Amnesty Report Bahrain 29. März 2022

Bahrain 2021

Eine Frau geht an einer Wand vorbei, an die zahlreiche Porträtfotografien geklebt

Eine Wand in der bahrainischen Stadt Sanabis mit Fotos von politischen Gefangenen (Archivaufnahme)

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Die Behörden begingen weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und andere Misshandlungen, und unterdrückten die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Offizielle Untersuchungen von Misshandlungen endeten, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen worden wären. Arbeitsmigrant_innen waren mit Lohndiebstahl konfrontiert, und ihr Recht auf Gesundheit wurde verletzt, ebenso wie das von Häftlingen. Die Regierung verletzte das Recht auf Privatsphäre durch das Ausspionieren von Aktivist_innen.

Hintergrund

Im Januar 2021 nahm Bahrain an einem Gipfeltreffen des Golf-Kooperationsrats teil, auf dem der 2017 erfolgte Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Katar nominell beendet wurde. Bis Ende 2021 hatte Bahrain seine diplomatischen Beziehungen und direkten Reise- und Handelsbeziehungen mit dem Nachbarland jedoch noch nicht wieder in vollem Umfang aufgenommen.

Recht auf Gesundheit

Seit Ende 2020 bot Bahrain kostenlose Impfungen gegen das Coronavirus für Staatsangehörige und Personen mit gültigem Wohnsitz im Land an. Die schätzungsweise 70.000 Migrant_innen ohne regulären Aufenthaltsstatus hatten jedoch keinen Anspruch auf diese Leistung, weil sie keinen bahrainischen Ausweis besaßen. Häftlinge konnten ab Februar 2021 geimpft werden, sie kritisierten jedoch, dass sie keine Auskunft darüber erhielten, welcher Impfstoff angeboten wurde, sodass sie keine informierte Entscheidung treffen konnten.

Von März bis Juni 2021 kam es im Jaw-Zentralgefängnis zu einer Welle von Coronaausbrüchen. Das Innenministerium bestätigte drei Fälle, wohingegen Angehörige von Gefangenen Amnesty International im April berichteten, dass zahlreiche Gefangene infiziert seien.

Im Juni 2021 starb der Häftling Husain Barakat im Jaw-Gefängnis an Komplikationen, nachdem er sich mit dem Coronavirus infiziert hatte, obwohl er geimpft war. Seine Frau berichtete Amnesty International, dass er ihr gesagt habe, er könne nicht atmen, und dass die Wärter seinen Bitten um Verlegung in ein Krankenhaus erst nachgekommen seien, als er schon zu schwach zum Gehen war. Während des gesamten Jahres ergriff die Gefängnisverwaltung über das Angebot der Impfung hinaus keine weiteren Vorsorgemaßnahmen wie z. B. Verteilung von Masken an Häftlinge und Bereitstellung von Desinfektionsmitteln. Aufgrund der Überbelegung des Gefängnisses war es nicht möglich, Abstand zu halten.

Folter und andere Misshandlungen

Wie in den vergangenen Jahren berichteten Gefangene und ihre Familien von Folter in Haftanstalten. Im Januar 2021 durfte Scheich Zuhair Jasim Abbas nach fünfmonatiger Isolationshaft im Jaw-Gefängnis endlich seine Familie anrufen. Er berichtete seinen Verwandten, dass er in dieser Zeit von Gefängniswärtern u. a. mit Schlafentzug, Drohungen über seine baldige Hinrichtung, Tritten sowie Schlägen mit Fäusten und Schläuchen gefoltert worden sei.

Im April 2021 beendete die Leitung des Jaw-Gefängnisses gewaltsam einen Protest von Inhaftierten, der nach dem Tod des Gefangenen Abbas MalAllah ausgebrochen war. Obwohl einige Inhaftierte gewaltsam Widerstand gegen die Versuche des Gefängnispersonals leisteten, sie in ihre Zellen zurückzudrängen, kam das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zu dem Schluss, dass das Ausmaß der Gewaltanwendung seitens des Gefängnispersonals unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt war. Die Wärter hatten Häftlinge mit Schlagstöcken auf den Kopf geschlagen und in einigen Fällen so lange auf sie eingeprügelt, bis sie stark bluteten.

 

 

Rechte von Inhaftierten

Im April 2021 beschlagnahmte die Verwaltung des Jaw-Gefängnisses ein Manuskript über die bahrainische Mundart, das 'Abdel-Jalil al-Singace verfasst hatte, ein seit 2011 inhaftierter Anführer friedlicher Proteste. Er hatte einen Mitgefangenen, der gerade entlassen wurde, gebeten, das Manuskript seiner Familie zu übergeben. Aus Protest trat 'Abdel-Jalil al-Singace am 8. Juli in den Hungerstreik.

Kinderrechte

Ein neues Gesetz zum besseren Schutz von Minderjährigen im Justizsystem, das im August 2021 in Kraft trat, erweiterte zwar die Rechte von Kindern vor Gericht, wurde jedoch in der Praxis noch nicht in vollem Umfang angewandt.

Im Februar 2021 nahmen Angehörige des Innenministeriums den 16‑jährigen Sayed Hasan Ameen fest, trennten ihn von seinen Eltern und verhörten ihn ohne die Anwesenheit eines Rechtsbeistands oder Verwandten. Die Staatsanwaltschaft, die sich zum Teil auf dieses Verhör stützte, klagte ihn gemeinsam mit drei weiteren Minderjährigen unter 18 Jahren wegen Brandstiftung und des Werfens von Molotow-Cocktails an. Alle vier wurden gemäß dem Erwachsenenstrafrecht vor Gericht gestellt, was gegen die Verpflichtungen Bahrains aus dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes verstößt. Nach großer öffentlicher Empörung ließ das Gericht die vier Jugendlichen im März unter der Auflage frei, dass sie an einem sechsmonatigen Rehabilitationsprogramm teilnehmen müssen.

 

Straflosigkeit

Die Umsetzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf blieb unzureichend und intransparent. Die staatsanwaltschaftliche Sonderermittlungseinheit (Special Investigation Unit – SIU) gab an, dass Berichte über Folter und andere Misshandlungen bei ihr eingegangen seien, machte jedoch keine Angaben über die Anzahl der Fälle. Die Behörde berichtete, gegen sieben Angehörige der Sicherheitskräfte ein Strafverfahren wegen unerlaubter Gewaltanwendung eingeleitet und drei weitere Angehörige der Sicherheitskräfte wegen Misshandlung von Zivilpersonen an ein Militärgericht verwiesen zu haben. Die SIU machte jedoch keine Angaben, die eine Identifizierung der Fälle ermöglicht hätten, und berichtete nur unvollständig über die Ergebnisse. Im detailliertesten Fall führte die SIU an, ein Gericht habe drei Angehörige der Sicherheitskräfte wegen rechtswidriger Gewaltanwendung schuldig gesprochen und "Strafen verhängt, die von Gefängnisstrafen bis zu Geldbußen reichten".

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Ein positiver Schritt war, dass die Behörden im April 2021 Mohamed Hasan Jawad freiließen, einen von elf politischen und zivilgesellschaftlichen Anführern der friedlichen Proteste von 2011, die damals inhaftiert und zu Haftstrafen zwischen 15 Jahren und lebenslänglich verurteilt worden waren. Die anderen zehn blieben jedoch inhaftiert.

Anders als im Jahr 2020 wurden 2021 keine Strafverfahren wegen "Verbreitung von Fake News" gemeldet.

Im August 2021 identifizierte das Citizen Lab der Universität Toronto neun bahrainische Aktivist_innen, deren Endgeräte zwischen Juni 2020 und Februar 2021 unter Verletzung ihrer Rechte auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung mit der Spionagesoftware Pegasus der israelischen Firma NSO Group infiziert worden waren. Zu den Aktivist_innen gehörten drei Angehörige des Menschenrechtszentrums von Bahrain (Bahrain Centre for Human Rights), drei Mitglieder der oppositionellen politischen Gruppe Wa'ad, ein Mitglied der oppositionellen politischen Gruppe al-Wefaq und zwei bahrainische Dissident_innen im Exil.

Im September 2021 ließen die Behörden Kameel Juma Hasan frei, den Sohn der bekannten Aktivistin Najah Yusuf. Als Vergeltung dafür, dass seine Mutter über ihre Misshandlungen während der Haft berichtet hatte, war er in einem grob unfairen Verfahren wegen Taten, die er als Minderjähriger begangen haben soll, zu über 29 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach heftiger öffentlicher Kritik ließ die Regierung ihn auf der Grundlage eines neuen Gesetzes, des Gesetzesdekrets Nr. 24 von 2021, frei, mit dem die Anwendung alternativer Strafen ausgeweitet wurde. Durch die Bewährungsauflagen wurden jedoch die Rechte von Kameel Juma Hasan auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Reisefreiheit für mehr als 25 Jahre faktisch außer Kraft gesetzt.

Arbeitsrechte

Die Rechte von Arbeitsmigrant_innen waren nach wie vor durch das Kafala-System eingeschränkt, das die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis an ein Beschäftigungsverhältnis knüpft. Die Abhängigkeit von ihren Arbeitgeber_innen machte Arbeitsmigrant_innen leicht zum Ziel von Ausbeutung.

Die Organisation Lawyers Beyond Borders bereitete eine Sammelklage zur Vorlage bei der indischen Justiz vor, um eine Entschädigung für Hunderte indische Staatsangehörige zu erwirken, die sich über die ausbleibenden Zahlungen von Gehältern und Abfindungen beschwert hatten, nachdem sie während der Coronalockdowns zwischen März und Oktober 2020 entlassen und gezwungen worden waren, ohne ihren vollen Lohn nach Hause zurückzukehren. Die Menschenrechtsorganisation Migrant Forum in Asia berichtete im Juni 2021, dass sie eine Gruppenbeschwerde wegen Lohndiebstahls von 43 nepalesischen Arbeiter_innen in Bahrain erhalten hatte.

Todesstrafe

Es wurden keine neuen Todesurteile oder Hinrichtungen gemeldet.

Weitere Artikel