrise war durch eine rasant ansteigende Inflation gekennzeichnet, die nach Angaben des pakistanischen Statistikamts im Dezember 2023 bei 29,66 Prozent lag. Vor dem Hintergrund zunehmender politischer Spannungen schnellten die Lebenshaltungskosten und Kraftstoffpreise stark in die Höhe, was schwere Folgen für die Bevölkerung hatte.
Am 14. August 2023 übernahm Senator Anwar ul Haq Kakar kommissarisch das Amt des Premierministers bis zur Parlamentswahl, die laut Verfassung innerhalb von 90 Tagen nach der Ernennung einer geschäftsführenden Regierung stattzufinden hat. Die pakistanische Wahlkommission beantragte jedoch eine Fristverlängerung, um den Zuschnitt der Wahlkreise entsprechend den Ergebnissen einer neuen Volkszählung zu aktualisieren. Im November wurde nach Intervention des Obersten Gerichtshofs der Wahltermin auf den 8. Februar 2024 gelegt.
Recht auf friedliche Versammlung
Nur wenige Stunden vor Beginn des alljährlich am Internationalen Frauentag (8. März) von der größten Frauenbewegung des Landes organisierten Aurat-Marschs (Marsch für Frauenrechte) und einer Kundgebung der Oppositionspartei PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) verbot das Innenministerium der Provinz Punjab "jegliche Proteste, Demonstrationen und Sitzstreiks" im gesamten Distrikt Lahore für die folgenden sieben Tage. Das pauschale Verbot verstieß gegen internationale Menschenrechtsstandards, da die Behörden seine Notwendigkeit nicht hinreichend belegten und vage Begründungen wie die "allgemeine Sicherheitslage" anführten.
Grundlage des Protestverbots war Abschnitt 144 der Strafprozessordnung (ein aus dem Jahr 1898, d. h. der Kolonialzeit, stammendes Gesetz), das seit jeher von den Distriktverwaltungen zur Einschränkung von Versammlungen genutzt wurde. Die Verwaltung des Distrikts Lahore hatte bereits am 3. März 2023 die Genehmigung für den Aurat-Marsch in Lahore verweigert und dies u. a. mit "strittigen Protestplakaten und -transparenten zur Aufklärung über Frauenrechte" begründet. Nach dem erfolgreichen Einlegen von Rechtsmitteln hatte das Hohe Gericht von Lahore die Bewilligung zur Durchführung des Marschs erteilt, woraufhin jedoch am Morgen des 8. März das Pauschalverbot verhängt wurde.
Ebenfalls am 8. März 2023 wurden friedliche Protestierende, die in der Hauptstadt Islamabad an einem Aurat-Marsch teilnahmen, von der Polizei gewaltsam auseinandergetrieben. Zudem wurde der für die Kundgebung vorgesehene Veranstaltungsort mit Stacheldraht und Containern blockiert. Im Zuge des gewaltsamen Vorgehens wurden Frauen und Khawajasira (trans Menschen) verletzt. Bei der PTI-Kundgebung in Lahore wurde eine Person getötet.
Der ehemalige Premierminister Imran Khan wurde am 9. Mai 2023 im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen festgenommen. Am selben Tag gingen seine Anhänger*innen landesweit in großer Zahl auf die Straße, um gegen seine Festnahme zu protestieren. Einige Gruppen drangen gewaltsam in die Militärzentrale in Rawalpindi ein, andere setzten die offizielle Residenz eines Militärkommandanten in Lahore in Brand. Gewalttätige Ausschreitungen Protestierender wurden von Militär- und Polizeikräften mit rechtswidriger Gewaltanwendung beantwortet. Medienberichten zufolge wurden mindestens acht Menschen getötet und Hunderte verletzt.
Im Dezember 2023 ging die Polizei in Islamabad mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern gegen Teilnehmende des Langen Marschs der belutschischen Frauen (Baloch Long March) vor. Sie nahm über 200 friedlich Protestierende fest, darunter viele Frauen, Kinder und ältere Menschen; sie wurden anschließend wieder freigelassen.
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Die Behörden nutzten die Verordnung über die Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung (Maintenance of Public Order Ordinance) und das vage formulierte Antiterrorgesetz (Unlawul Activities Prevention Act), um die politische Opposition ins Visier zu nehmen. Im Mai 2023 führten die Behörden Massenfestnahmen durch und inhaftierten mehr als 4.000 Personen willkürlich, darunter auch führende Politiker*innen, denen vorgeworfen wurde, während der Proteste vom 9. Mai Straftaten begangen zu haben (siehe "Recht auf friedliche Versammlung"). Die Behörden gaben an, sie hätten Geofencing, Überwachung in den Sozialen Medien und Videoüberwachung eingesetzt, um mutmaßliche Straftäter*innen zu identifizieren.
Insgesamt 103 Zivilpersonen, die im Zusammenhang mit den Protesten vom 9. Mai 2023 angeklagt worden waren, wurden unter Verstoß gegen ihr Recht auf ein faires Verfahren und unter Missachtung der Verpflichtungen aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vor Militärgerichte gestellt. Obwohl vor dem Obersten Gerichtshof Klagen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Militärgerichte anhängig waren, wurden die Verfahren fortgesetzt. Die Nationale Menschenrechtskommission stellte Mängel bei der Durchführung von Festnahmen und bei den Haftbedingungen fest. Bis zum 9. Juni waren in Punjab, der Provinz mit den meisten Festnahmen, 295 Anklagen registriert worden, 52 davon auf Grundlage des Antiterrorgesetzes von 1997. Viele Demonstrierende, darunter auch die prominente PTI-Unterstützerin Khadija Shah, die mehr als sieben Monate lang inhaftiert war, wurden erneut in Gewahrsam genommen, obwohl sie zuvor gegen Kaution freigelassen worden waren. Berichten zufolge wurden viele PTI-Führungskräfte gezwungen, aus der Partei auszutreten.
Am 1. Juni 2023 wurde der Menschenrechtsanwalt Jibran Nasir entführt und einen Tag lang festgehalten. Am 20. August wurden die Rechtsanwältin und Menschenrechtsverteidigerin Imaan Mazari sowie Ali Wazir von der "Bewegung für den Schutz der Paschtunen" (PTM) und weitere PTM-Aktivist*innen unter dem Vorwurf der Aufwiegelung, der Beschädigung öffentlichen Eigentums und der Behinderung von Regierungsangestellten im Dienst festgenommen. Die Festnahmen erfolgten nach ihrer Teilnahme an der Jalsa, einer öffentlichen Kundgebung der PTM, am 18. August in Islamabad, und verstießen gegen ihre Rechte auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit. Imaan Mazari wurde zudem in einer Weise festgenommen, die gegen das Rechtsstaatsprinzip verstieß. Imaan Mazari und Ali Wazir wurden am 28. August gegen Kaution freigelassen, jedoch noch am selben Tag unter dem Vorwurf des "Terrorismus" erneut inhaftiert. Beide kamen im September gegen Kaution frei. Ali Wazir wurde am 14. November erneut festgenommen, da man ihm vorwarf, staatliche Institutionen kritisiert zu haben. Nach acht Tagen kam er wieder frei. Der PTM-Vorsitzende Manzoor Pashteen wurde am 4. Dezember in Gewahrsam genommen, nachdem er bei einer Sitzblockade gegen Pass- und Visabestimmungen an der pakistanisch-afghanischen Grenze in Chaman (Belutschistan) eine Rede gehalten hatte. Ende 2023 befand er sich noch in Haft.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Am 4. Februar 2023 blockierte die pakistanische Telekommunikationsbehörde (PTA) Wikipedia, weil die Plattform sich weigerte, "gotteslästerliche Inhalte" zu löschen. Das Verbot wurde zwei Tage später wieder aufgehoben.
Am 5. März erließ die pakistanische Aufsichtsbehörde für elektronische Medien (PEMRA) ein generelles Sendeverbot für Reden des ehemaligen Premierministers Imran Khan und setzte die Ausstrahlung der Sendungen des privaten Nachrichtensenders ARY TV aus. Die PEMRA warf Imran Khan vor, staatliche Institutionen anzugreifen und Hass zu schüren. Nach der Festnahme Imran Khans verhängte die PTA am 9. Mai ein "unbefristetes" Verbot des mobilen Internets und sperrte beliebte Plattformen wie Youtube, Twitter und Facebook. Obwohl die Behörden angaben, das mobile Internet am 12. Mai wieder in Betrieb gesetzt zu haben, hatten die Menschen weiterhin Schwierigkeiten beim Zugriff auf Soziale Medien. Im Dezember waren die Sozialen Medien während einer "virtuellen" Kundgebung der PTI im ganzen Land stundenlang blockiert.
Bevor im August 2023 die Übergangsregierung ernannt wurde, verabschiedete das Parlament mindestens sechs Gesetze und Gesetzesänderungen, die darauf abzielten, das Recht auf freie Meinungsäußerung und den zivilgesellschaftlichen Raum einzuschränken. Davon betroffen war auch das Recht auf die Äußerung abweichender Meinungen im Rahmen parlamentarischer Debatten.
Am 15. August unterzeichnete Präsident Arif Alvi das vage formulierte Änderungsgesetz für die Pakistanische Medienaufsichtsbehörde (PEMRA [Amendment] Bill 2023). Die Nationale Menschenrechtskommission und Medien äußerten die Befürchtung, dass das Gesetz dazu verwendet werden könnte, das Recht auf freie Meinungsäußerung noch weiter einzuschränken.
Rechte von Frauen und Mädchen
Gewalt gegen Frauen und Mädchen war nach wie vor weit verbreitet, und zahlreiche Überlebende hatten keinen Zugang zur Justiz. Obwohl die pakistanische Regierung Anfang 2023 im Rahmen der vierten Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat (UPR-Prozess) zusicherte, dem Entwurf eines Gesetzes gegen häusliche Gewalt aus dem Jahr 2021 (Domestic Violence [Prevention and Protection] Bill) Gesetzeskraft zu verleihen, wurden im weiteren Verlauf des Jahres keine entsprechenden Schritte unternommen.
Am 16. August 2023 wurde in Hyderabad nach dem Tod eines neunjährigen Mädchens, das als Hausangestellte beschäftigt war, Mordanklage erhoben. Veröffentlichte Videos zeigten das Mädchen im Haus ihrer Arbeitgeber*innen mit Anzeichen körperlicher Misshandlung, und der Obduktionsbericht ergab, dass sie vergewaltigt und misshandelt worden war. Im Juli 2023 wurde ein 15-jähriges Mädchen, das als Hausangestellte beschäftigt war, mit Anzeichen von körperlicher Misshandlung, Vernachlässigung und Unterernährung in ein Krankenhaus eingeliefert. Im November starb eine Frau in Kohistan durch einen auf Anordnung einer Jirga (Ältestenversammlung) erfolgten sogenannten Ehrenmord.
Verschwindenlassen
Wie schon in den Vorjahren ließen die Behörden auch im Jahr 2023 Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Kritiker*innen der Regierung und des Militärs verschwinden, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Familien der Betroffenen forderten weiterhin öffentlich Wahrheit und Gerechtigkeit für ihre vermissten Angehörigen.
Nach den gewaltsamen Protesten vom 9. Mai (siehe "Recht auf friedliche Versammlung") 2023 "verschwanden" zahlreiche Regierungskritiker*innen. Dazu gehörten der Youtuber Imran Riaz Khan, der am 11. Mai zuletzt gesehen wurde und erst vier Monate später wieder auftauchte, und führende Politiker wie Usman Dar, der einen Monat lang "verschwand". Die Männer wurden nicht angeklagt, und niemand wurde in ihrem Fall oder in anderen Fällen für das Verschwindenlassen zur Rechenschaft gezogen.
Im Laufe des Jahres 2023 gab es zahlreiche Berichte über Fälle des Verschwindenlassens in der Provinz Belutschistan und über belutschische Studierende, die in anderen Landesteilen Opfer des Verschwindenlassens wurden. Die belutschischen Studierenden Salim Baloch und Ikram Naeem "verschwanden" am 4. Juli, und der bekannte belutschische Journalist Abid Mir fiel am 8. März dem Verschwindenlassen zum Opfer. Ikram Naeem kam nach drei Tagen wieder frei, Abid Mir nach fünf Tagen. Salim Baloch wurde mehr als einen Monat lang festgehalten. Über die Sicherheit und den Verbleib vieler anderer Belutsch*innen, darunter auch Studierende, war Ende 2023 nichts bekannt. Es gab zudem Berichte über außergerichtliche Tötungen, darunter die im November erfolgte Tötung von Balach Mola Bakhsh durch Einsatzkräfte der Abteilung für Terrorismusbekämpfung in der Stadt Turbat.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Der Klimawandel forderte von Pakistan weiterhin einen hohen Tribut, obwohl das Land historisch nur einen geringen Teil der globalen Treibhausgasemissionen verursacht hat. Die in Pakistan in den vergangenen Jahren gemessenen Temperaturen zählten zu den weltweit höchsten, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagte für die Zukunft noch stärkere und häufigere Hitzewellen voraus.
Recherchen von Amnesty International ergaben, dass klimabedingte Hitzewellen bei den Bewohner*innen der Städte Jacobabad und Lahore zu gesundheitlichen Auswirkungen wie Hitzeschlag, anhaltender Müdigkeit, Atembeschwerden und Fieber führten. Besonders betroffen waren Menschen, die in Armut lebten oder im informellen Sektor arbeiteten und nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu Bewältigungsmaßnahmen hatten. Die Pläne zum Hitzewellen- und Katastrophenmanagement enthielten keine soliden sozialen Schutzmaßnahmen. Viele Menschen waren darüber hinaus nicht in der Lage, den Ratschlägen der Gesundheitsbehörden zu folgen, die z. B. eine Verkürzung der Arbeitszeiten und eine Kühlung der Wohnungen empfahlen.
Laut einem Bericht des Schweizer Unternehmens für Luftqualitätstechnologie IQAir gehört Lahore zu den Städten mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit, wodurch die Rechte der dort lebenden Menschen auf Leben, Gesundheit und eine gesunde Umwelt beeinträchtigt werden.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
Khawajasira (trans Menschen) und queere Menschen wurden vermehrt zum Ziel von Gewalt, Drangsalierungen, Einschüchterungen und Morden. Politische und islamistische Gruppen führten eine gefährliche Desinformationskampagne gegen das Gesetz zum Schutz von trans Menschen (Transgender Persons [Protection of Rights] Act) aus dem Jahr 2018. Das Gesetz gewährt trans Menschen die rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität und schützt sie vor Diskriminierung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Geschlechtsidentität. Im April 2023 bestätigte der Ständige Ausschuss für Menschenrechte im Senat die Einbringung von Änderungsanträgen, durch die wesentliche Bestimmungen des Gesetzes gestrichen oder ersetzt werden sollen, um "eine Übereinstimmung mit den Geboten des Islams zu erreichen". Der neue Gesetzentwurf sah nicht länger die Möglichkeit einer Selbstidentifizierung ohne ärztliche Untersuchung vor. Außerdem wurde der Begriff "transgeschlechtlich" durch "intergeschlechtlich" ersetzt und gendersensible medizinische Versorgung kriminalisiert.
Das Bundes-Schariagericht (Federal Shariat Court) hob später einige Bestimmungen des Gesetzes mit der Begründung auf, dass sie "unislamisch" seien. Dies bezog sich auf Bestimmungen über Geschlechtsidentität, das Recht auf Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität und das Erbrecht für trans Menschen. Gegen das Urteil wurden vor dem Obersten Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Nachdem die Taliban im Jahr 2021 in Afghanistan die Macht ergriffen hatten, flohen viele afghanische Staatsangehörige nach Pakistan. Dort waren sie willkürlicher Festnahme, Inhaftierung und Schikane durch die Behörden ausgesetzt und mussten ständig befürchten, abgeschoben zu werden. Im Oktober 2023 verkündete die pakistanische Regierung ihre Entscheidung, ab dem 1. November alle im Land verbliebenen nicht registrierten afghanischen Geflüchteten nach Afghanistan abzuschieben, und setzte ihnen damit faktisch eine 30-tägige Frist zum Verlassen des Landes. Die Drangsalierung, Diskriminierung, Festnahme und willkürliche Inhaftierung von Flüchtlingen im ganzen Land nahm nach der Ankündigung dieser Frist zu, und Menschen wurden in den landesweit eingerichteten Haftzentren ohne rechtliche Garantien und ohne Zugang zu Rechtsbeiständen oder Kontakt zu ihren Familienangehörigen festgehalten. Zwischen September und Ende des Jahres 2023 wurden mehr als 490.891 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan abgeschoben.
Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit
Religiöse Minderheiten waren auch 2023 Gewalt und Schikane ausgesetzt. Vage und drakonische Blasphemiegesetze wurden routinemäßig gegen Minderheiten eingesetzt und ermöglichten es extremistischen Gruppen, ungestraft zu agieren.
Im Februar 2023 wurde in Nankana Sahib ein Mann, dem Koranschändung vorgeworfen wurde, von einer Menschenmenge aus einer Polizeistation gezerrt und zu Tode geprügelt. Am 7. August wurde ein der Blasphemie beschuldigter Lehrer in Turbat erschossen. Nachdem gegen zwei christliche Einwohner der Stadt Jaranwala im Bezirk Faisalabad Blasphemievorwürfe erhoben worden waren, griffen aufgebrachte Menschenmengen am 16. August mindestens 24 Kirchengebäude und mindestens 80 Häuser von Christ*innen an. Medienberichten zufolge wurden mehr als 100 Personen im Zusammenhang mit den Gewalttaten festgenommen und 21 Anzeigen aufgenommen, auf deren Grundlage laut Polizeiangaben Anfang des Jahres 2024 Gerichtsverfahren beginnen sollen.
Gebets- und Grabstätten der verfolgten muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft wurden weiterhin geschändet, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen und bestraft wurden. Am 19. Januar und 2. Februar 2023 griffen zahlreiche Männer zwei Ahmadi-Moscheen im Stadtviertel Martin Quarters in Karatschi an. Am 25. Juli wurde die Ahmadi-Moschee in der Shah-Faisal-Kolonie von Karatschi angegriffen und mit ahmadifeindlichem Graffiti verunstaltet. Im August wurden einem Medienbericht zufolge acht Ahmadis in Lahore festgenommen, weil sie in der Öffentlichkeit "ihre religiösen Überzeugungen gepredigt" haben sollen. Die Nationale Menschenrechtskommission berichtete von mindestens 34 Vorfällen in den Monaten Januar bis September 2023, bei denen religiöse Stätten der Ahmadis angegriffen wurden. Ein Sprecher der Gemeinschaft berichtete den Medien, dass im September innerhalb von zwei Wochen 74 Ahmadi-Gräber in der Stadt Daska in der Provinz Punjab geschändet worden seien. In mehreren Gebieten von Punjab wurden Ahmadis daran gehindert, am Islamischen Opferfest Eid ul Adha, dem höchsten religiösen Fest des Islams, das rituelle Tieropfer zu vollziehen.
Veröffentlichungen von Amnesty International
- Pakistan: Blanket ban on protests in Lahore must be lifted immediately, 8 March
- Pakistan: Reject proposed rollbacks on the proposed Transgender Persons Act, 17 May
- Pakistan: A burning emergency - extreme heat and the right to health, 4 June
- Pakistan: YouTuber and TV anchor forcibly disappeared: Imran Riaz Khan, 23 June
- Pakistan: Government must not deport Afghan Refugees, 4 October
- Pakistan: Authorities must end impunity of tribal councils as so-called 'honour killings’ continue unabated, 30 November