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Deutschland: Überprüfung vor UN-Ausschuss muss systemischen Rassismus adressieren
#unteilbar-Demonstration in Berlin am 4. September 2021
© Amnesty International, Foto: Jarek Godlewski
Der Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen diskutiert zwei Tage darüber, inwieweit Deutschland seine Verpflichtungen einhält, Menschen vor rassistischer Diskriminierung und Gewalt zu schützen. Amnesty International hat einen Bericht eingereicht, in dem die Menschenrechtsorganisation auf die direkten Auswirkungen von Rassismus hinweist und Nachholbedarf aufzeigt.
Deutschland tut nicht genug gegen systemischen Rassismus und erkennt Ursachen nicht ausreichend an, so Amnesty International vor der Überprüfung Deutschlands im Antirassismus-Ausschuss der UN am 23. und 24. November. Der Bericht von Amnesty International benennt strukturelle Probleme unter anderem bei der Polizei, im Umgang mit Hassverbrechen und der Wiedergutmachung für Kolonialverbrechen.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Der Staat hat eine doppelte Pflicht: Er darf selbst nicht rassistisch handeln und muss alle Menschen vor rassistischer Diskriminierung und Gewalt schützen. Dazu hat sich Deutschland schon in den 1960er Jahren vertraglich verpflichtet. Die Behörden scheitern aber immer wieder daran. Das haben wir bei der jahrelangen Mordserie des NSU gesehen, bei den rassistischen Anschlägen in München, Halle und Hanau, bei brennenden Unterkünften für Geflüchtete und nicht zuletzt durch institutionellen Rassismus bei der Polizei. Anstatt zu handeln, wird Rassismus geleugnet und betroffene Menschen werden im Stich gelassen. Staatliche Diskriminierungen, wie das Kopftuchverbot für muslimische Frauen im öffentlichen Dienst oder pauschale Verbote von Demonstrationen in Solidarität mit Palästinenser*innen, müssen genauso angegangen werden wie Diskriminierung und Gewalt durch nichtstaatliche Akteure."
Der Bericht von Amnesty International zeigt auf, welche Maßnahmen Deutschland dringend ergreifen sollte, um wirksam gegen Rassismus vorzugehen.
Institutioneller Rassismus in der Strafverfolgung
Neben Racial Profiling werden rassistische Annahmen durch die Polizei in Kategorisierungen wie "Clankriminalität" reproduziert. Amnesty International fordert, Rassismus in der Strafverfolgung zu untersuchen und wirksame rechtliche, politische und institutionelle Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Deutschland muss garantieren, dass alle Vorwürfe von rassistischem Handeln durch die Polizei unabhängig untersucht und konsequent geahndet werden. Dafür bedarf es effektiver, unabhängiger Beschwerdestellen auf Bundes- und Landesebene.
Rassistische Kategorisierungen in der Strafverfolgung beeinflussen auch öffentliche, politische und rechtliche Diskurse. Rassifizierte Gruppen werden etwa als nicht zugehörig bezeichnet, unabhängig von ihrer tatsächlichen Herkunft oder Nationalität, ihnen wird eine hohe Gewaltbereitschaft zugeschrieben und für nichtdeutsche Staatsangehörige werden Abschiebungen gefordert.
Mangelnder Schutz vor Hassverbrechen
Die Morde des NSU, die Anschläge in München, Halle und Hanau, die Serie rassistischer Straftaten des sogenannten NSU 2.0 sowie die Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten zeigen: Deutschland braucht dringend wirksame Strategien gegen Hasskriminalität. Behörden müssen Mängel bei der Prävention, Untersuchung und Verurteilung rassistischer Straftaten beheben und eine Täter-Opfer-Umkehr vermeiden. Deutschland muss die Auswirkungen von Hassverbrechen auf Betroffene anerkennen und umfassende Unterstützung anbieten, insbesondere für Personen, die von mehrfacher Diskriminierung betroffen sind, wie etwa Asylsuchenden.
Wiedergutmachung für Kolonialverbrechen
Deutschland erkennt seine Rolle bei der Kolonialisierung, Versklavung, Ausbeutung und dem Völkermord an Menschen in Afrika sowie die Auswirkungen auf Diskriminierung in der Gegenwart nicht angemessen an. Die Bundesregierung sollte gegenüber den Menschen in den ehemaligen deutschen Kolonien Wiedergutmachung leisten und dabei sowohl historisches Unrecht berücksichtigen als auch fortbestehende rassistische Strukturen. Dafür braucht es echte Beteiligung auf Augenhöhe für betroffene Personen, Nachfahren und Gemeinschaften an jedem Wiedergutmachungsprozess.
Hintergrund
Die Konvention gegen Rassismus der Vereinten Nationen von 1966 verpflichtet Staaten, Menschen vor rassistischer Diskriminierung schützen – sowohl rechtlich als auch tatsächlich. Der Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung kontrolliert die Umsetzung der Konvention, zum Beispiel indem Staaten regelmäßig über ihre Fortschritte berichten müssen. Deutschland muss den 18 Expert*innen des Ausschusses am 23. und 24. November Rede und Antwort stehen. Anschließend verabschiedet der Ausschuss ein Dokument, in dem er seine wichtigsten Kritikpunkte zusammenfasst und Empfehlungen zur besseren Umsetzung der Antirassismus-Konvention formuliert.