Aktuell 26. Oktober 2021

USA/Großbritannien: Anklagen gegen Julian Assange fallenlassen!

Das Bild zeigt ein Plakat mit einem Foto von Julian Assange und dem Titel "Free Assange"

Protest für die Freilassung des Wikileaks-Gründers Julian Assange in Rom am 8. September 2021

Das Berufungsverfahren gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange soll am Mittwoch in London beginnen. Das Gericht entscheidet über eine mögliche Auslieferung des Publizisten an die USA. Amnesty fordert die britischen Behörden dazu auf, Assange sofort freizulassen. Bei einer Auslieferung drohen ihm schwere Menschenrechtsverletzungen und bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.   

Im Vorfeld einer Berufungsverhandlung zu der Entscheidung eines britischen Gerichts, Julian Assange nicht an die USA auszuliefern, hat die Internationale Generalsekretärin von Amnesty International die US-Behörden aufgefordert, die Anklagen gegen ihn fallenzulassen. An die britischen Behörden appelliert sie, Julian Assange nicht auszuliefern, sondern ihn sofort freizulassen.

Der Aufruf von Agnès Callamard folgt auf eine Untersuchung von Yahoo News, aus der hervorgeht, dass US-Geheimdienste eine Entführung oder Tötung von Julian Assange in Erwägung zogen, als er sich in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt. Diese Berichte schwächen die ohnehin schon unzuverlässigen diplomatischen Zusicherungen der USA, dass Assange im Falle einer Auslieferung nicht unter Bedingungen untergebracht wird, die einer Misshandlung gleichkommen könnten. 

Die unerbittliche Verfolgung von Julian Assange durch die US-Regierung macht deutlich, dass es sich bei dieser Strafverfolgung um eine Strafmaßnahme handelt.

Agnès
Callamard
Generalsekretärin von Amnesty International

"Die Zusicherungen der US-Regierung, Julian Assange nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis zu inhaftieren oder ihn missbräuchlichen Sonderverwaltungsmaßnahmen zu unterwerfen, werden dadurch entkräftet, dass sie sich das Recht vorbehält, diese Garantien zu widerrufen. Berichte, wonach die CIA eine Entführung oder Tötung von Assange in Erwägung gezogen hat, lassen noch mehr Zweifel an der Verlässlichkeit der US-Zusagen aufkommen und machen das politische Motiv hinter diesem Fall noch deutlicher", sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard.

"Es ist eine untragbare Rechtslage, dass fast 20 Jahre später praktisch niemand, der für mutmaßliche US-Kriegsverbrechen im Zuge der Konflikte in Afghanistan und im Irak verantwortlich ist, zur Rechenschaft gezogen geschweige denn strafrechtlich verfolgt wurde, während einem Publizisten, der solche Verbrechen aufgedeckt hat, möglicherweise eine lebenslange Haftstrafe droht."

Bei der für den 27. und 28. Oktober 2021 anberaumten Berufungsanhörung sollen fünf Berufungsgründe der USA erörtert werden, darunter die Verlässlichkeit der von den USA angebotenen Zusicherungen, nachdem ein unterinstanzliches britisches Gericht im Januar 2021 gegen die Auslieferung von Assange entschieden hatte. Amnesty International ist zu dem Schluss gekommen, dass die Zusicherungen unzuverlässig sind. 

Die US-Regierung wirft Julian Assange vor, er habe sich mit einer Whistleblowerin – der Geheimdienstanalystin Chelsea Manning – verschworen, um illegal an geheime Informationen zu gelangen. Es wird gefordert, dass er in den USA wegen Anklagen unter dem Spionagegesetz (Espionage Act) und dem Cybergesetz (Computer Fraud and Abuse Act) vor Gericht gestellt wird. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu 175 Jahren.

Das Bild zeigt Protestierende mit einem Plakat: "USA drop the charges"

"Anklage fallenlassen": Amnesty-Protest für die Freilassung des Wikileaks-Gründers Julian Assange in der australischen Stadt Sydney am 8. September 2020.

Die Anklage der US-Regierung stellt eine ernste Bedrohung für die Pressefreiheit sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in anderen Ländern dar. Das darin beschriebene berufliche Verhalten umfasst die beruflichen Tätigkeiten, die investigative Journalist_innen und Verleger_innen tagtäglich ausüben. Sollte die Auslieferung von Julian Assange genehmigt werden, würde dies gängige journalistische Praktiken kriminalisieren und es den USA und möglicherweise anderen Ländern ermöglichen, Verleger_innen und Journalist_innen außerhalb ihrer Gerichtsbarkeit ins Visier zu nehmen, wenn diese staatliches Fehlverhalten aufdecken. 

"Die unerbittliche Verfolgung von Julian Assange durch die US-Regierung macht deutlich, dass es sich bei dieser Strafverfolgung um eine Strafmaßnahme handelt, doch der Fall geht weit über das Schicksal eines einzelnen Mannes hinaus und gefährdet die Medien- und Meinungsfreiheit", sagte Agnès Callamard.

"Journalist_innen und Verleger_innen sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Regierungen zu hinterfragen, ihre Vergehen aufzudecken und die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Dieses arglistige Rechtsmittel sollte abgelehnt, die Anklagen fallengelassen und Julian Assange freigelassen werden."

Tweet von Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International:

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Hintergrund

Das Auslieferungsersuchen der USA stützt sich auf Vorwürfe, die in direktem Zusammenhang mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente im Rahmen der Arbeit von Julian Assange mit Wikileaks stehen. Die Veröffentlichung von Informationen, die im öffentlichen Interesse liegen, ist ein Eckpfeiler der Medienfreiheit und des Rechts der Öffentlichkeit auf Informationen über staatliches Fehlverhalten. Ihre Veröffentlichung ist durch die internationalen Menschenrechtsnormen geschützt und sollte nicht kriminalisiert werden.

Im Falle einer Auslieferung an die USA könnte Julian Assange wegen Anklagen unter dem Spionagegesetz und dem Cybergesetz vor Gericht gestellt werden. Darüber hinaus könnten ihm schwere Menschenrechtsverletzungen drohen wie zum Beispiel Haftbedingungen, die Folter und anderer Misshandlung gleichkommen. Dies schließt verlängerte Einzelhaft mit ein. Julian Assange ist der erste Publizist, der sich wegen Anklagen unter dem Spionagegesetz verantworten muss.

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