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Sierra Leone 2023

© Amnesty International
Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023
Auch 2023 blieben die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung eingeschränkt, insbesondere in der Zeit der Präsidentschaftswahlen. Die Ernährungslage war weitgehend unsicher. Die Regierung bemühte sich, gegen die Abholzung der Wälder vorzugehen. Die Rechte von Frauen und Mädchen wurden verletzt, der Anteil von Frauen in öffentlichen Ämtern nahm jedoch zu. Die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Rechte von Kindern besser schützen würde, stand weiterhin aus.
Hintergrund
Präsident Julius Maada Bio wurde am 24. Juni 2023 wiedergewählt. Dabei gab es Kontroversen über mangelnde Transparenz bei der Stimmenauszählung.
Die Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff waren hoch; im August 2023 betrug die Inflationsrate mehr als 50 Prozent.
Die Justizbehörden hielten mehr Gerichtsverhandlungen in Justizvollzugsanstalten ab, um die überfüllten Gefängnisse zu entlasten und die Dauer der Untersuchungshaft zu verkürzen.
Im Oktober 2023 einigte sich die Regierung auf eine politische Maßnahme, die sicherstellen soll, dass die Arbeit von NGOs mit den nationalen Entwicklungsprioritäten im Einklang steht.
Im November versuchten bewaffnete Männer, sich Zutritt zu einem militärischen Waffenlager zu verschaffen. Sie griffen auch zwei Gefängnisse in der Hauptstadt Freetown an und setzten fast 2.000 Häftlinge auf freien Fuß. Bei dem Vorfall starben mindestens 20 Menschen. Die Regierung nannte ihn einen versuchten Staatsstreich, nahm mehr als 50 Personen fest und verhängte fast einen Monat lang ein nächtliches Ausgehverbot.
Recht auf Versammlungsfreiheit
Einige Monate vor den Wahlen verbot die Kommission für die Registrierung politischer Parteien (Political Parties Registration Commission) aus Sicherheitsgründen mobile Wahlkampfveranstaltungen mit Konvois und wies die Parteien an, Wahlkampfveranstaltungen an festen Orten abzuhalten.
Im April 2023 veröffentlichte der von der Regierung eingesetzte Sonderermittlungsausschuss (Special Investigation Commission – SIC) einen Abschlussbericht zur Untersuchung der Tötung von sechs Polizisten und mindestens 27 Demonstrierenden und Umstehenden bei Protesten im August 2022. In dem Bericht wurden die Proteste als Aufstand beschrieben und als Versuch, die Regierung zu stürzen. Der SIC riet zwar, Polizist*innen zu schulen, um unnötiger Gewaltanwendung vorzubeugen, empfahl dagegen nicht die Untersuchung der unverhältnismäßigen Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte.
Am 13. Juni 2023 wurden mindestens acht Demonstranten in der Hauptstadt Freetown wegen "rechtswidrigen Demonstrierens zwecks Störung des öffentlichen Friedens" festgenommen. Die Demonstranten hatten die Offenlegung der Wählerregistrierungsdaten und den Rücktritt des obersten Wahlbeauftragten gefordert.
Am 21. Juni wandte die Polizei unverhältnismäßige Gewalt an, um mehr als 100 Personen auseinanderzutreiben, die vor dem Parteisitz der Oppositionspartei All People’s Congress (APC) gegen mutmaßliche Unstimmigkeiten im Wahlprozess protestierten. Dabei soll ein Demonstrant an einer Schussverletzung gestorben sein. Die Polizei lehnte die Verantwortung dafür ab. 66 Demonstrierende wurden im Anschluss festgenommen.
Am 25. Juni umstellten Sicherheitskräfte während einer Pressekonferenz das Gebäude der APC, vor dem Anhänger*innen auf die Bekanntgabe der Wahlergebnisse warteten. Sie setzten scharfe Munition und Tränengas ein. Eine Wahlkampfhelferin starb, nachdem sie angeschossen worden war.
Im September starben zwei Personen an Schussverletzungen, als Sicherheitskräfte Demonstrationen in Freetown und anderen Regionen gewaltsam auflösten. Wie die Polizei mitteilte, wurden 72 Personen festgenommen und Untersuchungen zu den Todesfällen eingeleitet. Mehr als 40 Personen wurden wegen Straftaten angeklagt, die von "Verabredung zu einer Straftat" bis hin zu "ungebührlichem Verhalten" reichten.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Pressefreiheit erlebte 2023 den größten Rückschlag seit 18 Jahren. In der Rangliste der Meinungsfreiheit der NGO Reporter ohne Grenzen rutschte Sierra Leone von Platz 46 auf Platz 74 unter 180 Ländern ab.
Im April 2023 wurde eine Unternehmerin festgenommen, die in einem Video die Regierung kritisiert und den Präsidenten beschuldigt hatte, Menschen zu töten. Sie wurde nach zwei Tagen gegen Kaution freigelassen. Die Polizei gab an, wegen Verstoßes gegen das Gesetz über Internetkriminalität gegen sie zu ermitteln.
Recht auf Nahrung
Nach Schätzungen eines im April 2023 veröffentlichten Berichts des Welternährungsprogramms waren im Februar 2023 78 Prozent der Bevölkerung von Sierra Leone von Ernährungsunsicherheit und 20 Prozent der Haushalte von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen. Die Weltbank führte Sierra Leone zum wiederholten Mal unter den zehn Ländern mit der höchsten Inflation bei Lebensmitteln auf. Im Oktober 2023 rief der Präsident das Programm Feed Salone ins Leben, um die landwirtschaftliche Produktivität, die Exporteinnahmen aus dem Anbau sowie die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu verbessern. Darüber hinaus soll die Initiative Kleinbäuer*innen technisch und finanziell unterstützen und private Investitionen in die landwirtschaftliche Infrastruktur fördern.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Um die Abholzung der Wälder zu bekämpfen, verkündete die Regierung im Juli 2023 ein vorübergehendes Verbot für den Einschlag und Transport von Holz. Es galt vom 1. August bis zum 31. Oktober.
In der Küstenstadt Tombo beschwerten sich Fischerleute über den Rückgang der Fischbestände, der ihrer Ansicht nach auf ausländische, illegal tätige Schleppnetzfischkutter zurückzuführen war, deren Fangmethoden das Ökosystem zerstörten.
Rechte von Frauen und Mädchen
Im Januar 2023 trat ein Gesetz über Geschlechtergleichstellung und Frauenförderung in Kraft, dem zufolge 30 Prozent aller öffentlichen Ämter mit Frauen besetzt werden müssen. Bis Juli hatte sich der Frauenanteil im Parlament erstmals auf 41 Abgeordnete verdoppelt, und der Prozentsatz von Frauen, die ins Kabinett berufen wurden, erreichte 30 Prozent. Im September erklärte das Ministerium für Genderfragen und Kinder, es werde künftig die Geschlechtergleichstellung in verschiedenen Ministerien, Abteilungen und Behörden landesweit nachverfolgen und bewerten.
Im Februar 2023 forderte die NGO AdvocAid ein Ende der Gewalt durch Ordnungskräfte. Auslöser war ein Verfahren gegen einen Polizisten wegen der Vergewaltigung eines Mädchens auf einer Polizeiwache.
Weibliche Genitalverstümmelung war nach wie vor weit verbreitet. Im März 2023 starb ein zweijähriges Mädchen an den Folgen dieser Praxis im Rahmen einer Initiationszeremonie für einen Frauengeheimbund (Bondo Society). Die Menschenrechtskommission tauschte sich mit Interessengruppen über die Umsetzung einer nationalen Strategie zur Beendigung derartiger Praktiken aus, die 2015 zwar ausgearbeitet aber nie umgesetzt worden war.
Im März 2023 wurde ein Rückgang der Müttersterblichkeitsrate um fast 60 Prozent zwischen 2017 und 2020 gemeldet. Dies ging aus einem Bericht des African Health Observatory hervor, einer Gesundheitsinformationsplattform für die afrikanischen Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation.
Kinderrechte
Im April 2023 drängte das zivilgesellschaftliche Bündnis Child Rights Coalition die Regierung, das Kinderrechtsgesetz 2022 zu verabschieden, da es kinderfreundliche Beschwerdemechanismen innerhalb der Nationalen Kommission für Kinder vorsehe und Lücken bei der Behandlung von Themen wie Zugang zur Justiz für Kinder, Frühverheiratung und Kinderheirat schließen würde. Ebenfalls im April verabschiedete das Parlament ein Gesetz über die Grund- und Sekundarschulbildung (Basic and Senior Secondary Education Act 2023). Es verpflichtet Eltern bzw. Erziehungsberechtigte, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und verbietet körperliche Züchtigungen in der Schule, Diskriminierung bei der Zulassung von Kindern zu Schulen und jegliche diskriminierende Behandlung in der Schule. Das Gesetz sieht auch eine Verbesserung des Zugangs zu Bildung für schwangere Mädchen und Schüler*innen mit Kindern vor.
Der Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten für schutzbedürftige Kinder behinderte die Bekämpfung der Kinderarbeit. Laut einem im Juli 2023 veröffentlichten Bericht der afrikanischen Programmentwicklungs- und Forschungsinitiative zur Abschaffung der Sklaverei (APRIES) hatte der Kinderhandel in der Provinz North West zugenommen. 34 Prozent der 5- bis 17-Jährigen im Bezirk Kambia waren von Kinderhandel und etwa 40 Prozent von Kinderarbeit betroffen.