Amnesty Report 20. Mai 2017

Nigeria 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Der anhaltende Konflikt zwischen dem nigerianischen Militär und der bewaffneten Gruppe Boko Haram führte zu einer humanitären Krise, die mehr als 14 Mio. Menschen betraf. Die Sicherheitskräfte waren für außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Folter und andere Misshandlungen durch Polizei und Militär waren weiterhin an der Tagesordnung. In den Militärgefängnissen herrschten katastrophale Bedingungen. In vielen Landesteilen kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen. Tausende Menschen wurden Opfer rechtswidriger Zwangsräumungen.

BEWAFFNETER KONFLIKT

Boko Haram

Nach wie vor beging die bewaffnete Gruppe Boko Haram im Nordosten Nigerias Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die sich auf 14,8 Mio. Menschen auswirkten. Die Gruppe verübte das gesamte Jahr 2016 über Angriffe und kleinere Überfälle. Der Armee und regionalen bewaffneten Kräften gelang es, größere Städte aus der Kontrolle von Boko Haram zu befreien.

Als Reaktion auf die Angriffe von Boko Haram ging das Militär mit willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen, Misshandlungen und außergerichtlichen Hinrichtungen gegen mutmaßliche Boko-Haram-Kämpfer vor, was Kriegsverbrechen und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkam.

Im Mai 2016 wurden 737 Männer, die von der Armee als mutmaßliche Boko-Haram-Kämpfer festgehalten wurden, in das Gefängnis von Maiduguri verlegt, der Hauptstadt des Bundesstaates Borno. Man warf ihnen vor, "unverbesserliche Vagabunden" zu sein, was mit bis zu zwei Jahren Haft und/oder einer Geldstrafe geahndet werden kann.

Im April 2016 kündigte das Verteidigungsministerium das Programm Operation Safe Corridor an. Es sah Lager vor, um "Boko-Haram-Kämpfer, die Reue zeigen und sich ergeben haben, zu resozialisieren".

Am 13. Oktober 2016 ließen Boko-Haram-Kämpfer 21 Schülerinnen, die 2014 in Chibok entführt worden waren, nach Verhandlungen frei. Im November 2016 konnte ein weiteres Mädchen ausfindig gemacht werden, 195 wurden weiterhin vermisst.

BINNENVERTRIEBENE

Im Norden Nigerias waren 2016 immer noch mindestens 2 Mio. Menschen Binnenvertriebene. 80 % von ihnen waren in anderen Orten aufgenommen worden, die übrigen lebten in Lagern. Die Lager in Maiduguri blieben überfüllt, und es mangelte dort an Nahrungsmitteln, sauberem Wasser und sanitären Anlagen.

In den sogenannten unzugänglichen Gebieten im Bundesstaat Borno wurden Zehntausende Binnenvertriebene in Lagern festgehalten, unter dem bewaffneten Schutz des nigerianischen Militärs und der staatlich finanzierten zivilen Miliz Civilian Joint Task Force (CJTF), die zur Bekämpfung von Boko Haram gebildet worden war. Die meisten Binnenvertriebenen durften die Lager nicht verlassen und hatten keinen ausreichenden Zugang zu Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Tausende Menschen starben an schwerer Mangelernährung. Im Juni 2016 teilte die NGO Ärzte ohne Grenzen mit, dass 2015 mehr als 1200 Menschen nahe dem bewachten Lager in Bama im Bundesstaat Borno beerdigt worden seien.

Sowohl gegen Angehörige der CJTF als auch gegen Armeeangehörige wurde der Vorwurf erhoben, sie hätten Lagerbewohnerinnen sexuell ausgebeutet – im Tausch gegen Geld, Lebensmittel oder die Erlaubnis, das Lager zu verlassen.

WILLKÜRLICHE FESTNAHMEN UND INHAFTIERUNGEN

Das Militär nahm 2016 Tausende junge Männer, aber auch Frauen und Minderjährige, willkürlich fest, die in zurückeroberten Städten wie Banki und Bama im Bundesstaat Borno Schutz gesucht hatten. Die Festnahmen erfolgten zumeist nicht, weil ein begründeter Verdacht bestand, dass die Person eine Straftat begangen haben könnte, sondern willkürlich und betraf vor allem junge Männer. In den meisten Fällen wurden keine angemessenen Ermittlungen eingeleitet. Auch Personen, die aus Gebieten zu fliehen versuchten, die unter der Kontrolle von Boko Haram standen, wurden willkürlich festgenommen. Die in Militärgewahrsam Inhaftierten hatten weder Kontakt zu ihren Angehörigen oder Rechtsbeiständen, noch erhielten sie ein Gerichtsverfahren. Mehr als 1500 Häftlinge wurden 2016 freigelassen.

Die massenhaften Festnahmen von Menschen, die vor Boko Haram flohen, führten dazu, dass die Hafteinrichtungen des Militärs stark überbelegt waren. Im Militärgefängnis der Giwa-Kaserne in Maiduguri drängten sich die Inhaftierten in den Zellen. Krankheiten, Flüssigkeitsmangel und Hunger waren an der Tagesordnung. Im Laufe des Jahres 2016 starben mindestens 240 Häftlinge. Sie wurden von Mitarbeitern der Umweltschutzbehörde des Bundesstaates Borno heimlich auf dem Friedhof von Maiduguri beerdigt. Unter den Toten befanden sich mindestens 29 Minderjährige, darunter auch Neugeborene und Kleinkinder.

In der Giwa-Kaserne wurden Kinder unter fünf Jahren in drei überbelegten und unhygienischen Zellen untergebracht, gemeinsam mit mindestens 250 Frauen und Mädchen pro Zelle. Einige Kinder kamen im Gefängnis zur Welt.

FEHLENDE RECHENSCHAFTSPFLICHT

Schwere Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte wurden 2016 weiterhin nicht geahndet. Es gab keine unabhängigen und unparteiischen Untersuchungen der vom Militär begangenen Verbrechen, obwohl Präsident Muhammadu Buhari dies im Mai 2016 mehrfach versprochen hatte. Hochrangige Militärangehörige, denen völkerrechtliche Verbrechen vorgeworfen wurden, mussten nicht mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Generalmajor Ahmadu Mohammed kehrte im Januar 2016 wieder in den Dienst der Armee zurück. Er war der zuständige Befehlshaber, als das Militär nach einem Boko-Haram-Angriff auf das Gefängnis der Giwa-Kaserne am 14. März 2014 mehr als 640 Häftlinge außergerichtlich hingerichtet hatte.

Im November 2016 teilte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag in einem Bericht mit, es werde weiterhin geprüft, ob die acht möglichen Fälle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die im Rahmen der Vorermittlungen 2015 festgestellt worden waren, die notwendigen Kriterien erfüllten, um ein offizielles Untersuchungsverfahren einzuleiten. Außerdem gehe man weiteren Vorwürfen über Verbrechen in Nigeria nach.

UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG

Im Juni 2016 startete die Regierung ein Programm, um Erdölverschmutzung und Umweltschäden in der Region Ogoniland im Nigerdelta zu beseitigen, die durch Lecks in Pipelines verursacht worden waren. Im Verlauf des Jahres 2016 traten Hunderte neuer Öllecks auf.

Die Regierung zog die im Nigerdelta tätigen Erdölgesellschaften, wie z. B. Shell, 2016 weiterhin nicht zur Verantwortung und übte nicht die nötige Kontrolle aus, um sicherzustellen, dass die Unternehmen Lecks verhinderten oder bei entsprechenden Vorfällen schnell und angemessen reagierten. Die Aufsichtsbehörde (National Oil Spill Detection and Response Agency – NOSDRA) erfüllte ihre Funktion nicht in der notwendigen Weise und bezeichnete Regionen als sauber, die nach wie vor verseucht waren.

Im März 2016 reichten zwei von Öllecks betroffene Gemeinden aus dem Nigerdelta in Großbritannien eine neue Klage gegen Shell ein.

Die Unternehmen rechtfertigten ihr Versagen, Öllecks zu verhindern und verseuchte Regionen zu säubern, weiterhin mit der Behauptung, die Öllecks seien auf Sabotage und Diebstahl zurückzuführen. Sie stützten sich dabei auf ein äußerst mangelhaftes Untersuchungsverfahren für Öllecks, bei dem die Erdölgesellschaften und nicht die NOSDRA die Federführung innehatten.

NIGERDELTA

Im Januar 2016 begann die bewaffnete Gruppe Niger Delta Avengers, Ölpipelines im Nigerdelta anzugreifen und zu sprengen. Als Reaktion darauf verstärkte die Regierung die militärische Präsenz in der Region erheblich. Die Angriffe der Niger Delta Avengers führten zu einer Drosselung der Ölförderung.

TODESSTRAFE

Am 23. Dezember 2016 wurden im Gefängnis von Benin City im Bundesstaat Edo drei Männer im Geheimen hingerichtet. Einer von ihnen war 1998 von einem Militärgericht zum Tode verurteilt worden und hatte daher keine Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Gerichte verhängten das gesamte Jahr über Todesurteile. Nachdem Entführungen im gesamten Land zunahmen, erließ der Senat am 4. Mai 2016 ein Gesetz, das bei Entführungen die Todesstrafe vorsieht. Mehrere Bundesstaaten verabschiedeten ähnliche Gesetze oder legten entsprechende Gesetzentwürfe vor.

MEINUNGSFREIHEIT – JOURNALISTEN

Die Regierung ließ 2016 mindestens zehn Journalisten und Blogger festnehmen und inhaftieren. Einige von ihnen befanden sich ohne Verfahren in Haft.

Im August 2016 wurde der bekannte Blogger Abubakar Usman in der Hauptstadt Abuja von der Behörde für Wirtschafts- und Finanzkriminalität (Economic and Financial Crimes Commission) festgenommen, die ihm vorwarf, gegen das Gesetz zur Internetkriminalität verstoßen zu haben. Die Behörde machte keine Angaben dazu, um welche Bestimmungen des Gesetzes es sich handelte. Er wurde ohne Anklageerhebung freigelassen. Im September 2016 wurde Jamil Mabai von der Polizei festgenommen und inhaftiert, weil er sich auf Facebook und Twitter kritisch über die Regierung des Bundesstaates Katsina geäußert hatte.

Anfang September 2016 wurde der Verleger Emenike Iroegbu in Uyo im Bundesstaat Akwa Ibom unter dem Vorwurf der Verleumdung festgenommen.

Am 5. September 2016 wurde Ahmed Salkida, ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebender nigerianischer Journalist, der vom Militär zur Fahndung ausgeschrieben war, von Angehörigen des Inlandsgeheimdienstes festgenommen, als er nach Nigeria einreiste. Man beschuldigte ihn und zwei weitere Personen, die ebenfalls festgenommen und kurzzeitig inhaftiert wurden, mit Boko Haram in Verbindung zu stehen und dabei geholfen zu haben, ein Boko-Haram-Video über die in Chibok entführten Mädchen zu veröffentlichen. Ahmed Salkida kam später frei, sein Reisepass wurde jedoch einbehalten.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Die Sicherheitskräfte lösten 2016 friedliche Proteste und Versammlungen gewaltsam auf, in einigen Fällen unter Anwendung exzessiver Gewalt. Am 6. September 2016 stoppte die Polizei Mitglieder der Bewegung Bring Back Our Girls. Sie hatten ihren Protest angekündigt und sich friedlich vor dem Amtssitz des Präsidenten in Abuja versammelt, um die Freilassung der in Chibok entführten Mädchen zu fordern.

Am 22. September 2016 setzte die Polizei Tränengas ein, um eine friedliche Demonstration der Gruppe Islamische Bewegung von Nigeria (Islamic Movement of Nigeria – IMN) in Abuja aufzulösen. Dabei wurden einige Personen leicht verletzt.

Einige Anhänger der Bewegung für ein unabhängiges Biafra befanden sich in Haft, weil sie versucht hatten, friedliche Versammlungen abzuhalten oder daran teilzunehmen. Viele von ihnen waren Ende Januar 2016 inhaftiert worden. Die Sicherheitskräfte gingen im Südosten Nigerias mehrfach mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Aktivisten vor, die ein unabhängiges Biafra forderten.

RECHTSWIDRIGE TÖTUNGEN

In 30 der 36 Bundesstaaten Nigerias sowie im Bundesterritorium Abuja war Militär stationiert, das Polizeifunktionen übernahm, z. B. bei friedlichen Demonstrationen. Der Einsatz des Militärs bei öffentlichen Versammlungen war ein Grund dafür, dass außergerichtliche Hinrichtungen und rechtswidrige Tötungen zunahmen. Die Sicherheitskräfte reagierten auf die fortgesetzten Aktivitäten der Biafra-Unabhängigkeitsbewegung, indem sie von Januar 2016 an mindestens 100 Mitglieder und Anhänger der Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) willkürlich festnahmen und mehrere töteten. Einige der Festgenommenen wurden Opfer des Verschwindenlassens.

Am 9. Februar 2016 schossen Soldaten und Polizisten auf etwa 200 IPOB-Mitglieder, die sich auf dem Schulgelände der National High School in Aba im Bundesstaat Abia zum Gebet versammelt hatten. Videoaufnahmen zeigten Soldaten, die auf friedliche, unbewaffnete IPOB-Mitglieder schossen. Dabei töteten sie mindestens 17 Personen und verletzten zahlreiche weitere.

Am 29. und 30. Mai 2016 töteten Angehörige von Armee, Polizei, Inlandsgeheimdienst und Marine bei einer gemeinsamen Operation mindestens 60 Personen, als sich Aktivisten zum Biafra-Gedenktag in Onitsha versammelten. Ende 2016 war noch keine Untersuchung zu den Tötungen eingeleitet worden.

VERSCHWINDENLASSEN

Am 3. April 2016 nahm eine Spezialeinheit der Polizei zur Bekämpfung von Entführungen Chijioke Mba in Enugu wegen Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation fest und inhaftierte ihn. Seine Familie und sein Rechtsbeistand sahen ihn zuletzt im Mai 2016.

Am 16. August 2016 wurde Sunday Chucks Obasi aus seinem Haus in Amuko Nnewi im Bundesstaat Anambra von fünf bewaffneten Männern entführt, bei denen es sich vermutlich um Geheimdienstmitarbeiter handelte, da sie ein Fahrzeug mit Regierungskennzeichen nutzten. Nach Angaben von Zeugen wurde Sunday Chucks Obasi bei dem Überfall verletzt. Über seinen Aufenthaltsort lagen bis Ende 2016 keine Angaben vor.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Polizei und Militär setzten bei Verhören von Verdächtigen oder Inhaftierten nach wie vor Folter und andere Formen der Misshandlung ein, um Informationen oder "Geständnisse" zu erpressen. Besonders häufig geschah dies in polizeilichen Verhören der Spezialeinheit für Raub (Special Anti-Robbery Squad – SARS).

Im September 2016 warnte der Generalinspekteur der Polizei die SARS vor der Anwendung von Folter und forderte sie auf, sich an die rechtlichen Vorschriften zu halten.

Am 18. Mai 2016 starb Chibuike Edu in Polizeigewahrsam, nachdem er wegen Einbruchdiebstahls festgenommen und von der SARS in Enugu zwei Wochen lang festgehalten worden war. Die Polizeibehörden untersuchten den Vorfall. Ende 2016 war noch niemand zur Verantwortung gezogen worden.

Das Antifoltergesetz, das den Einsatz von Folter verbietet und unter Strafe stellt, war 2016 noch immer nicht in Kraft getreten. Im Juni 2016 hatte es die erste Lesung im Senat passiert. Zuvor war es vom Repräsentantenhaus verabschiedet und von der Nigerianischen Kommission für Gesetzesreformen überarbeitet worden. Die überarbeitete Version musste dem Senat zur Diskussion vorgelegt werden.

GEWALT ZWISCHEN ETHNISCHEN UND RELIGIÖSEN GRUPPEN

In zahlreichen Landesteilen kam es 2016 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen. In vielen Fällen spielten Konflikte um Land- und Weiderechte zwischen nomadischen Viehhirten und sesshaften Bauern eine Rolle.

Im Februar 2016 wurden in Agatu im Bundesstaat Benue bei Überfällen, die von Viehhirten verübt worden sein sollen, mindestens 45 Personen getötet. Im April wurden mindestens neun Personen in Nimbo/Ukpabi im Bundesstaat Enugu mutmaßlich von Viehhirten getötet. Die Gemeinde gab an, sie habe die Behörden im Vorfeld auf drohende Überfälle hingewiesen, die Sicherheitskräfte hätten jedoch nichts unternommen. Die Gerichtsverfahren gegen fünf Personen, die im Zusammenhang mit den Tötungen von der Polizei inhaftiert worden waren, standen noch aus.

Im Mai 2016 wurden mindestens zwei Personen in Oke-Ako im Bundesstaat Ekiti durch mutmaßliche Hirten getötet. Die Regierung des Bundesstaates setzte daraufhin ein Gesetz in Kraft, wonach Hirten ihr Vieh nur noch in Gebieten weiden lassen können, die dafür offiziell zugelassen sind.

RECHT AUF VEREINIGUNGSFREIHEIT

Der Anführer der IMN, Ibrahim El-Zakzaky, befand sich seit seiner Festnahme im Dezember 2015 ohne Gerichtsverfahren und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Zwischen dem 12. und dem 14. Dezember 2015 hatten Soldaten an zwei Orten in Zaria im Bundesstaat Kaduna mehr als 350 Protestierende und Anhänger der IMN getötet.

Hunderte IMN-Mitglieder wurden festgenommen und blieben in Gefängnissen der Bundesstaaten Kaduna, Bauchi, Plateau und Kano inhaftiert.

Am 11. April 2016 räumten die Behörden des Bundesstaates Kaduna vor einer juristischen Untersuchungskommission ein, zwei Tage nach dem Massaker im Dezember 2015 seien 347 Tote heimlich in einem Massengrab beerdigt worden.

In dem Bericht, den die Kommission am 15. Juli 2016 der Regierung des Bundesstaates Kaduna vorlegte, wurden der nigerianischen Armee rechtswidrige Tötungen vorgeworfen. In ihrer im Dezember 2016 veröffentlichten Stellungnahme zu dem Bericht verwarf die Regierung des Bundestaates größtenteils die Empfehlungen der Kommission.

Am 22. September 2016 legte die Nationale Menschenrechtskommission einen Bericht vor, in dem sie der IMN vorwarf, die Zusammenstöße, bei denen IMN-Mitglieder getötet wurden, provoziert zu haben. Dem Militär warf die Kommission vor, für die Tötung von IMN-Mitgliedern verantwortlich zu sein. Am selben Tag unterband die Polizei Proteste von IMN-Mitgliedern und ging mit Tränengas gegen Demonstrierende vor, die die Freilassung des IMN-Anführers forderten. Am 6. Oktober erklärte der Gouverneur des Bundesstaates Kaduna die IMN zu einer verbotenen Organisation. Daraufhin kam es in mehreren Bundesstaaten, darunter Kaduna, Kano, Katsina und Plateau, zu gewaltsamen Angriffen auf IMN-Mitglieder. Außerdem nahm die Armee mehrere Mitglieder der Gruppe fest und inhaftierte sie.

RECHT AUF WOHNEN

In mindestens zwei Bundesstaaten und im Bundesterritorium Abuja kam es 2016 zu rechtswidrigen Zwangsräumungen. Tausende Menschen wurden dadurch in einer Reihe von Rechten eingeschränkt.

Ein vom Bundesstaat Lagos eingesetztes Untersuchungsgremium stellte im Februar 2016 fest, dass die Regierung bäuerliche Gemeinden, die zwischen 2006 und Januar 2016 aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben worden waren, nicht angemessen und wirksam konsultiert habe. Außerdem seien sie weder entschädigt noch, wie zugesichert, neu angesiedelt worden.

Zwischen dem 2. und dem 5. Juli 2016 vertrieb die Regierung des Bundesstaates Rivers unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung mehr als 1600 Bewohner von Eagle Island.

Nachdem im Bundesstaat Lagos bereits im März und September 2016 rechtswidrige Zwangsräumungen stattgefunden hatten, kündigte der Gouverneur am 9. Oktober an, alle informellen Siedlungen entlang der Küste des Bundesstaates abreißen zu lassen. Zur Begründung verwies er auf den Kampf gegen Entführungen. Es war nicht vorgesehen, die Gemeinden, die von den Zwangsräumungen betroffen waren, zu konsultieren. Am 15. Oktober wurden Hunderte Einwohner des Küstenortes Ilubirin aus ihren Häusern vertrieben. Am 9. und 10. November wurden mehr als 30000 Bewohner der Küstensiedlung Otodo Gbame Opfer einer rechtswidrigen Zwangsräumung, als Staatsbedienstete Häuser in Brand setzten und mit einem Bulldozer niederwalzten. Am 11. November wurden Hunderte Einwohner von Ebute Ikate, einer weiteren Küstengemeinde im Bundesstaat Lagos, vertrieben.

FRAUENRECHTE

Im September 2016 billigte der Senat in zweiter Lesung das Gleichstellungsgesetz zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Obwohl Nigeria das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau 1985 ratifiziert hatte, war es bislang nicht in nationales Recht umgesetzt worden.

RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN

Das Gesetz zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen war 2016 weiterhin in Kraft. Die Polizei nahm nach wie vor Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle fest. Männer, die für homosexuell gehalten wurden, wurden Opfer von Angriffen aufgebrachter Menschenmengen und von Erpressungen.

KINDERRECHTE

Im Mai 2016 billigte der Bundesstaat Bayelsa das Kinderrechtsgesetz. Er war damit der 23. Bundesstaat Nigerias, in dem das Gesetz in Kraft trat. Außerdem wurde das Gesetz im August vom Parlament des Bundesstaates Enugu gebilligt. Die Zustimmung des Gouverneurs stand noch aus.

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