Amnesty Report Usbekistan 29. März 2022

Usbekistan 2021

Blick auf eine Moschee, davor sieht man die Überreste eines Gebäudes. Ein grüner Sichtschutz grenzt die Baustelle ab

"Stadterneuerungsprojekt": Die weiträumige Zerstörung hunderter Wohnhäuser in der usbekischen Hauptstadt Taschkent und in anderen Städten führte zur Protesten innerhalb der Bevölkerung (Archivbild 2020).

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung blieben auch 2021 stark eingeschränkt. Beträchtliche Fortschritte waren bei der Abschaffung der Zwangsarbeit im Baumwollsektor zu verzeichnen. Es wurden einige Schutzgarantien gegen Folter und andere Misshandlungen eingeführt, obwohl die Berichte über solche Menschenrechtsverstöße nicht abrissen. Über 2.000 Personen blieben wegen ihrer friedlich praktizierten religiösen Überzeugungen weiter in Haft. Gewalt gegen Frauen war noch immer weitverbreitet. Einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern blieben weiter strafbar.

Hintergrund

Laufende Reformen stockten oder wurden zurückgenommen. Politisch und gesellschaftlich engagierte Personen berichteten über Drangsalierung, Überwachung und Bedrohung im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, von denen unabhängige Kandidaten praktisch ausgeschlossen waren. Ein Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch wurde im Februar 2021 veröffentlicht, war aber bis Jahresende noch nicht verabschiedet worden.

Die fehlende Transparenz bei der Verwendung eines für die Bekämpfung der Coronapandemie eingerichteten Regierungsfonds in Höhe von einer Milliarde US-Dollar ließ Korruptionsbedenken aufkommen. Nicht zuletzt, da sich der Fondsbetrag binnen weniger Monate vervielfachte. Für verschiedene Kategorien von Arbeiter_innen, Militärangehörigen und Regierungsbediensteten wurde eine Impfpflicht eingeführt, wobei den Beschäftigten mit unbezahlter Freistellung gedroht wurde, wenn sie sich weigerten.

Auch andere Entwicklungen wie z. B. eine Trockenzeit belasteten die Wirtschaft.

Die Machtergreifung durch die Taliban im benachbarten Afghanistan ließ die Sorge über den radikalen Islam wieder aufflammen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Recht auf freie Meinungsäußerung blieb weiter eingeschränkt. Im Entwurf für das neue Strafgesetzbuch waren Verleumdung und Beleidigung nach wie vor als Straftaten aufgeführt, genau wie die vage definierten Vergehen der Herstellung oder Verbreitung von "Materialien, die Gedankengut des religiösen Extremismus, Separatismus und Fundamentalismus enthalten". Im März 2021 wurde "Beleidigung des Präsidenten" zu einer Straftat erklärt, die mit fünf Jahren Haft bestraft werden kann.

Medienunternehmen übten Selbstzensur und waren mit neuen gesetzlichen Einschränkungen sowie anderen Auflagen konfrontiert. Berichten zufolge mussten heikle Inhalte vor der Veröffentlichung eine offizielle Vorabgenehmigung erhalten. Strafverfolgung, Geldstrafen und die Inhaftierung von regierungskritischen Personen, vor allem Blogger_innen, dienten dazu, andere einzuschüchtern.

Im Mai 2021 wurde der Antikorruptionsblogger Otabek Sattoriy aufgrund der fragwürdigen Anklagepunkte Verleumdung und Erpressung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach einer Auseinandersetzung mit der Richterin über die Medienberichterstattung wurden drei Journalisten und eine Geschäftsfrau, die ein Video über die Debatte veröffentlichte, im November 2021 ihrerseits wegen übler Nachrede sowie Beleidigung und Missachtung der Behörden schuldig gesprochen. Ein Journalist wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, die anderen erhielten Strafen ohne Freiheitsentzug.

Der Blogger Valijon Kalonow wurde im August 2021 festgenommen und wegen Beleidigung des Präsidenten angeklagt, nachdem er zu einem Wahlboykott aufgerufen hatte. Er befand sich zum Jahresende noch in Untersuchungshaft.

Zwangsarbeit

Im Januar 2021 meldete die Internationale Arbeitsorganisation ILO "beträchtliche Fortschritte" bei der Abschaffung ausbeuterischer Praktiken bei der Baumwollernte von 2020. Es wurden lediglich Einzelfälle von Kinderarbeit gemeldet, und die Zahl der Arbeiter_innen, die "direkten oder als solchen wahrgenommenen Formen von Zwang unterworfen waren" fiel um 33 Prozent verglichen mit 2019, womit sie 2020 bei vier Prozent lag. Insgesamt gab es zwei Millionen Baumwollpflücker_innen, von denen zwei Drittel weiblich waren.

Folter und andere Misshandlungen

Der Entwurf für das neue Strafgesetzbuch passte die Definition von Folter an die Empfehlungen von UN-Organen an, ließ jedoch umstrittene Klauseln stehen, die eine Verjährungsfrist, Begnadigungen sowie eine "Versöhnung" zwischen Täter_innen und Betroffenen vorsahen. Im Juni 2021 wurden zusätzliche Schutzgarantien gegen Folter eingeführt, darunter die Schaffung "öffentlicher Gremien", die der parlamentarischen Ombudsperson für Menschenrechte unterstellt waren und eine unabhängige Kontrolle von Strafanstalten und anderen geschlossenen Einrichtungen gewährleisten sollten.

Unabhängige Menschenrechtsexpert_innen zeigten sich jedoch weiter besorgt darüber, dass institutionelle Probleme nicht angegangen wurden und Folter in Gewahrsam an der Tagesordnung blieb, selbst wenn seltener öffentlich darüber berichtet wurde. Von den gemeldeten Todesfällen in Haft wurden die Foltervorwürfe in zwei Fällen – einer davon im Bezirk Nishan im Mai, der andere im Bezirk Takhiatash im Juli – intern vom Innenministerium "überprüft" und als unbegründet abgewiesen. Ein ähnlicher Bericht über Folter im Bezirk Denau im Juli 2021 führte zur Festnahme von zwei Polizisten, die später jedoch entlastet wurden. Im Dezember wurden zwei Verkehrspolizisten aus der Provinz Samarqand wegen des Todes eines Mannes in ihrem Gewahrsam zu je zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, da ihnen fahrlässige Tötung und Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde.

Eine Menschenrechtsorganisation berichtete im April 2021, dass sich im berüchtigten Jaslyk-Gefängnis, das offiziell 2019 geschlossen wurde, möglicherweise noch immer bis zu 100 Gefangene befanden.

Im Mai 2021 kam die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen zu dem Schluss, dass der inhaftierte ehemalige Diplomat Kadyr Yusupov willkürlich seiner Freiheit beraubt worden war und man seinen "glaubhaften Vorwürfen über Folter und Misshandlungen" nicht angemessen nachgegangen war. Die Regierung ignorierte jedoch die Forderung nach seiner unverzüglichen Freilassung und einer Entschädigung. Auch auf die Beschwerden von Kadyr Yusupov, wonach er im September und Oktober 2021 von anderen Gefangenen verprügelt worden sei, reagierten die Behörden nicht zeitnah.

Internationale NGOs berichteten, dass Männer, die wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen festgenommen worden waren, nach wie vor zu Analuntersuchungen gezwungen wurden.

Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit

Ein neues Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Organisationen wurde ohne vorherige Rücksprache mit der Öffentlichkeit im Juli 2021 erlassen. Es brachte einige Verbesserungen mit sich, wie etwa eine vereinfachte Registrierung religiöser Organisationen und die Streichung der Verwaltungsstrafe für das Tragen religiöser Kleidung in der Öffentlichkeit. Im selben Monat äußerten sich jedoch fünf UN-Sonderberichterstatter_innen besorgt über das anhaltende Verbot missionarischer Aktivitäten und nicht staatlich genehmigter religiöser Erziehung sowie eine faktische Zensur von religiöser Literatur.

Die Herstellung und Verteilung religiöser Materialien war in dem Entwurf für das neue Strafgesetzbuch nicht als Straftat aufgeführt, blieb jedoch weiter eine Ordnungswidrigkeit.

Die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (US Commission on International Religious Freedom) berichtete im Oktober 2021, dass "mehr als 2.000 Personen weiter durch die usbekische Regierung in Haft gehalten werden, weil sie friedlich ihre religiösen Überzeugungen praktiziert haben".

Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

In dem Entwurf für das neue Strafgesetzbuch blieben Verletzungen der übermäßig strengen Regeln für öffentliche Versammlungen sowie die "gesetzwidrige Formierung einer öffentlichen Vereinigung oder religiösen Organisation" Straftaten, die mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden konnten.

Im März 2021 wurden zwei Grundsatzpapiere verabschiedet, die die Regierung verpflichteten, zivilgesellschaftlichen Organisationen administrative und finanzielle Unterstützung zu gewähren und den gesetzlichen Rahmen für ihre Arbeit zu verbessern. Hürden für die Registrierung von Organisationen blieben bestehen.

Insbesondere NGOs und politische Parteien mussten unvermindert mit der willkürlichen Ablehnung ihrer Registrierung wegen geringfügiger oder fragwürdiger formaler Verstöße rechnen. Im August 2021 lehnte das Justizministerium willkürlich die Registrierung von Human Rights House ab, die von Agzam Turgunov und seinen Kolleg_innen seit 2019 bereits zum achten Mal beantragt wurde. Im September legte die Gruppierung Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein und reichte den Antrag erneut ein.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Gewalt gegen Frauen, darunter auch häusliche Gewalt, blieb 2021 weitverbreitet, jedoch gab es keine umfassenden Statistiken. Im Januar 2021 veröffentlichte das Innenministerium Angaben über die Ausstellung von Schutzanordnungen im Jahr 2020, dem Jahr, in dem Schutzanordnungen erstmals eingeführt worden waren. Insgesamt 14.774 Frauen hatten solche Anordnungen erwirkt, und 73 Prozent davon ergingen aufgrund von tätlicher oder anderer häuslicher Gewalt. Im Juni 2021 ersuchte die NGO NeMolchi das Innenministerium um genaue Angaben über die strafrechtliche Verfolgung von Gewalt gegen Frauen. Der Antrag wurde vom Ministerium jedoch als "nicht zweckdienlich" zurückgewiesen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Männern blieben weiter strafbar, u. a. in dem Entwurf für das neue Strafgesetzbuch. Als Reaktion auf eine Medienanfrage von Qalampir.uz gab das Innenministerium im April 2021 an, dass 49 Personen wegen dieser "Straftat" inhaftiert seien und regelmäßig "psychologische Dienste" in Anspruch nähmen, um sie davon abzuhalten, dieses "Vergehen" erneut zu verüben. Zwischen 2016 und 2020 waren 44 Personen wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen schuldig gesprochen worden.

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