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Burkina Faso 2021
Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021
Bewaffnete Gruppen verübten weiterhin tödliche Angriffe auf Zivilpersonen, darunter auch Kinder. Die Rechte auf Bildung und Gesundheit waren eingeschränkt, und im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt wurden Fälle von sexualisierter Gewalt gemeldet. Nach wie vor herrschte Straffreiheit für schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße. Die Behörden bedrohten die Pressefreiheit.
Hintergrund
Präsident Kaboré, der Ende 2020 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde, verfolgte 2021 eine Politik des Dialogs mit einigen der bewaffneten Gruppen im Norden Burkina Fasos. Doch der bewaffnete Konflikt wütete weiter. Nach einem Massaker an Zivilpersonen in der Stadt Solhan im Juni 2021 fanden zahlreiche Demonstrationen statt, die zur Entlassung des Verteidigungsministers führten. Nachdem es außerdem wegen eines Anschlags auf einen Gendarmerieposten in Inata in der nördlichen Provinz Soum zu Protesten wegen der Sicherheitslage gekommen war, trat die Regierung im Dezember 2021 zurück, und es wurde ein neuer Regierungschef ernannt.
Die humanitäre Lage blieb prekär; die Zahl der Binnenvertriebenen stieg nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) von rund 1 Million im Januar auf 1.368.000 im Juli 2021.
Menschenrechtsverstöße bewaffneter Gruppen
Der Konflikt im Norden und Osten Burkina Fasos beeinträchtigte weiterhin das Leben der Zivilbevölkerung und behinderte ihre Aktivitäten. Einige Angriffe von bewaffneten Gruppen wurden wahllos durchgeführt und könnten daher als Kriegsverbrechen gelten.
Die Stadt Mansila in der Provinz Yagha befand sich das ganze Jahr 2021 über unter einer Blockade der Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime (Group for the Support of Islam and Muslims – GSIM). Dies führte zu einer Massenflucht und zu Ernährungsunsicherheit in der Bevölkerung.
Im April 2021 wurde ein zivil-militärischer Konvoi, der die Wilderei im Pama-Reservat in der Provinz Kompienga dokumentierte, von einer bewaffneten Gruppe überfallen. Nach Angaben der Regierung wurden drei ausländische Journalisten und ein burkinischer Staatsangehöriger getötet.
Im Mai 2021 tötete eine bewaffnete Gruppe 30 Dorfbewohner_innen bei einem Angriff in Kodyel in der Provinz Komondyari.
Im Juni griff eine nicht identifizierte bewaffnete Gruppe Stellungen der Freiwilligen zur Verteidigung des Vaterlandes, einer Hilfstruppe des Militärs, am Eingang der Stadt Solhan in der Provinz Yagha an, bevor sie die Stadt überrannte und wahllos deren Bewohner_innen tötete. Mindestens 132 Personen wurden bei dem Angriff getötet und 40 verletzt. Menschen aus 707 Haushalten wurden vertrieben.
Im August 2021 wurde ein Militärkonvoi zwischen den Städten Arbinda und Dori, der von Zivilpersonen begleitet wurde, von einer bewaffneten Gruppe überfallen. Aus Regierungskreisen verlautete, dass bei dem Angriff 65 Menschen starben, darunter 59 Zivilpersonen.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Im Juni 2021 meldete die NGO Ärzte ohne Grenzen einen Anstieg der sexualisierten Gewalt in den vom bewaffneten Konflikt betroffenen Regionen.
In der Stadt Kaya in der Provinz Sanmatenga, der Provinz mit der höchsten Anzahl Binnenvertriebener in Burkina Faso, dokumentierten die Medien mutmaßliche Fälle, in denen lokale NGOs Binnenvertriebenen im Austausch für sexuelle Handlungen den Zugang zu humanitärer Nahrungsmittelhilfe erleichterten.
Kinderrechte
Dutzende von Kindern wurden bei Angriffen von bewaffneten Gruppen auf Dörfer und Städte getötet. UNICEF berichtete, dass bei dem Angriff auf die Stadt Solhan im Juni 2021 mindestens 20 Kinder getötet und Hunderte mit ihren Familien vertrieben wurden.
Bewaffnete Gruppen, darunter die GSIM und der Islamische Staat in der Großsahara (ISGS), rekrutierten weiterhin Kinder und ließen sie an Kampfhandlungen teilnehmen, was einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt.
Recht auf Bildung
Bewaffnete Gruppen, darunter die GSIM und der ISGS, verboten weiterhin die sogenannte "westliche" Bildung in Burkina Faso, und nach wie vor gab es Drohungen und Angriffe gegen Lehrer_innen, mit denen diese davon abgehalten werden sollten, weiter ihren Beruf auszuüben. Im März 2021 waren 323 Schüler_innen gezwungen, nach Angriffen durch bewaffnete Gruppen in der Region Boucle du Mouhoun aus ihrer Schule zu fliehen. Zwischen dem 21. und 28. Juni wurden im Departement Manni in der Provinz Gnagna acht Schulen von bewaffneten Gruppen angegriffen. Es wurden Schulmaterialien gestohlen, und Eigentum wurde zerstört.
Seit Beginn des bewaffneten Konflikts mussten mehr als 2.682 Schulen schließen. Bis Mai 2021 waren von diesen Schließungen 304.564 Schulkinder und 12.480 Lehrer_innen betroffen. Die Regierung entwickelte mit Unterstützung von UNICEF alternative Bildungsmodelle wie den Unterricht über das Radio, von dem im Verlauf des Jahres 647.081 Schulkinder profitierten.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Im Mai 2021 gründete die Regierung eine neue Militäreinheit, die Forces Spéciales (Sondereinsatzkräfte), deren Auftrag u. a. "Antiterroroperationen" umfasste. In einem Gesetz vom Juni zur Rechtsstellung dieser Einsatzkräfte hieß es, dass sie für Handlungen, die sie während ihrer Einsätze begehen, nicht vor Gericht belangt werden können. Diese Immunitätsklausel verletzt das Recht der Opfer auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Im Juli 2021 stimmte der französische Staatsrat der Auslieferung von François Compaoré, dem Bruder des ehemaligen burkinischen Präsidenten Blaise Compaoré, an Burkina Faso zu, wo er wegen Anstiftung zum Mord im Zusammenhang mit dem Tod des Investigativjournalisten Norbert Zongo im Jahr 1998 gesucht wurde. Diese Entscheidung wurde im August vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgesetzt, bis das durch François Compaoré eingelegte Rechtsmittel geprüft worden ist.
Im August 2021 fanden vor dem Hohen Gericht in der Hauptstadt Ouagadougou die ersten Prozesse wegen terroristischer Straftaten statt. Zwei Mitglieder der bewaffneten Gruppe Ansaroul Islam wurden wegen "krimineller Vereinigung im Zusammenhang mit einem terroristischen Unternehmen", "illegalem Besitz von Kriegswaffen und -munition", "Mittäterschaft bei Terrorismus" und "vorsätzlicher Zerstörung von Eigentum" zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil sie 2018 eine Grundschule in Bafina in der Provinz Sanmatenga angegriffen und zerstört hatten. Außerdem wurden sie zu einer Schadensersatzzahlung von umgerechnet jeweils knapp 6.220 Euro verurteilt.
Ende des Jahres gab es noch keine entscheidenden Fortschritte bei der Untersuchung der rechtswidrigen Tötung von 50 Menschen und dem Verschwindenlassen von weiteren 66 Personen in dem Dorf Yirgou in der Provinz Sanmatenga im Januar 2019, die mutmaßlich auf das Konto der bewaffneten Gruppe Kogleweogo gingen.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Behörden verletzten mehrfach die Medienfreiheit und versagten beim Schutz von Journalist_innen. Im März 2021 wurde Ladji Bama, Herausgeber der Zeitung Le Courrier confidentiel, nach einer Anzeige der Regierungspartei wegen "Verleumdung" zur Zahlung von umgerechnet etwa 3.100 Euro Schadensersatz verurteilt. Im November 2020 war nahe der Kleinstadt Dori auf das Auto von Ladji Bama geschossen worden. In einem anschließenden Facebook-Post hatte er die Regierungspartei beschuldigt, in den Angriff verwickelt zu sein, bevor er Anzeige wegen "Mordversuchs" gegen unbekannt erstattete. Bis Ende des Jahres wurden keine aus dieser Anzeige resultierenden strafrechtlichen Entwicklungen bekannt.
Nach dem Angriff auf die Stadt Solhan im Juni 2021 suspendierte der Hohe Rat für Kommunikation die Radio- und Fernsehprogramme der Omega-Mediengruppe für fünf Tage wegen "falscher Berichterstattung" über den Angriff, nachdem diese berichtet hatten, Binnenvertriebene aus Solhan seien auf der Straße nach Dori in einen Hinterhalt geraten. In einem Schreiben drohte der Rat auch Radio France Internationale mit der Suspendierung wegen der Berichterstattung über den Anschlag und die Reaktion der Regierung auf diesen.
Recht auf Gesundheit
Burkina Faso startete im Juni 2021 eine landesweite Impfkampagne gegen Covid-19, verfehlte jedoch das selbst gesteckte Ziel einer Impfquote von 70 Prozent. Im Dezember 2021 waren erst 1,6 Prozent der Bevölkerung geimpft.
Der Zugang zu Impfstoffen in abgelegenen Regionen und in Siedlungen von Binnenvertriebenen war aufgrund des bewaffneten Konflikts eingeschränkt.
Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz wurde die Gesundheitsversorgung in den vom Konflikt betroffenen Regionen dadurch erschwert, dass das Gesundheitspersonal diese Regionen wegen der dort herrschenden Gewalt verließ.