Aktuell Russische Föderation 04. August 2023

Russland: Kreml-Kritiker Alexej Nawalny zu 19 Jahren Haft verurteilt

Das Bild zeigt einen TV-Bildschirm, der in einem Gerichtssaal steht. Darauf zu sehen, ein Mann hinter Gittern.

Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny nimmt per Videoübertragung an einer Anhörung vor einem Moskauer Gericht teil (Archivaufnahme vom 24. Mai 2022).

Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny ist auf der Grundlage konstruierter Anklagen in Verbindung mit "Extremismus" zu 19 Jahren Haft verurteilt worden. Damit wurde seine derzeitige neunjährige Haftstrafe in einer Strafkolonie um mindestens zehn Jahre verlängert. Amnesty International betrachtet Nawalny als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine sofortige Freilassung.

Marie Struthers, Direktorin für die Region Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International, kritisierte das Urteil:

"Diese neue Haftstrafe gegen Alexej Nawalny ist nicht weniger als eine lebenslängliche Gefängnisstrafe durch die Hintertür. Es ist zudem eine bösartige politische Vergeltungsmaßnahme. Sie ist allerdings nicht nur gegen Nawalny persönlich gerichtet, sondern soll auch als Warnschuss für Regierungskritiker*innen im ganzen Land dienen. Der Ausgang des heutigen Scheinprozesses ist nur das jüngste Beispiel für die systematischen Unterdrückung der russischen Zivilgesellschaft, die seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im vergangenen Jahr noch zugenommen hat. Wir fordern die russischen Behörden auf, die ungerechtfertigte Inhaftierung von Alexej Nawalny zu beenden und ihn umgehend und bedingungslos freizulassen. Die Welt sieht zu – und wir werden so lange unsere Stimme erheben, bis der Gerechtigkeit Genüge getan wird und Nawalny sowie alle anderen, die zu Unrecht inhaftiert wurden, ihre Freiheit wiedererlangt haben."

Vier Personen stehen nebeneinander hinter einem Tisch in einem Gerichtssaal. Nawalny hat die Arme verschränkt.

Eine Video-Übertragung aus dem Gericht in der Stafkolonie bei der russischen Stadt Pokrow zeigt Kreml-Kritiker Alexej Nawalny (2.v.l.) und seine Rechtsbeistände kurz vor der Verkündung des Urteils am 4. August 2023.

Hintergrund

Am 4. August 2023 verurteilte das Stadtgericht von Moskau Alexej Nawalny zu 19 Jahren Strafkolonie. Ihm werden unter anderem die Finanzierung von und die Anstiftung zu "Extremismus" sowie "Wiederbelebung der Nazi-Ideologie" vorgeworfen. Dieser neue Urteilsspruch bedeutet, dass seine derzeitige Gefängnisstrafe um weitere zehn Jahre verlängert wird.

Das Verfahren fand in der Strafkolonie IK-6 in Melekhovo in der Oblast Wladimir statt, wo Alexej Nawalny derzeit eine neunjährige Haftstrafe verbüßt. Auch zu dieser Strafe ist er aufgrund politisch motivierter Anklagen verurteilt worden. Reporter*innen durften im "Gerichtssaal" nicht anwesend sein. Stattdessen mussten sie dem Prozess in einem anderen Gebäude per Video folgen. Einige Anhörungen wurden hinter verschlossenen Türen abgehalten. Als Rechtfertigung wurden haltlose "Sicherheitsgründe" angeführt.

Posting von Amnesty-Referentin Janine Uhlmannsiek auf "X" (ehemals Twitter):

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Die neuen Anklagen beziehen sich auf die Aktivitäten von Nawalnys Antikorruptionsstiftung sowie auf die Äußerungen einiger Führungsmitglieder der Stiftung. Diese wurde von den Behörden im Jahr 2021 verboten. Der Stiftungsmitarbeiter Daniel Kholodny wurde aus einem anderen Gefängnis in die Strafkolonie verlegt, um ihm gemeinsam mit Alexej Nawalny den Prozess zu machen. Daniel Kholodny wurde wegen "Mitgliedschaft in einer extremistischen Gruppe" und "Finanzierung extremistischer Aktivitäten" schuldig gesprochen. Das Strafmaß ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt, weil die Qualität der Übertragung aus dem Gerichtssaal sehr schlecht war und dieser Teil des Urteils für die Zuhörenden nicht verständlich war.

Bevor Alexej Nawalny inhaftiert wurde, war die Antikorruptionsstiftung in Russland rechtmäßig registriert. Sie wurde von den Behörden willkürlich als "extremistisch" eingestuft. Dadurch konnten dann Nawalny und seine Kolleg*innen wegen extremismusbezogener Anklagen strafrechtlich verfolgt werden.

Amnesty International hat in den vergangenen Jahren mit Sorge darauf aufmerksam gemacht, dass die russischen Behörden Alexej Nawalny vorgeblich wegen Disziplinarverstößen in einer "Bestrafungszelle" festgehalten haben. Außerdem wurde er trotz der Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht angemessen medizinisch versorgt. Amnesty kam zu dem Schluss, dass seine Behandlung in der Strafkolonie Folter darstellt.

Das Bild zeigt mehrere Personen mit Amnesty-Bannern und Plakaten, im Hintergrund ein großes Gebäude

Amnesty-Mahnwache vor der russischen Botschaft in Berlin für die Freilassung des in Russland inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny (24. April 2021)

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