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Korea (Süd) 2022
© Amnesty International
- Hintergrund
- Klimakrise
- Diskriminierung
- Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
- Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
- Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
- Rechte von Frauen und Mädchen
- Todesstrafe
- Veröffentlichungen von Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022
Südkorea legte keinen plausiblen Plan für einen Kohleausstieg bis 2030 vor und war weiterhin von fossilen Energieträgern abhängig. Die Justiz unternahm kleine positive Schritte zum Schutz der Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+). Obwohl digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor allgegenwärtig war, kürzte die neue Regierung die Mittel zur Bekämpfung dieses Problems. Die Medienfreiheit war bedroht.
Hintergrund
Nach der Wahl von Yoon Suk-yeol zum Präsidenten kam es zu Rückschritten beim Schutz der Frauenrechte. Das Bildungsministerium kündigte an, Inhalte mit Bezug zu Themen wie sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität aus den Lehrplänen streichen zu wollen. Nach dem Tod von mehr als 150 Menschen bei einer Massenpanik während der Feierlichkeiten zu Halloween in Itaewon, einem Stadtteil von Seoul, kam Kritik an der Wirksamkeit der Katastrophenhilfe und der Kontrolle von Menschenmengen auf.
Klimakrise
Der Plan der Regierung zum Kohleausstieg blieb weiter verschwommen. Im August 2022 gab das Ministerium für Handel, Industrie und Energie seinen neuesten Plan zur Stromerzeugung bekannt. Dieser sah noch immer vor, dass im Jahr 2030 mehr als 20 Prozent des Stroms aus Kohle gewonnen werden sollen. Um dem auf der UN-Klimakonferenz (COP27) festgelegten 1,5-Grad-Ziel zu entsprechen, müsste Südkorea bis 2030 einen vollständigen Kohleausstieg umsetzen. Als Reaktion auf die gestiegenen Gaspreise erhöhte das staatliche Energieversorgungsunternehmen KEPCO im Jahr 2022 jedoch die Kohleverstromung. Im Juni 2022 wurde beim Verfassungsgericht eine Petition im Namen von 62 Kindern unter elf Jahren eingereicht, mit der die Verfassungsmäßigkeit des von der Regierung erlassenen Gesetzes zur Kohlenstoffneutralität angefochten wurde. Die im Gesetz festgelegten Klimaschutzmaßnahmen blieben weit hinter den erforderlichen Zielen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zurück.
Diskriminierung
Rechte von Menschen mit Behinderungen
Seit Dezember 2021 führten Gruppen, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzten, eine Reihe von Demonstrationen in der U-Bahn durch. Sie forderten einen staatlichen Haushalt, der die Belange von Menschen mit Behinderungen einschließt, und versuchten, das Recht auf Mobilität von Menschen mit Behinderungen voranzubringen. Der Wirtschafts- und Finanzminister tat die Forderungen der Aktivist*innen jedoch mit der Begründung ab, dass ein Haushalt für Menschen mit Behinderungen nicht mit dem Zweck des Nachtragshaushalts vereinbar sei. Auch 20 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Plans zur Gewährleistung der Mobilitätsrechte von Menschen mit Behinderungen war der öffentliche Verkehrsraum noch immer nicht vollständig rollstuhlgerecht.
Antidiskriminierungsgesetze
Zwei Aktivist*innen der "Südkoreanischen Koalition für ein Gesetz gegen Diskriminierung" traten in einen 46-tägigen Hungerstreik, um die Verabschiedung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes zu fordern. Obwohl bei einer Sitzung des Gesetzgebungs- und Justizausschusses im Mai 2022 vier entsprechende Gesetzentwürfe auf der Tagesordnung standen, erfolgten keinerlei Schritte zur Verabschiedung eines Gesetzes.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)
Am 7. Januar 2022 wies das Verwaltungsgericht von Seoul eine von So Seong-wook und seinem Partner Kim Yong-min gegen den Nationalen Krankenversicherungsdienst (NHIS) eingereichte Klage ab. Kim Yong-min war der Versicherungsschutz verweigert worden, weil der NHIS Partner*innen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht als mitversicherbare Familienangehörige anerkannte. Zwar hatte der NHIS im Jahr 2021 Kim Yong-min zunächst diesen Status zuerkannt, ihn dann aber acht Monate später wieder aufgehoben. Das Paar hat Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt.
Im April 2022 hob der Oberste Gerichtshof Südkoreas zum ersten Mal die durch ein vorinstanzliches Gericht erfolgte Verurteilung von zwei Soldaten unter Paragraf 92-6 des koreanischen Militärstrafgesetzes (Strafbarkeit sexueller Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Militärangehörigen) und damit auch seinen eigenen Präzedenzfall auf. Der Oberste Gerichtshof erklärte, dass das Gesetz nicht anwendbar sei, wenn gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen außerhalb des Stützpunktes in der dienstfreien Zeit und im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden.
Im November 2022 entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Vorhandensein minderjähriger Kinder kein hinreichender Grund für die Verweigerung der rechtlichen Anerkennung des Geschlechts von transgeschlechtlichen Menschen sein sollte. Mit dieser Entscheidung – die eine teilweise Aufhebung seiner früheren Entscheidung aus dem Jahr 2011 bedeutete – bekräftigte der Oberste Gerichtshof die Rechte Transgeschlechtlicher auf Würde, Glück und Familienleben.
Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Am 22. August 2022 begann der Strafprozess gegen einen den Zeugen Jehovas angehörenden Mann, der den Militärdienst verweigert hatte und sich gegen den Strafcharakter des zivilen "Ersatzdienstes" wehrte. Hye-min Kim, dessen Glaubensgemeinschaft den Militärdienst ablehnt, ist die erste bekannte Person, die auch den 2020 eingeführten "Ersatzdienst" verweigerte.
Am 15. September 2022 hielt das Verfassungsgericht eine öffentliche Anhörung zur Verfassungsmäßigkeit der Paragrafen 2 und 7 des Gesetzes über die Nationale Sicherheit ab. Die Anhörung bezog sich auf einen Fall, in dem elf Anträge von Einzelpersonen und vorinstanzlichen Gerichten eingereicht wurden, von denen einige seit 2017 anhängig waren. Den Antragstellenden zufolge behinderte das Fehlen einer klaren Definition des Begriffs "regierungsfeindliche Organisation" in dem Gesetz die Arbeit der Zivilgesellschaft. Für Personen, die "die Aktivitäten einer regierungsfeindlichen Organisation loben, zu solchen anstiften oder diese propagieren" sah das Gesetz Freiheitsstrafen von bis zu sieben Jahren vor.
Im September 2022 legte die Regierungspartei Macht des Volkes eine Beschwerde gegen den öffentlichen Rundfunksender Munhwa Broadcasting Corporation wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Förderung der Nutzung von Informations- und Kommunikationsnetzwerken und für den Schutz von Informationen (Verleumdungsgesetz) ein. Darin beschuldigte die Partei den Sender, über Äußerungen des Präsidenten Yoon Suk-yeol während einer Reise nach New York falsch berichtet zu haben. Die Stadtpolizei von Seoul leitete eine Untersuchung ein.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
In Hafteinrichtungen wurden die Rechte ausländischer Staatsangehöriger weiterhin verletzt. Im Juni 2021 sollen Angestellte der Haftanstalt von Hwaseong die Arme und Beine eines marokkanischen Gefangenen hinter seinem Rücken zur sogenannten Schweinefesselung zusammengebunden haben. Im Februar 2022 gewährte das Justizministerium dem Häftling, bei dem es sich um einen Migranten ohne Ausweispapiere handelte, eine vorläufige Haftentlassung. Zuvor hatten das Justizministerium und die Nationale Menschenrechtskommission Südkoreas eingeräumt, dass seine Menschenrechte im Juni 2021 durch Folter und anderweitige Misshandlungen verletzt worden waren. Im Mai 2022 kündigte das Justizministerium jedoch eine Überarbeitung des Einwanderungsgesetzes an, um den Einsatz von Geräten und Stühlen zu ermöglichen, mit denen die oberen und unteren Gliedmaßen eines Häftlings gleichzeitig gefesselt werden können.
Rechte von Frauen und Mädchen
Der Sachverständigenausschuss der Sondereinheit für digitale Sexualstraftaten, der vom Justizministerium nach dem "Nth Room"-Vorfall eingerichtet worden war, wurde am 15. Juni 2022, zwei Monate vor Ablauf seines Mandats, offiziell aufgelöst. Zuvor waren 17 seiner Mitglieder unter dem Druck der neuen Regierung zurückgetreten. Die Regierung hatte erklärt, dass die Sondereinheit ihren Zweck bereits erfüllt habe, obwohl weiterhin Sorge bezüglich anhaltender digitaler geschlechtsspezifischer Gewalt bestand. Der "Nth Room" war ein Netzwerk zur sexualisierten Erpressung, das über die Messenger-App Telegram operierte und zahlreiche Frauen sexuell ausbeutete.
Die Medien berichteten über einen Fall von digitaler Ausbeutung Minderjähriger, bei dem es um einen als "L" bekannten Verdächtigen ging. Dieser hatte von minderjährigen Mädchen Aufnahmen zum Zweck sexualisierter Ausbeutung erpresst. Er wurde am 23. November 2022 von der Polizei in Australien festgenommen. Der Fall enthüllte, dass der Verdächtige trotz des vorangegangenen "Nth Room"-Falls in der Lage war, mit denselben Methoden noch mehr ausbeuterisches sexualisiertes Material zu verbreiten. Darüber hinaus unterstrich der Fall die anhaltenden Bedenken angesichts des Ausmaßes digitaler Sexualstraftaten in Südkorea und deckte grundlegende Probleme auf, wie z. B. den Mangel an spezialisiertem Personal und finanziellen Mitteln für polizeiliche Ermittlungen zu Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt.
Die neue Regierung kündigte im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung Pläne zur Auflösung des Ministeriums für Geschlechtergleichstellung und Familie an. Das Ministerium hatte für alle Ministerien als "Schaltzentrale" für Gleichstellungspolitik fungiert. Durch die beabsichtigte Umstrukturierung würden seine Aufgaben dem Ministerium für Beschäftigung und Arbeit sowie dem Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt zugeordnet. Mehr als 800 Organisationen sprachen sich gegen den Plan aus.
Todesstrafe
Im Juli 2022 hielt das Verfassungsgericht eine öffentliche Anhörung zu einer seit 2019 anhängigen Klage gegen die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe ab. Südkorea hat die Todesstrafe in der Praxis abgeschafft. Die letzte Hinrichtung wurde im Jahr 1997 vollzogen.
Veröffentlichungen von Amnesty International
- South Korea: Landmark judgment on same-sex sexual acts in military a huge victory for LGBTI rights, 21 April
- Yoon Suk-yeol needs to change the way South Korea treats women, 10 May
- South Korea: Drop charges against first conscientious objector to refuse alternative service, 22 August
- South Korea: Supreme Court ruling on legal gender recognition an important step forward for transgender rights, 24 November
- South Korea: Online sexual abuse content proliferates as survivors blame Google failings, 8 December