DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Simbabwe 2022
Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022
Das Recht auf freie Meinungsäußerung war durch das Gesetz über Cybersicherheit bedroht, auf das zurückgegriffen wurde, um Journalist*innen festzunehmen. Die Novellierung des Gesetzes über private gemeinnützige Organisationen würde im Falle seiner Verabschiedung das Recht auf Vereinigungsfreiheit untergraben. Mitglieder und Unterstützer*innen der wichtigsten Oppositionspartei wurden bei politischen Kundgebungen gewaltsam angegriffen, wobei mindestens zwei Menschen zu Tode kamen. Studierende wurden festgenommen, weil sie gegen Gebührenerhöhungen protestiert hatten. Zudem instrumentalisierte die Regierung Gesetze, um Oppositionelle strafrechtlich zu verfolgen. Ordnungskräfte töteten im August 2022 bei zwei separaten Vorfällen rechtswidrig zwei junge Männer. Die Behörden ergriffen Maßnahmen, um einen Masernausbruch einzudämmen, durch den Hunderte Kinder starben. Früh- und Kinderehen wurden gesetzlich verboten.
Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung waren zunehmend bedroht. Journalist*innen wurden auf der Grundlage des Gesetzes über Cybersicherheit festgenommen, und dem Parlament wurde eine Reform des Gesetzes über private gemeinnützige Organisationen (Private Voluntary Organization Amendment Bill – PVO) vorgeschlagen. Mitglieder und Unterstützer*innen der wichtigsten Oppositionspartei Citizens Coalition for Change (CCC) wurden während der Nachwahlen zum Parlament und zu den Kommunalverwaltungen im März 2022 eingeschüchtert, schikaniert und angegriffen.
Zwischen August und September 2022 wurden drei Journalisten auf der Grundlage des neuen Gesetzes über Cybersicherheit und Datenschutz, das im Dezember 2021 in Kraft getreten war, festgenommen. Sie waren damit die Ersten, die auf Grundlage dieser Bestimmungen ins Visier genommen wurden. Wisdom Mdzungairi, Chefredakteur von Alpha Media Holdings und Herausgeber der Zeitung NewsDay, und Desmond Chingarande, leitender Reporter bei NewsDay, wurden auf das Polizeipräsidium von Harare vorgeladen. Dort befragte man sie im Zusammenhang mit einer Reportage, die sie über ein privates Unternehmen mit mutmaßlichen Verbindungen zur Regierung veröffentlicht hatten. Ihnen wurde die Verbreitung "falscher Angaben mit der Absicht, Schaden anzurichten" zur Last gelegt. Nachdem ihr Rechtsbeistand den Polizisten versichert hatte, dass seine Mandanten bei Bedarf für weitere Befragungen zur Verfügung stünden, ließ man sie nach drei Stunden wieder gehen.
Am 29. September 2022 wurde der freiberufliche Sportjournalist Hope Chizuzu wegen derselben Vorwürfe festgenommen, nachdem Vorstandsmitglieder des Dynamos Football Club Anzeige gegen ihn erstattet hatten. Die Polizei beschlagnahmte sein Mobiltelefon und sein Tablet und behielt beides für "weitere Untersuchungen" ein. Nachdem die Polizei ihn verwarnt und ihm mitgeteilt hatte, dass er demnächst vor Gericht erscheinen müsse, wurde er noch am selben Tag wieder aus dem Gewahrsam entlassen.
Im Juni 2022 brachte der Minister für den öffentlichen Dienst, Arbeit und Soziales den Entwurf zur Änderung des PVO-Gesetzes ins Parlament ein. Die darin enthaltenen Bestimmungen bedrohten das Recht auf Vereinigungsfreiheit sowie die Existenz zivilgesellschaftlicher Organisationen und deren Aktivitäten. Paragraf 2 räumt dem Minister einen übermäßig großen Ermessensspielraum ein, um Organisationen zu benennen, die "einem hohen Risiko des Missbrauchs durch terroristische Organisationen ausgesetzt sind bzw. leicht für deren Zwecke missbraucht werden können". Die betroffenen gemeinnützigen Organisationen und ihre Vertreter*innen hätten jedoch kein Mitspracherecht bei der Bewertung ihres Gefährdungsgrades. Paragraf 5 sieht die Streichung einer Organisation aus dem Register vor, wenn sie sich an politischen Aktivitäten beteiligt. Diese Bestimmung wäre eine besondere Bedrohung für Organisationen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen.
Das Recht auf friedliche Versammlung wurde ständig verletzt und untergraben, da die Polizei und Anhänger*innen der Regierungspartei ZANU-PF die politischen Kundgebungen der CCC störten und Mitglieder der CCC angriffen. Am 27. Februar 2022 störten Mitglieder der Jugendorganisation der ZANU-PF, die nach vorliegenden Informationen mit Macheten, Bierflaschen, Eisenstangen, Speeren und Ziegelsteinen bewaffnet waren, eine Kundgebung der CCC in der Stadt Kwekwe und versuchten, Personen an der Teilnahme zu hindern. Der 30-jährige CCC-Anhänger Mboneni Ncube wurde erstochen, mindestens 17 weitere Personen wurden bei dem Angriff schwer verletzt. Der Vizepräsident Simbabwes, Constantino Chiwenga, hatte tags zuvor auf einer Kundgebung der ZANU-PF im Mbizo-Stadion in Kwekwe die eindringliche Warnung an die CCC gerichtet, dass die ZANU-PF die Partei "wie Läuse zerquetschen" werde.
Am 17. März 2022 – im Vorfeld der Nachwahlen zum Parlament – wurde der CCC-Anhänger Godfrey Karembera in der Hauptstadt Harare von Angehörigen der Polizei attackiert. Die Polizei rechtfertigte den Angriff damit, dass er sich "an nicht genehmigten politischen Aktivitäten im Zentralbezirk von Harare beteiligt" habe.
Am 12. September 2022 nahm die Polizei 14 Studierende der Universität von Simbabwe fest, die zuvor mit friedlichen #FeesMustFall-Demonstrationen gegen die drastische Erhöhung der Studiengebühren protestiert hatten. Zwölf Studierende kamen am späten Abend des 13. September wieder frei, nachdem sie Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 3,31 US-Dollar bezahlt hatten. Die anderen beiden wurden am 14. September einem Gericht vorgeführt und gegen Kaution freigelassen. Am 14. September wurden noch fünf weitere Studierende festgenommen, zur Polizeiwache von Avondale, einem Stadtteil von Harare, gebracht und wegen "ungebührlichen Verhaltens" angeklagt.
Willkürliche Inhaftierung
Die Behörden missbrauchten gesetzliche Bestimmungen, um CCC-Mitglieder und -Anhänger*innen zu verfolgen, willkürlich festzunehmen, rechtswidrig zu inhaftieren und unfairen Gerichtsverfahren zu unterziehen. Am 6. Februar 2022 nahm die Polizei in Mkoba, einem Viertel der Stadt Gweru, zehn CCC-Anhänger*innen während einer Wahlveranstaltung fest. Nach zwei Tagen wurden sie ohne Anklageerhebung freigelassen.
Am 14. Juni 2022 wurden Job Sikhala, Parlamentsabgeordneter der CCC und Vorsitzender der Partei, sowie Godfrey Sithole, Parlamentsabgeordneter der CCC für Chitungwiza North, festgenommen und wegen Anstiftung zur Gewalt bei der Totenwache von Moreblessing Ali in Nyatsime, einem Vorort von Chitungwiza (Provinz Harare), angeklagt. Moreblessing Ali war eine Parteiaktivistin, die am 24. Mai 2022 in Nyatsime entführt worden war, mutmaßlich von einem Anhänger der ZANU-PF. Im Juni wurde ihre Leiche in einem Brunnen gefunden. Die Polizei beschuldigte Job Sikhala, Parteianhänger*innen dazu aufgerufen zu haben, ihren Tod zu rächen, nachdem er bei der Totenwache die Erklärung der Familie über die Umstände ihres Todes verlesen hatte. 14 weitere CCC-Mitglieder, die bei der Totenwache anwesend waren, wurden ebenfalls festgenommen. Das zuständige Gericht lehnte es ab, die auch als "Nyatsime 16" bekannte Gruppe gegen Kaution freizulassen, und verweigerte den in Untersuchungshaft festgehaltenen Personen den Zugang zu ihren Rechtsbeiständen. Nach mehreren Rechtsmittelverfahren bei unter- und höherinstanzlichen Gerichten wurde Godfrey Sithole am 10. November von einem Richter in Harare gegen eine Kaution in Höhe von umgerechnet 470 US-Dollar auf freien Fuß gesetzt. Weitere 14 Gefangene kamen am 15. November nach mehr als 150 Tagen in Haft aufgrund einer Entscheidung des Oberen Gerichts gegen eine Kaution von umgerechnet 78 US-Dollar frei. Job Sikhala blieb jedoch in Haft. Das Gerichtsverfahren gegen ihn dauerte Ende 2022 noch an.
Auch Mitglieder zivilgesellschaftlicher Gruppen wurden willkürlich festgenommen. So nahm die Polizei am 8. Februar 2022 in Mbare, einem Vorort von Harare, zehn Mitglieder des Netzwerks Zimbabwe Election Support Network fest. Sie wurden auf dem Polizeirevier Mbare in Gewahrsam gehalten, weil sie ohne offizielle Genehmigung Wähler*innenaufklärung betrieben hatten, und später ohne Anklage wieder freigelassen. Nach der Veröffentlichung eines Tweets, in dem er die Freilassung seines Gewerkschaftskollegen Robson Chere forderte, wurde Obert Masaraure, Vorsitzender der Lehrer*innengewerkschaft Amalgamated Rural Teachers Union of Zimbabwe (ARTUZ), am 8. Juli von Polizeiangehörigen festgenommen und wegen Anstiftung zu öffentlicher Gewalt angeklagt. Robson Chere war am 5. Juli festgenommen und des Mordes an einem ARTUZ-Kollegen im Jahr 2016 angeklagt worden. Obert Masaraure war ebenfalls in der Vergangenheit wegen desselben Mordvorwurfs festgenommen worden; die Anklage gegen ihn war nach wie vor anhängig. Im Zusammenhang mit den Anklagepunkten in Bezug auf seinen Tweet wurde Obert Masaraure am 4. August vom Hohen Gericht in Harare gegen eine Kaution in Höhe von umgerechnet 107 US-Dollar freigelassen. Ein erstinstanzliches Gericht hatte ihm eine Kaution zunächst verweigert.
Rechtswidrige Tötungen
Am 17. August 2022 wurde Tawanda Zvinowanda in Gewahrsam der nationalen Polizei getötet, nachdem er am Morgen desselben Tages von drei in Zivil gekleideten Angehörigen der Kriminalpolizei in seinem Haus in Chitungwiza (Provinz Mashonaland East) festgenommen worden war. Laut der Zeugenaussage seiner Frau wurde Tawanda Zvinowanda von den drei Sicherheitskräften brutal verprügelt, bevor sie ihm Handschellen anlegten und ihn in den Kofferraum eines Fahrzeugs warfen. Die Polizeikräfte informierten weder ihn noch seine Familie über die Gründe für die Festnahme. Als sich seine Familie auf der örtlichen Polizeiwache in Makoni nach ihm erkundigte, sagten die Polizist*innen dort, sie hätten keine Unterlagen über ihn. Am Morgen des 18. August wurde seine Familie darüber informiert, dass er am 17. August auf dem Friedhof Unit L Cemetery in Chitungwiza gestorben sei, wohin man ihn gebracht habe, damit er ein angebliches Waffenversteck aufdecke. Obwohl Tawanda Zvinowanda zu diesem Zeitpunkt Handschellen angelegt waren, gab die Polizei an, er habe auf dem Friedhof versucht, mit einer Machete auf einen Polizisten loszugehen, woraufhin dieser ihn erschossen habe.
Angehörige der Präsidialgarde (eine Militäreinheit) töteten am 20. August 2022 den psychisch kranken Levy Musendo, nachdem er des versuchten Einbruchs in das State House in Harare, den Amtssitz des Präsidenten, beschuldigt worden war. Levy Musendo verließ am 19. August sein Haus in Mufakose. Als er nicht zurückkehrte, gab seine Familie eine Vermisstenanzeige auf. Am nächsten Morgen meldete sich ein namentlich nicht bekannter Polizist bei der Familie und teilte ihr mit, dass Levy Musendo festgenommen worden sei und sich auf dem Polizeipräsidium von Harare befinde. Als die Familie noch am selben Morgen zum Präsidium ging, konnte sie ihn jedoch mehrere Stunden lang nicht ausfindig machen. Polizeiangehörige teilten der Familie schließlich mit, dass er mit schweren Verletzungen ins Parirenyatwa-Krankenhaus gebracht worden sei und "stark aus Nase und Mund blutete". Nach vorliegenden Berichten soll das Pflegepersonal im Krankenhaus der Familie gesagt haben, dass Levy Musendos Leiche von uniformierten Militärangehörigen gebracht worden sei, die ihnen eingeschärft hätten, geheim zu halten, dass er bei seiner Ankunft im Krankenhaus bereits tot war. Die Eltern von Levy Musendo warfen der Polizei und den Angehörigen der Präsidialgarde vor, den Mord an ihrem Sohn vertuschen zu wollen. Am 25. August gab die Polizei bekannt, dass sie den Todesfall untersuche.
Recht auf Gesundheit
Im April 2022 meldete das Ministerium für Gesundheit und Kinderfürsorge einen Masernausbruch im Bezirk Mutasa in der Provinz Manicaland. Das Virus breitete sich auf andere Gebiete aus und tötete mehr als 750 Kinder unter fünf Jahren. Gemeinsam mit dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation setzte die Regierung auf ein Kommunikationsmodell zur Verhaltensänderung (Social and Behaviour Change Communication – SBCC), um in apostolischen Religionsgemeinschaften über moderne Gesundheitsdienste und Behandlungsmethoden aufzuklären und den Zugang zu diesen Diensten und Methoden zu verbessern. Die Behörden brachten außerdem Not- und Auffrischungsimpfkampagnen für mehr als 2 Millionen Kinder unter fünf Jahren auf den Weg.
Kinderrechte
Im März 2022 wurde im Parlament ein Änderungsgesetz über die Eheschließung verabschiedet, das Früh- und Kinderehen verbietet. Nach Angaben der nationalen Statistikbehörde Zimstat waren im Jahr 2022 in Simbabwe 33,7 Prozent der Mädchen vor Erreichen des 18. Lebensjahres verheiratet, bei den Jungen waren es lediglich 2 Prozent.