Amnesty Report Korea (Nord) 07. Juni 2016

Korea (Nord) 2016

 

Nordkoreaner litten 2015 weiterhin unter der Verweigerung und Verletzung fast aller Aspekte ihrer Menschenrechte. Die Behörden nahmen nach wie vor willkürlich Personen fest und inhaftierten sie, wobei sie deren Rechte auf ein faires Gerichtsverfahren, Zugang zu Rechtsanwälten und Familienbesuch missachteten. Dies galt auch für Staatsangehörige der Republik Korea (Südkorea), die sich in Nordkorea aufhielten. Alle Haushalte wurden systematisch überwacht, insbesondere dann, wenn Bewohner geflohen waren oder der Verdacht bestand, dass sie fliehen könnten, oder wenn sie versuchten, Zugang zu Informationen aus dem Ausland zu bekommen. Die Regierung vermittelte mehr als 50 000 Menschen einen Arbeitsplatz im Ausland. Die Arbeitgeber führten die Löhne direkt an die Regierung ab, die einen beträchtlichen Anteil davon einbehielt. Bei der Aufklärung von Fällen der Entführung und des Verschwindenlassens auslän-discher Staatsbürger waren so gut wie keine Fortschritte zu verzeichnen.

Hintergrund

Im vierten Jahr der Herrschaft von Kim Jong-un berichteten internationale Medien weiterhin über die Hinrichtung hochrangiger Regierungsfunktionäre. Der Staatschef nahm nicht an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs in China und Russland teil. Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea blieben weiterhin angespannt. Bei Explosionen nordkoreanischer Landminen in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea Anfang August 2015 wurden zwei südkoreanische Soldaten schwer verletzt. Die von Südkorea per Lautsprecher über die Grenze hinweg übermittelte Forderung nach einer Entschuldigung hatte im Verlauf des Monats August gegenseitigen Artilleriebeschuss des Militärs auf beiden Seiten zur Folge. Nach einem 43-stündigen Dialog hochrangiger Vertreter entspannte sich die Situation. Nordkorea äußerte Bedauern über die Explosionen, und es konnte eine gemeinsame Vereinbarung über die Fortsetzung der Zusammenführung getrennter Familien erzielt werden. Staatlichen Medien zufolge kamen durch eine große Dürre im Sommer, durch Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen mindestens 40 Personen ums Leben, mehr als 10 000 weitere Personen waren davon betroffen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung drastisch ein, dazu zählte auch das Recht, ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Obwohl es unter den 25 Mio. Einwohnern des Landes 3 Mio. Mobilfunkteilnehmende gab, waren faktisch alle Nordkoreaner von internationalen Mobilfunkdiensten und dem Zugang zum Internet ausgeschlossen. Lediglich Touristen und in Nordkorea lebende Ausländer hatten die Möglichkeit, spezielle SIM-Karten zu kaufen, um ins Ausland zu telefonieren oder über Smartphones Zugang zum Internet zu erhalten. Ein Computernetzwerk, das nur Zugang zu einheimischen Internetseiten und E-Mail-Diensten innerhalb des Landes bot, war zwar weiterhin verfügbar, doch hatte ein großer Teil der Bevölkerung keinen Zugang dazu.

Nordkoreaner, die nahe der chinesischen Grenze lebten, gingen ein hohes Risiko ein, wenn sie geschmuggelte Mobiltelefone benutzten, die auf chinesische Netze zugriffen, um Kontakt mit Menschen im Ausland aufzunehmen. Personen, die kein derartiges Mobiltelefon besaßen, mussten für Verbindungen ins Ausland maßlos überteuerte Gebühren bezahlen und die Gespräche vermitteln lassen. Obwohl Auslandsgespräche an sich keine Straftat darstellten, setzte der Gebrauch geschmuggelter Geräte mit Verbindung in chinesische Mobilfunknetze alle Beteiligten dem Risiko aus, überwacht, festgenommen und wegen Spionage oder anderer Vorwürfe inhaftiert zu werden.

Die Regierung schränkte auch weiterhin den Zugang zu externen Informationsquellen ein, obwohl es im Inland keinerlei unabhängige Zeitungen, Medien oder zivilgesellschaftliche Organisationen gab. Die Behörden nutzten Radiowellen, um den Empfang ausländischer Fernseh- oder Radioprogramme zu stören. Legal erhältliche Geräte wurden für den Empfang ausländischer Sender unbrauchbar gemacht. Personen, die audiovisuelle Medienerzeugnisse aus dem Ausland besaßen, ansahen oder kopierten und weitergaben, riskierten, inhaftiert zu werden, wenn diese als "feindselige Sendungen oder feindliche Propaganda" gemäß Strafrecht betrachtet wurden.

Recht auf Privatsphäre

Nordkoreaner, die über geschmuggelte Mobiltelefone Gespräche führten, berichteten, dass ihr Recht auf Privatsphäre durch vielerlei Eingriffe verletzt werde, so seien u. a. Verbindungen häufig gestört und Gespräche würden abgehört. Eine auf verdeckte Spionage und digitale Technik spezialisierte Sondereinheit des Ministeriums für Staatssicherheit benutzte importierte hochentwickelte Geräte, um Nutzer von Mobiltelefonen aufzuspüren, die versuchten, ins Ausland zu telefonieren. Personen, deren Telefonate abgehört wurden, konnten festgenommen werden, wenn herauskam, dass sie mit einer Person in Südkorea telefoniert oder um die Zusendung von Geld gebeten hatten.

Das Recht auf Privatsphäre wurde jedoch weiterhin auch durch persönliche Überwachungsmaßnahmen eingeschränkt. Nachbarschaftsgruppen, die von der Regierung zur ideologischen Erziehung und für andere Zwecke gebildet worden waren, besaßen das Recht, jederzeit Hausbesuche vorzunehmen und über die Aktivitäten der besuchten Personen Bericht zu erstatten. Gemeinsam mit einer weiteren Sondereinheit des Ministeriums für Staatssicherheit überwachten die Gruppenleiter die Radio- und Fernsehgewohnheiten der Menschen. Haushalte, in denen Menschen lebten, die im Verdacht standen, ausländische Radio- und Fernsehsendungen zu empfangen oder Geld von einem aus dem Land geflüchteten Familienmitglied zu erhalten, standen unter besonders scharfer Überwachung.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Geflüchtete Nordkoreaner berichteten, dass die Zahl der Festnahmen anstieg, seit unter der Herrschaft von Kim Jong-un die Grenzkontrollen von Menschen und Gütern verschärft worden waren. Die Festnahmen waren willkürlich, da sie häufig nur dazu dienten, die Ausübung von Menschenrechten zu bestrafen, private Marktwirtschaft zu beseitigen oder Geld zu erpressen.

Hunderttausende Menschen wurden weiterhin in politischen Straflagern und anderen Hafteinrichtungen festgehalten. Dort waren sie systematischen, weitverbreiteten und schweren Menschenrechtsverletzungen wie Folter und anderen Misshandlungen sowie Zwangsarbeit ausgesetzt. Viele der in diesen Lagern gefangen gehaltenen Personen waren nicht wegen einer international als Straftat anerkannten Handlung verurteilt, sondern in Sippenhaft genommen worden, weil sie mit Personen verwandt waren oder in Verbindung standen, die als Bedrohung der Staatssicherheit eingestuft wurden.

Im Mai und Juni 2015 wurden die drei Südkoreaner Kim Jung-wook, Kim Kuk-gi und Choe Chun-gil zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, nachdem sie in einem Prozess, der nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren entsprach, u. a. wegen Spionage schuldig gesprochen worden waren. Der südkoreanische Student Joo Won-moon, der im April 2015 wegen illegaler Einreise festgenommen worden war, kam im Oktober 2015 frei, nachdem er mehr als fünf Monate ohne Zugang zu seinem Rechtsanwalt oder seiner Familie im Gefängnis verbracht hatte.

Rechte von Arbeitsmigranten

Die Regierung schickte mindestens 50 000 Personen nach Libyen, in die Mongolei, nach Nigeria, Katar und Russland, um dort in Bereichen wie Medizin, Bauwesen, Forstwirtschaft oder Gastronomie zu arbeiten. Die Arbeitsmigranten hatten häufig übermäßig lange Arbeitszeiten und Arbeitsplätze, die nicht die notwendigen Sicherheitsstandards erfüllten. Außerdem wurden sie weder über die Arbeitsgesetzgebung im Gastland informiert, noch hatten sie Kontakt zu den für die Einhaltung ar-beitsrechtlicher Bestimmungen zuständigen Behörden. Die Arbeitsmigranten bekamen ihren Lohn nicht direkt vom Arbeitgeber, sondern von der nordkoreanischen Regierung, die einen hohen Anteil einbehielt. In den Gastländern wurden die Arbeiter in derselben Weise überwacht wie in Nordkorea, und der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung war strikt begrenzt.

Recht auf Freizügigkeit

In den ersten zehn Monaten des Jahres 2015 trafen nach Angaben des südkoreanischen Ministeriums für Wiedervereinigung 978 Nordkoreaner in Südkorea ein. Unter ihnen war auch ein minderjähriger Soldat, der am 15. Juni 2015 die innerkoreanische Grenze überquert hatte. Südkoreanischen Medien zufolge verlegte das nordkoreanische Militär im Jahr 2015 weitere Landminen, um Soldaten an der Flucht nach Südkorea zu hindern. Die Zahl der nordkoreanischen Flüchtlinge, die 2015 in Südkorea eintrafen, entsprach in etwa den Zahlen der Vorjahre: 2014 kamen insgesamt 1397 Personen aus Nordkorea an, in den Jahren 2012 und 2013 wurden ähnliche Zahlen verzeichnet. Im Vergleich zu früheren Jahren war jedoch ein deutlicher Rückgang festzustellen, was an der strikten Grenzüberwachung lag.

Nordkoreanern, die aus China oder anderen Ländern in ihr Heimatland abgeschoben wurden, drohten Festnahme, Inhaftierung, Zwangsarbeit, Folter und andere Misshandlungen. China verstieß gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, indem es den internationalen Grundsatz des Non-Refoulement (Nichtzurückweisung) ignorierte und Nordkoreaner zurückschickte. Offensichtlich beruhte diese Abschiebepraxis auf einem Abkommen, das 1986 mit den nordkoreanischen Behörden geschlossen wurde. Berichten zufolge plante Russland, eine ähnliche Abmachung mit Nordkorea zu treffen.

Recht auf Nahrung

Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) teilte im September 2015 mit, dass die Nahrungsmittelproduktion in Nordkorea im Jahr 2014 stagniert habe, nachdem sie in den drei Jahren zuvor angestiegen war. 2015 habe eine Dürre dafür gesorgt, dass die Produktion von Reis und anderem Getreide um mehr als 10% zurückging. Vermutlich reduzierte die Regierung deshalb die täglichen Nahrungsmittelrationen für Haushalte im Juli und August 2015 von 410 auf nur 250 Gramm pro Person. Die Nahrungsmittelversorgung wurde überwiegend durch das öffentliche Verteilungssystem gewährleistet. Mindestens 18 Mio. Menschen, und damit 75% der Gesamtbevölkerung, waren davon abhängig. Durch die Reduzierung der täglichen Nah-rungsmittelrationen war das Recht auf ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln für die Mehrheit der Bevölkerung ernsthaft gefährdet.

Internationale Kontrolle

Am 23. Juni 2015 eröffnete der UN-Hochkommissar für Menschenrechte in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul eine Außenstelle. Vorausgegangen war ein Bericht, den die UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea im Jahr 2014 veröffentlicht hatte. Der Bericht hatte zu einer intensiven internationalen Überprüfung und Beratungen im UN-Sicherheitsrat geführt. Die neue Außenstelle, deren Einrichtung der Bericht empfohlen hatte, soll die Menschenrechtslage in Nordkorea überwachen und dokumentieren, um auf dieser Grundlage Schritte einleiten zu können mit dem Ziel, die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea zur Rechenschaft zu ziehen. Die Eröffnung der Außenstelle wurde von der nordkoreanischen Regierung scharf kritisiert. Am 10. Dezember 2015 befasste sich der UN-Sicherheitsrat erneut mit der Menschenrechtssituation in Nordkorea.

Andere UN-Gremien bemühten sich darum, Fälle aufzuklären, in denen ausländische Staatsbürger Entführungen und dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen waren, konnten jedoch keine Fortschritte erzielen. Die nordkoreanische Regierung beantwortete im August 2015 die Anfrage der UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen zu 27 noch nicht aufgeklärten Fällen. Die Arbeitsgruppe merkte in ihrem Bericht an, dass die von den nordkoreanischen Behörden zur Verfügung gestellten Informationen nicht ausreichten, um die Fälle aufzuklären.

Weitere Artikel